Auf der griechischen Urlaubsinsel Santorini können sich zahlende Tourist:innen von Eseln und Maultieren zur Altstadt und wieder zurück zum Hafen tragen lassen. Was für Reisende eine vermeintliche touristische Attraktionen ist, bedeutet für die geschundenen Tiere ein Leben voller Leid, Zwang, Schmerz und Entbehrung.
Seit 2018 veröffentlichen wir von PETA Deutschland regelmäßig schockierendes Bildmaterial und Augenzeug:innenberichte, um auf das Leid der Esel und Maultiere auf Santorini aufmerksam zu machen und medienwirksam dagegen vorzugehen. Auch im Sommer 2022 wurde das Leiden erneut dokumentiert – die Tiere sind in schlimmem Zustand und werden unter Schmerzen die Stufen hinauf und hinunter getrieben.
PETA hat das aktuelle Bildmaterial dem Fachtierarzt und Sachverständigen für Pferde Dr. med. vet. Maximilian Pick vorgelegt. In seinem Gutachten bestätigt er die tierquälerischen Zustände – darunter offene, unbehandelte Wunden, Narben von älteren Verletzungen, Vernachlässigung und Überforderung der Tiere. Vor diesem Hintergrund haben wir von PETA Deutschland die seit Jahren anhaltenden Missstände im Februar 2023 bei den zuständigen griechischen Behörden zur Anzeige gebracht.
In diesem Beitrag lesen Sie mehr über die Tierquälerei, die das Eselreiten verursacht – und Sie erfahren, wie Sie persönlich helfen können.
Schläge, Hunger, Durst und pralle Sonne: Esel als Taxis missbraucht und gequält
Seit mehr als 20 Jahren zeigen zahllose Recherchen und Augenzeug:innenberichte das Leid der Esel auf Santorini auf: Eseltreiber treiben etwa 100 Tiere mehrmals täglich mehr als 500 rutschige Stufen zwischen dem Hafen und der Altstadt von Firá hinauf und hinab. Schläge mit Peitschen und Stöcken sind seitens der Treiber an der Tagesordnung, wenn die Vierbeiner stehen bleiben oder nicht sofort weitergehen.
An den Auf- und Abstieg-Stationen gibt es nur für wenige Tiere Schatten. Die meisten Esel und Maultiere stehen in der prallen Sonne – bei Temperaturen von meist mehr als 40 Grad. Kurz angebunden sind sie kaum in der Lage, die vielen lästigen Fliegen zu vertreiben. Wasser oder Nahrung bekommen die Equiden während ihres stundenlangen Einsatzes als sogenannte „Eseltaxis“ nicht. Am Start- und Zielort steht jeweils ein einziger Wasserbehälter, der jedoch nur eine Alibifunktion hat. Er befindet sich außerhalb der Reichweite der Tiere, die somit nicht an das dringend benötigte Wasser gelangen.
Entzündete Wunden und hohe Gewichtsbelastung
Schlecht sitzende Sättel und provisorische Sattelgurte, etwa aus Plastikschläuchen oder Seilen, scheuern auf der empfindlichen Haut der Esel und Maultiere. Ein Großteil der Tiere weist Hautveränderungen auf – von wunden Stellen bis hin zu offenen, blutigen Verletzungen am Bauch sowie am Schweifansatz. Einige Vierbeiner leiden an Augenverletzungen. Anderen werden enge „Maulkörbe“ aufgesetzt, die durch spitze Drahtenden eine Verletzungsgefahr für Mensch und Tier darstellen. Viele Tourist:innen treten den Eseln und Maultieren oft unbeholfen mit den Schuhen in die empfindlichen Flanken.
Augenzeug:innen berichten, dass die Eselhalter:innen gegen geltendes Recht verstoßen und die Tiere weiterhin schwergewichtige Menschen über 100 Kilogramm tragen müssen. Laut den Tierschutzempfehlungen sollten die Tiere nicht mehr als 20 Prozent ihres eigenen Gewichtes tragen dürfen, [1] was bei einem Esel einem rund 50 Kilogramm schweren Menschen entspricht. Je schwerer der Reiter:innen, desto gravierender die Belastung und damit die gesundheitlichen Folgen für Rücken und Gelenke der Tiere. Sind die Esel zu schwach und können ihre „Arbeit“ nicht mehr zufriedenstellend verrichten, werden sie oftmals ausgesetzt und sich selbst überlassen.
