In Deutschland werden jedes Jahr zahllose Tierversuche für Medikamente durchgeführt, mit denen die Auswirkungen von Substanzen auf den Menschen festgestellt werden sollen. Experimente an Tieren in Forschung und Medizin sind jedoch nicht aussagekräftig, grausam und ethisch niemals vertretbar.
Die folgenden Beispiele zeigen, dass sich Ergebnisse aus Versuchen an Tieren für Arzneimittel nicht zuverlässig auf den Menschen übertragen lassen lassen und teils verheerende Folgen mit sich bringen.
Penicillin, Aspirin & Co. wären mit Tierversuchen vielleicht niemals als Medikamente entdeckt worden
Immer mehr Wissenschaftler:innen sprechen sich offen gegen die unzuverlässigen Tierversuche aus. Durch physiologische Unterschiede reagieren verschiedene Tierarten teilweise völlig unterschiedlich auf einen Wirkstoff – und so natürlich auch Tier und Mensch. So kann es sein, dass durch Tierversuche möglicherweise effektive Medikamente aussortiert werden. Genauso werden Teilnehmende von klinischen Studien möglicherweise gefährdet, da die vorhergehenden Tierversuche keine Sicherheit bieten.
- Penicillin wurde 1929 erstmals an Kaninchen getestet – zeigte jedoch keine Wirkung und blieb deshalb mehr als zehn Jahre unbeachtet, was unzählige Menschenleben kostete. Dass Penicillin heute trotzdem erfolgreich als Antibiotikum eingesetzt wird, haben wir möglicherweise nur dem Zufall zu verdanken, dass der Wirkstoff nicht zuerst an Meerschweinchen getestet wurde: Für die ist Penicillin nämlich tödlich. [1, 2, 3, 4]
- Aspirin ist eines der gängigsten Medikamente für Menschen. Wären Tierversuche vor rund 100 Jahren schon Standard in der Medikamentenentwicklung gewesen, dann wäre Aspirin jedoch wohl gar nicht auf den Markt gekommen: Im Tierversuch reizt das Medikament Augen, Atmungsorgane sowie Haut und kann embryonale Fehlbildungen bei Katzen, Hunden, Affen, Mäusen, Kaninchen und Ratten hervorrufen. [5]
- Morphium wird beim Menschen als starkes Schmerz- und Schlafmittel eingesetzt, wirkt auf Ziegen und Pferde hingegen stimulierend. [6, 7, 8, 9]
Tierversuche verhindern die effektive Entwicklung neuer Medikamente
In einer Studie von 2013 beschäftigten sich Wissenschaftler:innen damit, die Vorhersagekraft von Tierversuchen zu untersuchen. [10] Dabei kamen verschiedene Ergebnisse in Bezug auf die Giftigkeit und Nebenwirkungen von Substanzen zum Vorschein, die zeigen, wie gering der Nutzen von Tierversuchen tatsächlich ist:
- Beispielsweise identifizierte eine Untersuchung von sechs Medikamenten 22 Nebenwirkungen, die im Tierversuch nicht auftreten – und 48 Nebenwirkungen bei Tieren, die beim Menschen unbekannt sind. [11]
- Die Autor:innen weisen darüber hinaus auf die Aussage einer weiteren Studie hin, nach der viele Beispiele von Tierversuchen, die die Reaktion des Menschen angeblich „vorhersagen“, in Wirklichkeit rückblickende Untersuchungen darstellen und daher keine tatsächliche Vorhersagekraft besitzen. [12]
Zugelassene Substanzen & Medikamente, die für Menschen gesundheitsschädlich sind
Die folgenden an Tieren getesteten Substanzen und Medikamente sind für den Menschen gesundheitsschädlich, wurden aber dennoch zugelassen:
- Practolol, ein Medikament gegen Herzerkrankungen, wurde in Tierversuchen als unbedenklich eingestuft. Es musste jedoch wieder vom Markt genommen werden, denn es führte bei Menschen zu starken Nebenwirkungen, darunter ein Syndrom, das zu dauerhaften Augenschäden und Sehverlust führen kann. [13]
