Im Leintalzoo, einem privat geführten Tierpark in Schwaigern, lebt mit 34 Individuen die größte Schimpansengruppe Deutschlands auf engstem Raum. Da das Schimpansen-Innengehege die Vorgaben des „Säugetiergutachtens“ um mehr als die Hälfte unterschreitet, haben wir von PETA Deutschland im April 2022 Strafanzeige gegen die Zoo-Verantwortlichen erstattet.
Vor allem im Winter dürften diese Lebensbedingungen für die nicht ans deutsche Klima angepassten Primaten sehr belastend sein. Deshalb haben wir von PETA uns im Februar 2023 vor Ort einen Eindruck von den Verhältnissen gemacht und nun in einem Video veröffentlicht. Dabei bestätigte sich, dass die Tiere regelrecht zusammengepfercht im Innenraum saßen.
Da die Staatsanwaltschaft Heilbronn keine Hinweise auf strafrechtlich relevantes „länger andauerndes oder sich wiederholendes erhebliches Leiden“ bei den Primaten sieht, wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Zoo zwischenzeitlich eingestellt. Dagegen haben wir im März 2023 bei der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe Beschwerde eingelegt.
Im Leintalzoo hat jeder Schimpanse weniger Raum als ein PKW-Stellplatz
Im April 2022 haben wir Strafanzeige gegen die Zoo-Verantwortlichen wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Tierschutzgesetz erstattet – denn die Vorgaben des „Säugetiergutachtens“ [1] werden bei der Haltung der Schimpansen erheblich unterschritten: Für die 32 erwachsenen Schimpansen und zwei Jungtiere wäre ein Innengehege von mindestens 760 Quadratmetern Grundfläche vorgesehen. Im Leintalzoo sind es lediglich rund 330 Quadratmeter und damit nur etwa 10 Quadratmeter pro Schimpanse. [2] Das ist kleiner als ein PKW-Stellplatz. Bei Einhaltung der Vorgaben wäre das Innengehege nur für höchstens 10 erwachsene Tiere ausgelegt. Die verschachtelten Innenbereiche sind zudem veraltet, karg und dunkel.
Schimpansen haben ein ausgeprägtes Sozialverhalten und leben in Gruppen mit wechselnder Zusammensetzung, die bis zu 150 Mitglieder umfassen können. Die Gruppengröße im Leintalzoo ist von daher zumindest ein positiver Aspekt, da die Schimpansen die Möglichkeit haben, mit verschiedenen Artgenossen zu interagieren. In vielen anderen Zoos – etwa in Krefeld oder Augsburg – werden Schimpansen oft artwidrig in gleichbleibenden Kleingruppen oder paarweise gehalten. In der Natur beanspruchen solche Schimpansengruppen jedoch Territorien von mehreren Quadratkilometern. Kein Zoo kann diese Lebensverhältnisse der Tiere auch nur ansatzweise nachbilden; auch Ausweichmöglichkeiten bei Konflikten fehlen.
Außengehege im Winter kaum genutzt
Zusätzlich zum winzigen Innenbereich haben die Schimpansen in Schwaigern Zugang zu einem Außengehege, das aus mehreren miteinander verbundenen Gitterkäfigen besteht und mit rund 960 Quadratmetern die Haltungsanforderungen gemäß „Säugetiergutachten“ erfüllt. Rückzugsbereiche, die nicht für das Zoopublikum einsehbar sind, gibt es dort jedoch nicht. In einem Medienbericht vom Mai 2022 bestätigt die zuständige Veterinärbehörde des Landratsamts Heilbronn, „(…) dass das Innengehege nicht den Mindestmaßen des Säugetiergutachtens entspricht“ und behauptet: „Das Defizit des Innengeheges wird durch die Außengehege ausgeglichen.“ [3]Allerdings kann auch ein im Vergleich zum Innenbereich vermeintlich „großes“ Außengehege nicht als Kompensation betrachtet werden.
Besonders problematisch ist die beengte Haltung im Winter. Denn Menschenaffen stammen aus tropischen Regionen und sind daher kälteempfindlich. In der kalten Jahreszeit – also jedes Jahr über mehrere Monate hinweg – ist das Außengehege folglich kaum nutzbar für die Schimpansen und dürfte nur für kurze Außenaufenthalte genutzt werden.
Somit sind die Schimpansen vor allem in den deutschen Wintermonaten die meiste Zeit gezwungen, in den winzigen Innengehegen auszuharren. Das bestätigte sich auch, als wir von PETA Deutschland die Haltung im Februar 2023 besuchten: Während des ca. zweistündigen Aufenthalts vor Ort hielten sich die Schimpansen überwiegend in den dunklen, engen Innenbereichen auf. Lediglich die draußen stattfindende „öffentliche Schaufütterung“ war ein Anreiz, kurz etwas Nahrung aufzusammeln, um danach wieder beschäftigungslos im warmen Innengehege herumzusitzen.
Bereits 2015 wurde in einer gutachterlichen Beurteilung der Haltung bemängelt, dass die Innengehege nicht den Vorgaben des „Säugetiergutachtens“ entsprechen. [5] Seitdem hat sich die Beeinträchtigung durch das geringe Raumangebot für die vergleichsweise große Schimpansengruppe noch weiter verschärft, da mehrere der damals noch als Jungtiere geltenden Schimpansen nun die Geschlechtsreife erreicht haben. Außerdem kam es entgegen der damals ausgesprochenen Empfehlung, die Gruppe zu verkleinern, sogar noch zu zwei weiteren Geburten im Jahr 2020.
