Eine ausgewogene und vollwertige vegane Ernährung in der Schwangerschaft ist nicht nur möglich, sondern tut Mutter und Kind gut. Zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse sprechen dafür, dass eine vegane Ernährung das Risiko für ernährungsmitbedingte Erkrankungen senken kann und problemlos für Schwangere geeignet ist. [1] Hier erfahren Sie alles über die Vorteile einer veganen Schwangerschaft und wie Sie sich ausreichend mit Nährstoffen wie Vitaminen versorgen.
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Können Schwangere sich vegan ernähren?
Immer mehr Frauen führen ihre vegane Lebensweise auch in der Schwangerschaft fort. Bisher gibt es nur wenige Studien zu diesem Thema, sodass noch Forschungsbedarf besteht. Die vorliegenden Studien zeigen jedoch eindeutig, dass eine vegane Ernährung während der Schwangerschaft sicher ist, wenn die Ernährung sorgfältig geplant wird. [2]
Wissenschaftler:innen der Universität von Torino kamen in einer Übersichtsarbeit u. a. zu dem Schluss, dass eine vegane Ernährung während der Schwangerschaft sicher sein kann, wenn die Nährstoffversorgung beobachtet wird. [3] Auch zahlreiche Ernährungsfachgesellschaften kommen zu diesem Schluss, darunter die British Dietetic Association, das National Health and Medical Research Council der australischen Regierung und die Canadian Paediatric Society. [4, 5, 6]. So auch die amerikanische Academy of Nutrition and Dietetics, die 2016 in einem Positionspapier schrieb,
Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung veröffentlichte 2016 ein Positionspapier mit Informationen zu einer gezielten Lebensmittelauswahl bei veganer Ernährung. [8]
Warum sollten Schwangere sich vegan ernähren?
Für eine vegane Ernährung während der Schwangerschaft sprechen zahlreiche Gründe. So gibt es zahlreiche gesundheitliche Vorteile, es wird Tierleid vermieden, und die Umwelt wird geschont. [1] Da sich vegane Schwangere oft intensiver mit ihrer Ernährung auseinandersetzen, sind sie oftmals besser mit Nährstoffen versorgt. Und auch die rein pflanzliche Ernährung an sich kann zu weiteren gesundheitlichen Vorteilen beitragen, darunter:
Die vollwertig-vegane Ernährung weist oft ein besseres Fettsäuremuster auf und enthält weniger Zucker. Zudem senkt sie das Risiko, an Krebs, Gicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, erhöhtem Cholesterin und Adipositas zu erkranken.
Welche Nährstoffe braucht man in der Schwangerschaft?
Während einer Schwangerschaft muss der Körper zwei Organismen versorgen, von denen sich einer im Aufbaustoffwechsel befindet. Somit ist klar, dass Schwangere einen anderen Energie- und Nährstoffbedarf haben. Für das Wachstum des Kindes, der Plazenta und des mütterlichen Gewebes sowie zum Ausgleich des erhöhten Energiebedarfs durch das höhere Gewicht benötigen Schwangere mehr Nahrungsenergie. Da der Mehrbedarf verhältnismäßig gering ist, der Bedarf an Mikronährstoffen teilweise aber stark erhöht, gilt bei der Lebensmittelauswahl während der Schwangerschaft: „Qualität plus etwas Quantität“. Der früher geläufige Ratschlag „Essen für zwei“ gilt nur für bestimmte Mikronährstoffe.