- Lipobay zur Behandlung von erhöhten Blutfettwerten. Führte beim Menschen zu massiven Nebenwirkungen wie Muskelzerstörung bis hin zum Tod. [14]
- Vioxx, ein Stoff zur Behandlung von Rheuma und Schmerzen, bestand im Tierversuch. Beim Menschen löst das Medikament aber Herzinfarkte und Schlafanfälle aus ist für Todesfälle verantwortlich. [15]
- Trasylol zur Behandlung von Blutverlust bei Operationen führt beim Menschen zu Nierenversagen. [16]
- Acomplia zur Behandlung von Übergewicht bestand ebenfalls im Tierversuch, kann beim Menschen jedoch zu psychischen Störungen bis hin zu Suizidgedanken führen. [17]
Tierversuche geben wichtige Faktoren im menschlichen Leben nicht wieder
Bei der Entwicklung von Arzneimitteln ist es wichtig, das körperliche und seelische Empfinden der Patient:innen bei der Medikamenteneinnahme einzubeziehen. Um entscheiden zu können, ob ein Arzneimittel für menschliche Patient:innen geeignet ist, sind diese Informationen unerlässlich. Bei Tierversuchen ist diese Rückmeldung allerdings nicht möglich, da Tiere nicht sagen können, wie sie sich fühlen. Für Experimentator:innen, die ihre Forschung auf Tiere stützen, ist es daher schwierig bis unmöglich, Symptome wie Gefühlsschwankungen, Schwindel, Übelkeit und andere wichtige, aber weniger offensichtliche Zustände zu erfassen.
Ein weiterer Faktor, der in Tierversuchen für Medikamente nicht beachtet wird, ist der unterschiedliche Lebensstil von Menschen. Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten können beispielsweise stark davon beeinflusst werden, ob eine Person raucht, übergewichtig ist und unter großem Stress steht oder ob es sich um eine physisch und psychisch gesunde Person handelt, die Sport treibt und sich ausgewogen vegan ernährt.
Tierversuche für Medikamente sind unnötig und dienen Profitzwecken
Pharmazeutische Unternehmen gehören einem Wirtschaftssektor an, der Gewinne erzielen will und zu diesem Zweck eine große Zahl nahezu identischer Medikamente auf den Markt bringt. So zeigt der Innovationsreport 2019 der Techniker Krankenkasse beispielsweise, dass von den im Jahr 2016 für den deutschen Markt neu zugelassenen Medikamenten über 82 Prozent keinen nennenswerten oder eindeutigen therapeutischen Fortschritt für die Patient:innen mit sich bringen – wohl aber immense Mehreinnahmen für Pharmaunternehmen.
Auch in der Gesamtbewertung, die verfügbare Therapien, den (Zusatz‐)Nutzen und die Kosten berücksichtigt, wurden kaum positive Beurteilungen (grüne Ampeln) vergeben. Es dominieren, wie schon im vorherigen Report, die schlechten Gesamtbewertungen der neuen Arzneimittel. Während wirkliche medizinische Innovationen also Seltenheitswert haben, bereichern sich die Pharmakonzerne auf Kosten der Patient:innen – und der vielen Tausend und mehr Tiere, die in den Zulassungstests auf qualvolle Weise, teils auch als „Überschuss“ sterben. [18]
Moderne tierfreie Testmethoden müssen stärker gefördert werden
Um die Sicherheit und den Mehrwert neuer Arzneimittel zu gewährleisten, müssen Politik und Wirtschaft einen dringend erforderlichen Wandel vollziehen – weg von Tierversuchen und hin zu modernen tierfreien Test- und Forschungsmethoden. Solche ausgeklügelten, zuverlässigen Methoden stehen bereits zahlreich zur Verfügung – ihre (Weiter-)Entwicklung und Etablierung wird jedoch noch immer nicht ausreichend gefördert, obwohl die Dringlichkeit seit Jahren bekannt ist.
