Mark Benecke: Mit Tinte für Tintenfische!

Mark Benecke ist ein international tätiger Kriminalbiologe und Ausbilder an deutschen Polizeischulen sowie Gastdozent in den USA und Asien.

Im Fernsehen kann man Benecke in den Serien Medical Detectives, Autopsie (RTL II) , Galileo (ProSieben) und vielen anderen bei der Aufklärung von Kriminalfällen sehen, er veröffentlicht Artikel und Bücher und liefert Beiträge zu aktuellen wissenschaftlichen Themen auf Radio Eins.

Auch als Vorsitzender der Transylvanian Society of Dracula, Mitglied des Kommitees des Nobelpreises für kuriose wissenschaftliche Forschungen, Musiker und Politiker ist Benecke nicht unbescholten und tritt im Landtagswahlkampf 2010 in NRW als Spitzenkandidat der Partei „Die Partei“ an. 2003 erhielt er die Ehrenkriminalmarke/Silberne Ehrennadel des Bund Deutscher Kriminalbeamter.

Das Interview

Als echter Oktopus-Fan mit stilechter Gürtelschnalle!

Sie sind ein bekannter Kriminalbiologe. Sezieren Sie auch Tierleichen und wurden Sie aus diesem Grund Veganer?

Ich habe eher mit Spuren wie Blut, Sperma, Haaren, Urin und so zu tun, oder die Leichen sind schon faul, dann schauen wir nach Insekten – in keinem der Fälle muss ich Tiere sezieren, das ist schon mal gut für mich, denn ich mag kein Fleisch.

Veganer bin ich in mehreren Stufen geworden. Ich habe auf einer vollkommen einsamen Insel mit Kraken gearbeitet. Die Tiere waren absolut cool, intelligent, verspielt und wegen ihrer Augen und der schnell wechselnden Hautfärbung auch ausdrucksstärker als Kaninchen oder Meerschweinchen.

Sie guckten sogar im Nachbar-Aquarium ab und pfuschten bei Experimenten, um schneller rauszukriegen, was wir von ihnen wollen.
Als Belohnung bekamen die Kraken Krebse zu essen. Auch diese in der Evolution viel früher entwickelten Tiere waren schlauer, als wir dachten – sie versteckten sich sehr gut und rannten immer in ihrem bekloppten Seitengang durchs Labor.

Als wir die Tintenfische nach ein paar Monaten ins Meer brachten, haben alle geheult – wir hatten Freunde verloren, waren aber auch froh, dass sie wieder zuhause im Meer waren. Das ist kein Witz. Ich habe danach keine Meerestiere mehr angerührt.

Viel später hatte ich dann einen Fall, in dem eine sehr nette, absolut harmlose Prostituierte von einem Kunden sehr stark blutend und extrem verprügelt tot liegen gelassen wurde. Seitdem kann ich den Geruch in Metzgereien nicht mehr ertragen und esse kein Fleisch (ja, auch keine Fische) mehr.

Seit neuestem kümmere ich mich oft um das Kaninchen meiner Gattin (sie heißt Hermine – also das Kaninchen, nicht die Gattin). Hier habe ich einiges spannende und auch rührende über Wirbeltiere gelernt, die mir vorher egal waren.

Mittlerweile finde ich Fleisch essen ziemlich krank und lustig – wie einen Anachronismus, den ich mir eher museal und verwundert ansehe, so wie eine komische Lebensweise aus einer alten Kultur.

Oktopus auch in Beneckes Haut

Nun gibt es ja Menschen, die sich selbst fälschlicherweise als Vegetarier bezeichnen, aber Fisch essen. Warum essen Sie keine Fische oder andere Meerestiere?

Als Biologe lache ich schon immer darüber, dass beispielsweise bei Katholiken, um die Fasten-Regeln zu umgehen, die Ausnahmen für Schnecken, Fische, Muscheln usw. durchgekommen sind. Ich verstehe überhaupt nicht, wo der Unterschied zwischen landlebenden Wirbeltieren und Wasserbewohnern sein soll. Vielleicht kommt es daher, dass Fische, Krebse und zehnarmige Tintenfische weniger Mimik haben und man daher kaum Empathie über Spiegelneuronen empfindet, wenn man sie erschlägt. Eigentlich sollte aber doch jeder begreifen, dass „Fleisch“ Muskelgewebe ist und dass alle größeren Tiere Muskeln haben.