Für die Hauptnährstoffe Kohlenhydrate und Fette besteht nur ein geringer Unterschied zu den regulären Empfehlungen. Auch für Eiweiß ist die Zufuhrempfehlung erst ab dem 4. Schwangerschaftsmonat nur um rund 20 Prozent erhöht. Anders verhält es sich bei den Mikronährstoffen. Hier besteht ein teils stark erhöhter Bedarf, insbesondere bei den Vitaminen A, B2, B6 und B12 sowie Folat (Folsäure), den Mineralstoffen Magnesium, Eisen, Jod und Zink sowie den Omega-3-Fettsäuren. Zudem können Vitamin C und Kalzium kritisch werden, auch wenn die Zufuhrempfehlung kaum bzw. wenig erhöht ist. [2, 8] Gerade werdende Eltern und das heranwachsende Kind profitieren von einer Beratung bei einer Ernährungsfachkraft und der regelmäßigen Überprüfung der Nährstoffversorgung. [9]
Veganer:innen setzen aber viele Ernährungsempfehlungen besser um. Gerade die Zufuhrempfehlungen für Kohlenhydrate, Eiweiß und Fette werden mit einer veganen Ernährung eher erreicht. Zudem sind Veganer:innen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung oder Teilen davon oft genauso gut – wenn nicht sogar besser – mit Vitamin C, Vitamin E, Vitamin B1, Folat, Biotin, Pantothensäure, ß-Carotin (Vorstufe zu Vitamin A), Magnesium, sekundären Pflanzeninhaltsstoffen und Ballaststoffen versorgt. Manche dieser Nährstoffe sind in der Allgemeinbevölkerung sogar kritisch. [10, 11]
Nährstoffe in der Schwangerschaft bei veganer Ernährung
Bei einer veganen Ernährung besteht wie bei jeder Ernährungsform die Möglichkeit eines Nährstoffmangels. Bei Nährstoffen, die in einer Ernährungsform potenziell im Mangel sein könnten, spricht man von sogenannten kritischen Nährstoffen. [2]
Mit einer gezielten Lebensmittelauswahl sowie in einzelnen Fällen durch ein Nährstoffpräparat (Vitamin B12 und teilweise Vitamin D) kann eine adäquate Versorgung aber einfach sichergestellt und einem Mangel vorgebeugt werden. Bei einer veganen Ernährung gelten Kalzium, Eisen, Jod, Zink, die Vitamine B12, B2 und D sowie Omega-3-Fettsäuren als solche kritischen Nährstoffe (einige davon sind auch in der Allgemeinbevölkerung oder Teilen davon kritisch). [2] Den Bedarf all dieser Nährstoffe kann eine ausgewogene vegane Ernährung decken.
Der Mehrbedarf in der Schwangerschaft sollte durch eine abwechslungsreiche und vollwertige Ernährung mit nährstoffdichten Lebensmitteln gedeckt werden. Kritische Nährstoffe sollten nur bei Bedarf (Vitamin B12 jedoch immer) substituiert werden. Dem erhöhten Bedarf an Mikronährstoffen begegnet man am besten mit einer abwechslungsreichen Vollwertkost.
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Eisen
Die Zufuhrempfehlungen für Eisen (Title: Eisen bei veganer Ernährung) sind in der Schwangerschaft doppelt so hoch wie sonst. Eine rein prophylaktische Einnahme von Eisensupplementen wird jedoch nicht empfohlen. Sie sollte im Bedarfsfall nach Rücksprache mit dem Arzt erfolgen.
Vollkorngetreide (vor allem Pseudogetreide), Hülsenfrüchte, Ölsamen, Nüsse sowie manche Trockenfrüchte und Gemüsesorten sind gute pflanzliche Eisenlieferanten. Um die Verfügbarkeit zu verbessern, sollten zeitgleich Lebensmittel verzehrt werden, die Vitamin-C-haltig oder reich an anderen organischen Säuren sind. Auch Zubereitungsverfahren wie Einweichen oder Pürieren sind resorptionsfördernd.
Gute Beispiele hierfür sind: Vollkornnudeln mit veganem Pesto und Paprika, Hirsebrei mit Obst, Vollkornsauerteigbrot und Rohkost, gepoppter Amaranthriegel plus Apfelsine, ein Salat aus geraspelten Möhren, Linsen und Zitronensaftdressing. Um die Eisenaufnahme nicht zu hemmen, sollten Kaffee und Schwarztee während der Schwangerschaft – wenn überhaupt – nur in Maßen und nicht zu den Mahlzeiten genossen werden.
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Zink
Ähnlich wie bei Eisen nehmen wir Zink (Title: Zink bei veganer Ernährung) besser auf, wenn wir gleichzeitig bestimmte Lebensmittel essen – in diesem Fall protein- und säurehaltige Lebensmittel, die eingeweicht, gegart, geröstet oder fermentiert wurden. Reich an Zink sind Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Ölsamen und Nüsse. Fermentierte und zugleich eiweißreiche Lebensmittel sind z. B. Tempeh und Sojajoghurt.