Auch nachts haben die Esel auf Santorini keine Ruhe: Einige werden gezwungen, schwere Müllsäcke aus dem Hafen und der Altstadt zu großen Müllcontainern zu transportieren. Oft scheinen die Tiere bis an ihre Grenzen beladen zu sein – ein Zustand, der von den Behörden immer wieder als angeblicher „Einzelfall“ abgestempelt wird.
Oktober 2024: Schockierende Whistleblower-Aufnahme zeigt klaffende Wunde
Eine aktuelle Whistleblower-Aufnahme aus Santorini vom Oktober 2024 belegt erneut die grausamen Zustände: Diese zeigt ein Maultier, dass trotz einer großen klaffenden Wunde im Gesicht zur Arbeit gezwungen wurde. Generell gilt: Esel und andere Tiere sollten nie als „Arbeitstiere“ missbraucht werden, da dies immer zu Leid führt.
Eseltaxis – eine gefährliche Situation für Mensch und Tier
Viele Kreuzfahrttourist:innen kommen als Tagesgäste im Hafen von Santorini an. Hier, am Fuße des Steilhangs, versuchen Eselführer aufdringlich, die Besucher:innen zu einem Eselritt zu überreden. Viele Inselgäste wählen dennoch die tierfreundliche Alternative, eine Seilbahn. Andere erklimmen die Treppe lieber zu Fuß. Auf ihrem Weg nach oben geraten Fußgänger:innen häufig in Gefahr, wenn ihnen die Eseltracks entgegenkommen.
- Augenzeug:innen konnten zahlreiche Situationen dokumentieren, in denen Tourist:innen von den Eseln und Maultieren beinahe umgerannt, getreten oder heftig zur Seite gedrängt wurden.
- Um nicht zwischen die Tiere zu geraten, flüchtete ein Mann einmal sogar auf eine Mauer, hinter der es steil und ohne Absicherung bergab ging.
- Im Jahr 2015 wurde auf der Touristeninsel eine Frau von einem Esel zu Tode getrampelt.
Die meisten Eselführer zeichnen sich durch extreme Rücksichtslosigkeit gegenüber Nicht-Reiter:innen aus. Auch der Umgangston mit ihren Kund:innen ist rau.
Umgang mit Eseln auf Santorini: Verstoß gegen das Tierschutzgesetz
In Hinblick auf das griechische Tierschutzgesetz der Umgang mit den Eseln auf Santorini als permanenter Verstoß gegen den Tierschutz einzustufen. Die 2019 eingeführten Maßnahmen zum Schutz der Tiere sind nur Minimalanforderungen, die lediglich ihr grundsätzliches Überleben gewährleisten. Dennoch halten die Tierhalter:innen selbst diese Mindestanforderungen aufgrund der Umgebungsbedingungen nicht ein. Unabhängig davon ist schon der Einsatz der Esel und Maultiere als Transportmittel für Tourist:innen tierschutzrelevant: Mit dem Angebot des Eselreitens wird dem Vergnügen von Tourist:innen Priorität vor den Schmerzen und Leiden von Tieren eingeräumt – obwohl sichere Transportmittel wie etwa eine Seilbahn zur Verfügung stehen, mit denen die Tourist:innen in die Altstadt gelangen können.
Öffentlicher Druck auf griechische Regierung zeigt Wirkung
Um das fortgesetzte Leid der Esel und Maultiere auf Santorini zu beenden, werden seit Jahren verschiedenste Maßnahmen ergriffen. Dazu gehören unter anderem Enthüllungsberichte von PETA, umfassende mediale Berichterstattung, weltweite Demonstrationen vor griechischen Botschaften, zahlreiche Schreiben an führende Politiker:innen (u. a. ein gemeinsames Schreiben von PETA Deutschland und bekannten griechischen NGOs, die sich ebenfalls für die Esel und Maultiere auf Santorini einsetzen) sowie Briefe von bekannten Persönlichkeiten (darunter auch ein Appell des weltbekannten Rockstars Tommy Lee an den damaligen griechischen Landwirtschaftsminister Makis Voridis.
Die vereinte Kraftanstrengung zeigt erste Wirkung, denn der öffentliche Druck auf die griechische Regierung steigt. Im Oktober 2020 wurde in Griechenland ein Tierschutzgesetz beschlossen, das Tierquälerei nun härter als bisher ahnden soll und Strafen von bis zu 15.000 Euro oder einer Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren vorsieht.