Warum haben Sie ein Oktopus-Tattoo auf dem Oberarm anstatt einem Motorrad?

Tintenfische finde ich extrem cool – wenn man bedenkt, was die den ganzen Tag Cooles am Meeresboden anstellen…da muss richtig was los sein. Irre Welt…außerdem sind sie sehr schön.

Was tragen Sie sonst noch für Tattoos?

Tonnenweise 😉 Meerestechnisch relevant mein (allerdings nicht jugendfreier) Hokusai-Oktopus, ein recht bekannter Holzschnitt und dem ganzen rechten Oberarm noch eine fette Makrelenhaut. Die Tiere haben mich beeindruckt, sie leben in Schwärmen im Wasser und haben eine der coolsten Hautmusterungen, die man sich vorstellen kann. Sowie noch allerlei Planktonsternchen für Tattoo-Anfänger wie meine Tochter, die sich so auf meiner Haut verewigen können.

Auch eine Makrelenhaut ziert den Körper des Kriminalbiologen.

Tintenfische sind ja im Gegensatz zu Fischen keine Wirbeltiere, gelten aber als überaus intelligent und benutzen sogar Werkzeuge. Denken Sie, dass auch Tintenfische Schmerz und Angst empfinden können?

Davon bin ich hundertprozentig naturwissenschaftlich und persönlich überzeugt. Jeder, der erlebt hat, dass und wie man mit achtarmigen Tintenschnecken persönlich arbeiten kann, wird mir da zustimmen.
Die Tiere erkennen eine Person eindeutig (und mögen sie oder auch nicht), haben messbare, persönliche Macken und Charaktere (etwa verspielt oder träge), können eindeutig wie Kinder Langeweile äußern und Faxen machen (z.B. Tinte auf den Schreibtisch spritzen, wenn sie finden, dass man nicht mehr lesen, sondern mit ihnen spielen soll), sind klar messbar verschieden intelligent (brauchen verschieden lang, um Aufgaben zu lösen) und können sogar verrückt werden (sich in eine Ecke verkriechen und nur noch Murx bauen), sich anhand der Hautfarbe und des Fluchtverhaltens klar erkennbar erschrecken und so weiter.

Am Eindrucksvollsten finde ich, dass sie, wenn sie einen Menschen mögen, sogar auf die Hand kommen und sich aus dem Wasser nehmen lassen; wir Menschen nennen das wohl „bedingungsloses Vertrauen“…

Gerade in Mittelmeerländern werden sie ja sehr brutal getötet, man reißt ihnen lebend den Schnabel raus und erstickt sie in Plastiktüten. Würden Sie sich auch für ein Tierschutz-Gesetz aussprechen, das Wirbellose besser schützt?

Jeder Mensch sollte einsehen, dass man Tiere einfach in Ruhe lassen soll. Solange sich aber sogar Menschen gegenseitig umbringen, habe ich so meine Zweifel an Gesetzen. Je klarer ein Tier seine Umwelt und sich selbst wahrnimmt, umso mehr Schutz sollte es – unabhängig vom Verzehr, den ich eh bescheuert finde – genießen. Das gilt also auch für Wirbellose, von denen viele eben sehr deutlich wahrnehmen, was um sie herum vorgeht, auch wenn wir es ohne genaueres Hinsehen nicht glauben, weil sie halt oft ein Außenskelett ohne Mimik oder „fischige“ Augen haben.

Sie als Wissenschaftler- denken Sie Fische können Schmerzen empfinden? Auch Angst, Freude und andere Emotionen?

Selbstverständlich! Fische, Reptilien und Amphibien haben nur sehr kleine Großhirne aber Angst und Schmerzen sitzen ja deutlich tiefer im Gehirn, also in älteren Gehirnteilen.

Was denken Sie fühlt ein Hummer wenn man ihn lebend in kochendes Wasser wirft?

Einen intensiven, grauenvollen, alles vorstellbare überschreitenden Schmerz. Wie wenn man erschossen wird, aber der Schütze nicht perfekt gezielt hat.

Was ist Ihr Lieblingsgericht?

Das Verfassungsgericht, das meiner Meinung nach oft weise entscheidet. Ansonsten: Kaiserschmarrn – MIT Rosinen und OHNE kerne!