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Kalzium
Auch wenn während einer Schwangerschaft kein erhöhter Kalziumbedarf (Title: Kalzium bei veganer Ernährung) besteht, sollte eine ausreichende Aufnahme sichergestellt werden, da viele Menschen (nicht nur Veganer:innen) die Zufuhrempfehlung von 1.000 mg nicht erreichen. Am einfachsten ist dies mit einem kalziumreichen Mineralwasser (> 400 mg/l). Auch Sesam und Mandeln, am besten als Mus, sollten auf dem Speiseplan stehen. Zudem sind dunkelgrünes Gemüse wie Fenchel, Brokkoli und Grünkohl sowie angereicherte Pflanzendrinks (Title: Die besten Pflanzendrinks) gute Kalziumlieferanten. Da Kochsalz die Kalziumausscheidung fördert, empfehlen sich der sparsame Einsatz damit und ein geringer Verzehr stark gesalzener Fertigprodukte. [2, 8]
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Jod
Jod ist bei Mischköstler:innen sowie Veganer:innen ein kritischer Nährstoff, aber wichtig für die Entwicklung des Fötus. Es sollte ausschließlich jodiertes Speisesalz bzw. Meersalz mit jodhaltigen Algenzusätzen verwendet werden. Auch bei Backwaren wie etwa Brot sollten gezielt Produkte mit Jodsalz gewählt werden. Die Jodzufuhr über Salz allein ist schwierig, daher sollten Algen mit mittlerem Jodgehalt (z. B. Nori-Algen) regelmäßig verzehrt werden, so etwa als veganes Sushi, Flocken über Risottos, in Salat, Aufstrichen oder geröstet als Snack.
Schwangeren wird unabhängig von der Ernährungsform neben der Verwendung von Jodsalz die Ergänzung mit 100-150 µg Jod pro Tag empfohlen (bei Schilddrüsenerkrankungen Rücksprache mit dem Arzt). [2]
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Vitamin B2
Vitamin B2 ist wichtig für die Embryonalentwicklung. Zwar ist die Versorgung nicht generell schlecht, allerdings ist das Vitamin sehr lichtempfindlich und wasserlöslich. Lebensmittel sollten dunkel gelagert, unzerkleinert gewaschen und schonend gegart werden (Garflüssigkeit verwenden). Ölsamen, Hefeflocken und Pilze sind gute Vitamin-B2-Lieferanten. Auch Nüsse sind reich an Vitamin B2.
60 g gemischte Nüsse täglich sind für eine vegane Schwangerschaft ein guter Richtwert [12]. Das Keimen von Getreide und Hülsenfrüchten erhöht deren Vitamin-B2-Gehalt. Keimlinge sollten während der Schwangerschaft vor dem Verzehr unbedingt kurz blanchiert werden. [2, 8]
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Vitamin D
Für die Eigensynthese – die körpereigene Herstellung – von Vitamin D (Title: Vitamin D bei veganer Ernährung) in der Haut sollte man sich täglich etwa 15 bis 30 Minuten mit freier Haut an Händen, Armen und im Gesicht im Sonnenlicht aufhalten (wegen der Gefahr von Sonnenbrand kann je nach Hauttyp nur ein zeitlich begrenzter Aufenthalt in der Sonne ohne Sonnenschutz empfohlen werden).
In den sonnenarmen Monaten sollten in nördlichen Breitengraden unabhängig von der Ernährungsweise und Lebensphase 20 µg (800IE) Vitamin D3 pro Tag über Nahrungsergänzungsmittel aufgenommen werden (bei dunkler Hautfarbe kann dies immer ratsam sein).Da Vitamin D3 häufig aus Wollfett (Title: Tierleid für Wolle) gewonnen wird, sollte man auf spezielle vegane und entsprechend gekennzeichnete Produkte, die aus Flechten gewonnen werden, zurückgreifen. [2, 8]
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Vitamin A, Vitamin B6, Folat und Magnesium
Einige Mikronährstoffe gelten in einer veganen Ernährung eher nicht als kritisch bzw. Veganer:innen sind teils sogar besser damit versorgt. Da sie aber in der Schwangerschaft eine wichtige Rolle spielen, sollte man ihnen dennoch Beachtung schenken.
Folat spielt in der Schwangerschaft eine extrem wichtige Rolle, da es für die Neubildung und Teilung von Zellen benötigt wird. Folat ist durch den in der Regel hohen Obst- und Gemüseverzehr bei veganer Ernährung ein kleineres Problem. Die Verluste durch Zubereitung und Lagerung können jedoch bis zu 90% betragen. Der reichliche Verzehr unerhitzter, folsäurereicher Frischkost, wie beispielsweise in Form von Salaten oder grünen Smoothies, ist somit ratsam.
Zudem wird allen Frauen, die schwanger werden können und wollen (möglichst einen Monat vor Beginn der Schwangerschaft), die Supplementation von 400 µg Folsäure pro Tag empfohlen. Diese sollte bis zum Ende des 1. Trimesters beibehalten werden.
