Seit Jahren erhalten wir bei PETA Deutschland regelmäßig Hinweise von Whistleblower:innen auf Tierleid im Tierpark Neumünster. Im April 2023 dokumentierten wir daraufhin selbst vor Ort schlechte Haltungsbedingungen und Verhaltensstörungen bei mehreren Tieren im Zoo, die nach unserer Einschätzung auf seelisches Leid hinweisen. Wir haben daher Strafanzeige gegen den Tierpark erstattet.
Verhaltensgestört: Eisbären laufen immer hin und her
In einem Video ist zu sehen, wie die Eisbärin Larissa am Beckenrand immer wieder ziellos wenige Meter auf und ab läuft. Auch ihr Partner Vitus schwimmt die immer gleichen kleinen Kreise. Larissa und Vitus sind beide seit April 2017 in dem winzigen, heruntergekommenen Gehege in Neumünster eingesperrt. Die Verhaltensstörungen der beiden Eisbären sind seit Jahren bekannt und wurden uns seit 2018 wiederholt gemeldet, teilweise auch mit Videomaterial.
Namhafte Fachleute sind überzeugt, dass Eisbären in Gefangenschaft nicht artgerecht gehalten werden können, da die Diskrepanz zwischen den Bedingungen in ihrem natürlichen Lebensraum und denen im Zoo zu groß ist. [1, 2] Obwohl die Folgen der viel zu kleinen Gehege in Zoos bekannt sind, werden die Tiere weiterhin in diese Leid verursachende Umgebung hineingezüchtet. In freier Natur wandern Eisbären jedes Jahr Hunderte bis Tausende Kilometer. Können sie sich nicht artgemäß bewegen, entwickeln sie auffällige Verhaltensstereotypien, die sich in sich ständig wiederholenden Bewegungsabläufen zeigen. Schon mehrfach veröffentlichte PETA Videomaterial, das schwere Zwangsstörungen bei den Tieren belegt.
Weitere verhaltensgestörte Tiere im Tierpark Neumünster
Bereits 2021 wurden uns Aufnahmen eines offenbar verhaltensauffälligen Baumstachlers geschickt, der seinen Körper laut Augenzeug:innen mehrere Minuten stereotyp hin- und herbewegte. Weitere aktuelle Aufnahmen zeigen auch einen Waschbären, der rastlos am Gehegezaun auf und ab geht, sowie einen apathisch wirkenden Uhu, der sich auf dem Boden sitzend hinter einem Baumstamm zusammenkauert.
Vögel verstümmelt und flugunfähig gemacht
Die aktuellen Videos zeigen auch, dass der Tierpark die Eurasischen Kraniche offenbar durch Beschneiden der Federn flugunfähig gemacht hat, obwohl diese Verstümmelung gegen das Tierschutzgesetz verstößt.
Um Vögel wie Kraniche, Flamingos oder Pelikane am Wegfliegen zu hindern, werden die Tiere in Zoos noch immer häufig durch regelmäßiges Beschneiden der Federn oder chirurgische Eingriffe flugunfähig gemacht. Damit wird es den Tieren unmöglich, sich artspezifisch fortzubewegen. Diese Maßnahmen sind ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, wie die Bundesregierung bereits 2015 bestätigte. [3]
Tierpark Neumünster bescheinigt sich selbst „gute“ Tierhaltungen
Abgesehen von der häufigen Kritik an seinen Haltungsbedingungen sorgte der Tierpark Neumünster während der Corona-Pandemie für Negativ-Schlagzeilen, weil die Verantwortlichen androhten, Tiere „notschlachten“ zu müssen, wenn das Geld knapp würde.
Um dem Negativ-Image entgegenzuwirken, wurde im Tierpark 2021 eine studentische Arbeit durchgeführt, die sich mit einer Bewertung der Tierhaltungen befasste und offensichtlich zum erklärten Ziel hatte, einen Nachweis für das vermeintliche „Tierwohl“ zu erbringen. [4] So wird in der Arbeit von C. Schlautmann aus einer Fragestunde bei Zoodirektorin Verena Kaspari ein „Beleg für das Tierwohl“ als Zielsetzung zitiert:
PETA erstattet Anzeige gegen Tierparkleitung
Anhand der dokumentierten Missstände gehen wir davon aus, dass den Tieren im Tierpark durch ihre Haltungsform erhebliche und länger anhaltende Leiden zugefügt werden. Wir haben daher am 19. Juni 2023 bei der Staatsanwaltschaft Kiel Strafanzeige gegen die verantwortliche Tierparkleitung erstattet.
Wie Sie Tieren im Zoo helfen können
Besuchen Sie bitte niemals einen Zoo oder Tierpark, sondern setzen Sie auf tierfreundliche Freizeitaktivitäten. Wenn Sie doch einmal Tierleid mitbekommen, dokumentieren und melden Sie uns dies bitte – nur mit Ihrer Hilfe können wir dafür sorgen, dass das Leid der Tiere im Zoo irgendwann beendet wird.
-
Quellen
[1] Frankfurter Rundschau (2008): Punkten ohne Eisbär-Rummel, https://www.fr.de/rhein-main/punkten-ohne-eisbaer-rummel-11594411.html (eingesehen am 21.06.2023)
[2] Klages, R. (2018): Eisbären gehören nicht in Zoos. In: Der Tagesspiegel, https://www.tagesspiegel.de/wissen/tierschutz-eisbaeren-gehoeren-nicht-in-zoos/20917616.html (eingesehen am 21.06.2023)
[3] Deutscher Bundestag (29.01.2015): Flugunfähigmachen von Vögeln in Zoos, https://www.bundestag.de/presse/hib/2015_01/-/358620 (eingesehen am 21.06.2023)
[4] SHZ (2022): Wie geht es Eisbär und Co. im Tierpark Neumünster? Peta sieht Tierwohl-Studie kritisch, https://www.shz.de/lokales/neumuenster/artikel/peta-sieht-tierwohl-studie-im-tierpark-neumuenster-kritisch-20724426?noredirect=true (eingesehen am 21.06.2023)
[5] C. Schlautmann (2022): Tierpark Neumünster – Welfare Assessment; unveröffentlichter Bericht liegt PETA vor.