Pöthen bei Magdeburg, Mai 2011. Die Wiesenhof-Hühnermast ist nicht versperrt. Wir filmen mit der Infrarotkamera eine aktuelle Zeitung und ein GPS-Gerät, um Ort und Datum beweisen zu können. Dann betreten wir die Farm. Die Kamera läuft. Im Innern befindet sich eine improvisierte Hygieneschleuse. Ein Dreieck aus Holzlatten markiert den Bereich, den man nicht mit herkömmlicher Kleidung betreten soll. Wir legen unsere Schutzkleidung an und sehen uns um. An der Tür zum rechten Stall hängt eine Karte. Am 7.5.2011 sind demnach die Hühner eingestallt worden. Es handelt sich um den Farmbetrieb M8 Pöthen, Abteil-Nummer 84a mit der Durchgangsnummer 09-10/11.
Schon im Jahr 2010 gab es einen Wiesenhof-Skandal.
Die PHW-Gruppe – Milliardenumsatz durch Geflügelmast
Jeweils zwei Hallen bilden einen Farmbetrieb. Drei solcher Farmbetriebe gibt es hier. Die Ställe gehören zum Geflügelhof Möckern, einer hundertprozentigen PHW-Tochter. PHW steht für Paul-Heinz Wesjohann, den Firmenboss. Seine PHW-Gruppe ist der Mutterkonzern, in dem die Marke Wiesenhof mit weit über einer Milliarde Euro für den größten Umsatzanteil sorgt. Paul-Heinz Wesjohann ist ein Hühner-Baron der besonderen Art. Er trägt sogar das Bundesverdienstkreuz. Die Hühner haben die Familie Wesjohann stinkreich gemacht. Und ihre Wiesenhof-Hühnerfarmen stinken zum Himmel.
30-40 Tage Qual – Ein Hühnerleben in den Mastanlagen von Wiesenhof
Auch in dieser Farm in Pöthen riecht es übel. Wie soll es anders sein, besteht die sogenannte Einstreu tatsächlich nur aus altem Hühnerkot. Die Hühner sind etwas mehr als zwei Wochen alt. Ein unkritisches Alter. Die schwächlichen Küken sind schon weggestorben. Und für die gewichtsbedingten Erkrankungen sind die Hühner noch zu leicht.
Trotzdem liegt hier und da das eine oder andere kraftlose Tier herum. Ein Huhn streckt ein Bein unnatürlich weit vom Körper. Viele machen einen matten Eindruck. Gerade mal 30 – 40 Tage darf ein Huhn bei Wiesenhof leben. Wir finden zwei tote Hühner. Und die sind nicht erst vor wenigen Stunden gestorben. Das Ammoniakmessgerät zeigt eine Konzentration von 23 ppm Ammoniak. 20 ppm dürfen dauerhaft nicht überschritten werden. Zum Mastende werden die Werte noch höher liegen, so viel ist sicher.
Wir verlassen die Hallen, denn der Wachposten meldet ein Fahrrad, das zwischen den Farmbereichen kreuzt. Ohne Licht. Mitten in der Nacht. Mitten im Wald.
PHW-Mast Pöthen: Hühnerleichen und Maden containerweise
Zwei Wochen später kommen wir zurück. Vor den nordöstlichen Hallen stehen vier bis zum Anschlag mit Hühnerleichen gefüllte 240 Liter Mülleimer und drei Industrie-Container mit einer Kapazität von 1100 Litern. Einer der Container ist so voll mit toten Hühnern, dass sie rausfallen würden, hätten wir den Deckel geöffnet. Leichensäfte tropfen heraus. In einem anderen Container befinden sich neben hunderten toten Hühnern Hunderttausende sehr lebendige Maden. Es sind so viele, dass man ihre Fressgeräusche deutlich wahrnehmen kann. Natürlich wird Wiesenhof bestreiten, dass wir diese unappetitlichen Aufnahmen an dieser Farm gemacht haben. Glücklicherweise hängt direkt neben den Behältern ein Farmschild mit dem Namen des Verantwortlichen. Und der ist eindeutig Wiesenhof zuzuordnen.
Und wieder werden wir gestört. Ein Auto nähert sich recht schnell. Wir verlassen die Gegend.