Ähnlich verhält es sich mit Vitamin A. Dieses kommt in einer veganen Ernährung zwar nicht vor, kann aber leicht aus ß-Carotin umgewandelt werden und stellt bei ausreichender Obst- und Gemüsezufuhr kein Problem dar.
Auch die Versorgung mit Magnesium, das viele Schwangere supplementieren, ist bei einer vollwertigen veganen Ernährung durch den Verzehr von Vollkornprodukten, Nüssen, Ölsamen und Hülsenfrüchten meist kein Problem. Mögliche Verluste in der Zubereitung können unter anderem durch die Verwendung des Kochwassers beispielsweise für Saucen gering gehalten werden.
Vitamin B6 ist für die gesunde Entwicklung des Fetus wichtig, da es unter anderem an der Bildung von roten Blutzellen und Hormonen beteiligt ist. Der Bedarf ist zudem erhöht, da er an den Proteinstoffwechsel gekoppelt und die Proteinzufuhr in der Schwangerschaft teilweise erhöht sein sollte. Viele vegane Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide, Nüsse, Avocados, Bananen oder Kohl sind jedoch reich an Vitamin B6. [2, 8]
Nach der Schwangerschaft: vegane Kinderernährung
Vegan lebende Eltern und solche, die es werden wollen, möchten auch ihre Kinder vegan ernähren – und zwar von Anfang an. Wie genau dies aussehen sollte, darüber herrscht gerade in der Allgemeinbevölkerung noch viel Unwissenheit. Dabei sind sich verschiedene Ernährungsfachgesellschaften einig, dass eine vegane Ernährung auch für Schwangere, Stillende und Kinder geeignet ist – vorausgesetzt, sie wird sorgfältig geplant (wie bei jeder anderen Ernährungsform auch).
Weitere Infos und Tipps zur veganen Schwangerschaft
Eine vegane Ernährung während der Schwangerschaft und Stillzeit bietet zahlreiche Vorteile für Mutter und Kind. Informieren Sie sich über die Planung Ihrer Ernährung und suchen Sie bei Unsicherheiten das Gespräch mit Fachleuten wie Ernährungsberater:innen, Frauen- und Kinderärzt:innen sowie Hebammen. Zudem gibt es umfangreiche Literatur rund um das Thema vegane Schwangerschaft sowie Fortbildungen in Fernschulen.
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Quellen
[1] Keller, Markus (2016): Vegan und vegetarisch: die Gesundheit profitiert, UGBforum spezial Ernährungsrichtungen- aktuell bewertet, 6f
[2] Keller, Markus/Gätjen, Edith: Vegane Ernährung. Schwangerschaft, Stillzeit und Beikost, 180 S. Ulmer, Stuttgart, 1. Aufl. 2017
[3] Piccoli, Gorgina B et al.: Vegan–vegetarian diets in pregnancy: danger or panacea? A systematic narrative review, BJOG 2015; 122:623–633
[4] Lynne Garton, British Dietetic Association (2014): Food Fact Sheet, Vegetarian diets, BDA October 2014, Version 7
[5] National Health and Medical Research Council (2013): Australian Dietary Guidelines. Canberra: National Health and Medical Research Council,
[6] Amit M., Canadian Paediatric Society, Community Paediatrics Committee (2010): Vegetarian diets in children and adolescents. Paediatrics & Child Health 2010; 15(5): 303-314
[7] Academy of Nutrition and Dietetics (2016): Position of the Academy of Nutrition and Dietetics: Vegetarian Diets. J Acad Nutr Diet. 2016; 116:1970-1980
[8] Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.: Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr http://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/ (eingesehen am 13.12.2021)
[9] Richter, Margrit et al. for the German Nutrition Society (DGE) (2016) Vegan diet, Position of the German Nutrition Society (DGE), Ernahrungs Umschau 63(04): 92–102, Erratum in: 63(05): M262
[10] Leitzmann, Claus /Keller, Markus: Vegetarische Ernährung, 380 S. Ulmer, Stuttgart, 3. Aufl. 2013
[11] Max Rubner-Institut (MRI) (2008): Nationale Verzehrsstudie II, Ergebnisbericht, Teil 1, Karlsruhe
[12] Kochen ohne Knochen (2015): Gut versorgt in die Schwangerschaft, Ein Blick in den aktuellen Stand der Ernährungswissenschaft (Interview mit Edith Gätjen), #19 (02/2015), S.44-45