Angesichts der Tatsache, dass die bestehenden Tierschutzgesetze bereits zuvor nicht eingehalten wurden, ist davon auszugehen, dass auch schärfere Vorschriften und Kontrollen die Situation nicht nachhaltig verbessern oder das Leid der Esel und Maultiere ein für alle Mal beenden werden. Dies ist nur mit einer Gesetzesänderung möglich, die ein uneingeschränktes Verbot der Verwendung von Eseln und Maultieren für den Transport vorgibt.
Ingolf Bender, europaweit renommierter Hippologe und Sachbuchautor (neuestes KOSMOS-Sachbuch Praxishandbuch Pferdekrankheiten), hat zur Tierschutzproblematik auf der griechischen Insel Santorini die folgende „Tierschutzfachliche Stellungnahme“ für PETA Deutschland verfasst:
Mehr als 161.000 Unterschriften gegen die Ausbeutung von Eseln und Maultieren
Im Rahmen der Übergabe unserer internationalen Petition mit mehr als 161.000 Unterschriften und Petitionskarten haben wir im September 2020 vor der griechischen Botschaft in Berlin erneut auf das Leid der Esel und Maultiere auf der griechischen Insel Santorini aufmerksam gemacht. Jede Stimme zählt und zeigt, wie wichtig es Menschen auf der ganzen Welt ist, dass dieses Leid endlich beendet wird. Nur gemeinsam können wir die Situation der Esel und Maultiere auf der Insel verändern.
PETA erstattet Strafanzeige in Griechenland
Das aktuelle Bild- und Videomaterial vom Sommer 2022, das die Missstände auf Santorini erneut dokumentiert haben wir von PETA Deutschland dem Pferdeexperten Dr. med. vet. Maximilian Pick vorgelegt und ein Sachverständigengutachten angefordert. Dieses bestätigt den tierschutzrelevanten Zustand der Esel und Maultiere – darunter unbehandelte Wunden, ungeeignete „Reitutensilien“, mangelhafte Versorgung und Überforderung:
Vor diesem Hintergrund haben wir von PETA Deutschland die seit Jahren anhaltenden Missstände nun zusammen mit der griechischen Organisation Ippothesis – Panhellenic Equine Welfare Society bei den zuständigen griechischen Behörden zur Anzeige gebracht. Die Strafanzeige richtet sich sowohl gegen die Tierhalter und Eseltreiber als auch die lokalen Behörden. Denn obwohl die Behörden die tierschutzwidrigen Zustände kennen, sind sie entweder nicht in der Lage oder nicht gewillt, diese zu unterbinden. Angezeigt wurden deshalb unter anderem der amtierende Bürgermeister von Santorini, Antonios Sigalas, verschiedene Gemeindemitarbeitende sowie amtierende und ehemalige Polizeichefs auf nationaler und lokaler Ebene.
Mit unserer Petition und den Kampagnen vor Ort wollen wir Druck auf die griechische Regierung ausüben, um das Leid der Esel und Maultiere auf Santorini nachhaltig zu beenden. Die Corona-Krise hat dem vom Tourismus abhängigen Griechenland stark zugesetzt. Wir sind der Meinung, dass die Ausbeutung von Eseln für touristische Zwecke keine Tradition, sondern Tierquälerei ist und ein Ende haben muss. Unsere öffentlichkeitswirksame Aktion soll der griechischen Regierung vor Augen führen, dass ihr Land heute weltweit dafür bekannt ist, Tierrechte aus Profitgründen mit Füßen zu treten und Tierquälerei in Kauf zu nehmen.
Was Sie für die Esel und Maultiere auf Santorini tun können
Nachhaltige Hilfe für die Esel und Maultiere auf Santorini ist nur durch ein uneingeschränktes Verbot des Eselreitens durch die griechische Regierung möglich. Bis dieses Verbot erlassen wird, können Sie als Privatperson selbst zum Schutz der Tiere beitragen:
- Bitte buchen Sie niemals vermeintliche „Tourisattraktionen“ wie Eseltaxis und entscheiden Sie sich immer für tierfreundliche Alternativen.
- Unterstützen Sie unsere Petition mit Ihrer Stimme. Gemeinsam mit Ihnen und vielen anderen Tierfreund:innen konnten wir schon viel erreichen – doch das ist noch nicht genug. Mit Ihrer Petitionsunterschrift schenken Sie den Eseln und Maultieren auf Santorini reale Hoffnung auf ein Leben ohne Qualen.