Helfen Sie, Tierversuche zu beenden
Helfen Sie uns dabei, grausame Experimente an Tieren zu beenden und unterstützen Sie unser Strategiepapier für den Ausstieg aus Tierversuchen. Darin zeigen wir einen detaillierten Plan auf, wie moderne und effektive Forschung ohne Tierversuche etabliert werden kann. Tierversuche lassen sich nicht zuverlässig auf den Menschen übertragen und sind somit nicht nur moralisch falsch, sondern auch sinnlos. Mit Ihrer Unterschrift können Sie den Tieren helfen!
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Quellen
[1] Fleming A. On the antibacterial action of cultures of a penicillium, with special reference to their use in the isolation of B. influenzæ. Br J Exp Pathol. 1929;10(3):226- 236.
[2] Greek R, Hansen LA. The strengths and limits of animal models as illustrated by the discovery and development of antibacterials. Biol Syst. 2013;2(2):109.
[3] Florey H. The advance of chemotherapy by animal experiment. Conquest. 1953;41:12.
[4] Koppanyi T, Avery MA. Species differences and the clinical trial of new drugs: A review. Clin Pharmacol Ther. 1966;7:250-270.
[5] Hartung T. Per aspirin ad astra… Altern Lab Anim. 2009;37 Suppl 2:45-47.
[6] Matthews, NS, Carroll, GL. Review of equine analgesics and pain management. AAEP Proceedings. 2007;53:240-244.
[7] Sanchez, LC, Robertson, SA. Pain control in horses: What do we really know? Equine Veterinary Journal. 2014;46:517-523.
[8] Galatos, AD. Anesthesia and analgesia in sheep and goats. Vet Clin North Am Food Anim Pract. 2011;27(1):47-59.
[9] Carroll GL, Boothe DM, Hartsfield SM, et al. Behavioral changes and pharmacokinetics of butorphanol and its metabolites in goats following intravenous and intramuscular administration. Vet Anaesth Analg. 2001;28:188-195.
[10] NCBI (2013): Systematic Reviews of Animal Models, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3558708/ (eingesehen am 09.06.2022)
[11] Suter K. What can be learned from case studies? The company approach. In: Lumley C, Walker S, editors. Animal Toxicity Studies: Their Relevance for Man. Lancaster: Quay. 1990:71–8.
[12] Lin JH. Species similarities and differences in pharmacokinetics. Drug Metab Dispos. 1995;23:1008–21.
[13] NCBI: Untoward Effects Associated with Practolol Administration: Oculomucocutaneous Syndrome, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1672788/pdf/brmedj01437-0015.pdf (eingesehen am 09.06.2022)
[14] Der Spiegel (2002): Lipobay-Skandal: Zahl der Todesfälle fast verdoppelt, https://www.spiegel.de/wirtschaft/lipobay-skandal-zahl-der-todesfaelle-fast-verdoppelt-a-177969.html (eingesehen am 09.06.2022)
[15] Die Zeit (23.11.2011): Schmerzmittel Vioxx: Merck zahlt fast eine Milliarde Dollar Strafe und Entschädigung, https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2011-11/merck-strafe-vioxx?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.de%2F (eingesehen am 09.06.2022)
[16] Arzneitelegram (2006): Aprotinin (TRASYLOL) – Bayers kurzes Gedächtnis, https://www.arznei-telegramm.de/html/2006_11/0611110_02.html (eingesehen am 09.06.2022)
[17] Sanovi aventis: Wichtige Mitteilung: Ärzte sollen keine Neu- oder Wiederverordnung von ACOMPLIA vornehmen, https://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/RHB/Archiv/2008/20081027.pdf (eingesehen am 09.06.2022)
[18] Techniker Krankenkasse: Innovationsreport 2019, https://www.tk.de/resource/blob/2071902/3a99bebbd6d8e3775acc4aa5ed734d5b/innovationsreport-2019-data.pdf (eingesehen am 09.06.2022)