Putenmast für Wiesenhof – Eine Szenerie des Grauens
11. und 15. August 2011, Schlackenweg, Emstek-Höltinghausen. Hier befinden sich zwei Farmbetriebe, auf die wir schon vor längerer Zeit aufmerksam wurden. Die Puten, männliche und weibliche Tiere, sind mittlerweile so groß, dass der Abtransport kurz bevorsteht. Am 11. August ist es dann soweit. Die Lkw rollen an. Die Puten werden unter Einsatz weißer Plastiktüten und etlicher Fußtritte auf die Verladerampe getrieben. Die Arbeiter fahren die entsprechende Höhe an und werfen die schweren Tiere mit ziemlicher Wucht unsanft in die Käfige. Nach etwa 16 Wochen wiegen die Hennen zehn Kilogramm, die Hähne nach 21 Wochen sogar um die zwanzig Kilo. In den Lkw bekommt man diese Fleischberge nur mit Wucht. Da bricht dann auch mal der eine oder andere Knochen.
Tierquälerei im Akkord – Unter Aufsicht der Farmleitung
Es ist klar, dass das Verladen tierquälerisch ist. Die Erfahrung haben wir schon bei anderen Recherchen gemacht. Dass aber immer wieder Tiere von der Rampe stürzen, selbst beim Beladen der obersten Reihe (ein Lkw hat eine Höhe von vier Meter), während der Farmleiter daneben steht und nicht einschreitet, ist ein Skandal. Währenddessen treten die Männer in den Hallen auf die Puten ein. Etliche verletzte oder kranke Tiere werden tot getrampelt, indem man immer wieder von oben mit aller Gewalt auf sie herab tritt. Am Ende bleiben viele reglose Körper liegen. Andere zeigen noch schwache Bewegungen.
Etliche Puten sind nicht mehr in der Lage zu laufen. Die massigen Körper sind am Ende der Mast zu schwer. Gerade diese Tiere sind es, auf die die Männer immer wieder eintreten. Wir können auch filmen, wie eine Pute am Hals mehrere Meter durch die Halle geworfen wird. Eine andere schmeißt ein Arbeiter im hohen Bogen von der hochgefahrenen Rampe zurück in den Stall.
Der Bruzzler von Wiesenhof – 70% Pute, 100% Leid
Erst in der zweiten Nacht können wir zeitgleich dokumentieren und einem Lkw folgen. Die Tiere werden zum Geestland-Schlachthof nach Wildeshausen gebracht. Es handelt sich hier um den topmodernen Putenschlachthof der PHW-Gruppe. Wiesenhof ist das größte Geflügelunternehmen Deutschlands, im Putenbereich jedoch nicht marktführend. Trotzdem ist der Konzern auch in diesem Geschäftsfeld einer der großen. Im Bruzzler, Wiesenhofs erfolgreicher Geflügelbratwurst, befinden sich z. B. 70 % Putenfleisch.
Puten sind eigentlich flugfähige Vögel. Bei Wiesenhof können sie nicht fliegen. Dafür sind sie zu schwer. Sie können zum Mastende hin auch nicht mehr richtig laufen. Und sie können sich nicht einmal selbst vermehren. Auch dazu sind die riesig gezüchteten Vögel einfach zu massig. In der industriellen Putenvermehrung wird ausschließlich künstlich, also durch den Menschen, befruchtet. Auf der Wiesenhof Website kann man unter „Elterntiere“ nachlesen, dass Bodenhaltung selbstverständlich und die natürliche Befruchtung gewährleistet ist. Zumindest bei Puten ist das schlichtweg fachlicher Unsinn wie so vieles in der werbemäßigen Aussendarstellung von Wiesenhof.
Auf ein Neues – Der Wiesenhof-Kreislauf des Todes
16. August, früher Morgen. Die letzten Hallen wurden geräumt. Der Farmleiter sammelt die toten Tiere ein und fährt sie in der Traktorschaufel zur Kadavertonne. In einigen Stunden beginnt man mit der Räumung der Monate alten Kotschicht. Die Farm muss hergerichtet werden. Die neuen Küken werden bald geliefert – und der Wiesenhof-Tierqual-Kreislauf geht wieder los …
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