Warum der Leintalzoo keine „Auffangstation“ für Schimpansen ist
Der Tierpark in Schwaigern geht laut den Betreiber:innen darauf zurück, dass der Gründer in den 1970er-Jahren Menschenaffenwaisen von seinen Reisen in Afrika nach Deutschland holte, um ihnen ein „Zuhause“ zu geben [6]. In den folgenden Jahrzehnten hat der Tierpark jedoch massiv Schimpansen gezüchtet und widerspricht damit der Eigendarstellung als „Auffangstation“: Seriöse Auffangstationen konzentrieren sich darauf, ihren Schützlingen ein besseres Leben zu bieten. Da die Kapazitäten zur Aufnahme notleidender Tiere in der Regel ohnehin knapp sind, würde die Zucht ihre Möglichkeiten einschränken, solche Tiere aufzunehmen.
Von den heute in Schwaigern lebenden Schimpansen wurden fast alle in Gefangenschaft geboren, einige davon sogar von Hand aufgezogen. Obwohl ein Gutachten bereits 2015 einen Zuchtstopp empfahl [5], wurden dennoch 2020 zwei weitere Schimpansenbabys geboren.
Welche Schritte hat PETA unternommen?
Wir von PETA Deutschland haben im Vorfeld unserer Kampagne „Menschenaffen raus aus Zoos“ die Zoobetreiber:innen um ein Gespräch gebeten, um zu erörtern, ob bereits ein Zuchtstopp vorgesehen ist und wie sich die Situation der Tiere verbessern ließe. Da die Verantwortlichen keine Gesprächsbereitschaft zeigten und der Tierpark im ganzen Bundesgebiet zu den schlechtesten zählt, die die tierschutzrechtlichen Mindestanforderungen gravierend unterschreiten, haben wir im April 2022 Strafanzeige erstattet.
Wir kritisieren vor allem auch das Versäumnis durch die zuständige Veterinärbehörde: Diese sollte den bereits 2015 in einem Gutachten empfohlenen Zuchtstopp nun endlich konsequent durchsetzen und weitere Maßnahmen anordnen, um den Schimpansen ein etwas erträglicheres Dasein in Gefangenschaft zu ermöglichen.
Wie geht es den Schimpansen im Leintalzoo?
Sowohl 2015 als auch 2021 stellten zwei Fachgutachter:innen im Leintalzoo fest, dass einige der Schimpansen sich selbst die Haare ausreißen – eine Verhaltensstörung, die häufig bei Menschenaffen in Gefangenschaft auftritt.
Die Staatsanwaltschaft Heilbronn interpretiert dies in ihrem Einstellungsbescheid wie folgt: „Beide Spezialisten stellten zudem fest, dass die Tiere in einer guten physischen Verfassung sind und sich nur sehr wenige Tiere bei der Fellpflege selbst die Haare ausreißen, was ein Anzeichen für wenig Stress ist, den die Tiere haben.“ [7]
Trotz dieser Beobachtungen, die für seelisches Leid sprechen, und obwohl im Rahmen der Ermittlungen bestätigt wurde, dass die Haltung der Schimpansen nicht den Vorgaben des Säugetiergutachtens von 2014 entspricht, wertete die Staatsanwaltschaft Heilbronn dies nicht als Hinweise für „länger andauerndes oder sich wiederholendes erhebliches Leiden“ und stellte das
Ermittlungsverfahren ein. Dagegen haben wir von PETA Deutschland nun Beschwerde eingelegt.
So können Sie den Menschenaffen in Gefangenschaft helfen
Um das Leid von Menschenaffen in Zoos zu beenden, gibt es nur eine Lösung: einen sofortigen Zucht- und Importstopp!
Unterschreiben Sie jetzt unsere Petition und sprechen Sie sich gegen die Gefangenhaltung von Menschenaffen aus.
-
Quellen
[1] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2014): Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren, https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Tiere/Tierschutz/HaltungSaeugetiere.pdf?__blob=publicationFile&v=7 (eingesehen am 21.03.2023)
[2] Antwort des Veterinäramts des Landratsamts Heilbronn auf PETAs Auskunftsersuchen gemäß Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) des Landes Baden-Württemberg vom 12.08.2021
[3] Heilbronner Stimme (09.05.2022): Peta erhebt Vorwürfe gegen Leintalzoo wegen
Schimpansenhaltung, https://www.stimme.de/regional/region/peta-erhebt-vorwuerfe-gegen-leintalzoo-wegen-schimpansenhaltung-art-4626358 (eingesehen am 21.03.2023)
[4] Heilbronner Stimme (23.11.2023): Ein Besuch im Leintalzoo in Schwaigern lohnt sich auch im Winter, https://www.stimme.de/schwerpunkte/12monate-12regionen/leintal/ein-besuch-im-leintazoo-in-schwaigern-lohnt-sich-auch-im-winter-art-4702322 (eingesehen am 21.03.2023)
[5] Dr. Martin Straube (10.12.2015): Beurteilung der Schimpansenhaltung in Betrieb „Leintalzoo Schwaigern“. Hier: Tierschutz. Gutachten liegt PETA vor.
[6] Leintalzoo: Affe veränderte sein Leben, https://www.youtube.com/watch?v=n6AIwmGjTwM (eingesehen am 21.03.2023)
[7] Staatsanwaltschaft Heilbronn (13.02.2023): Ermittlungsverfahren gegen Hans Peter Geßmann wegen Vergehens nach dem Tierschutzgesetz