Terraristik ist ein in Deutschland weit verbreitetes „Hobby“, obwohl sich Exoten nicht als tierische Mitbewohner eignen. Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass der – insbesondere im Hintergrund ablaufende – Reptilienhandel mit skrupelloser Tierquälerei einhergeht. Weshalb exotische Tiere unter der Terraristik leiden, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Was versteht man unter Terraristik?
Mit Terraristik oder auch Terrarienkunde ist ein vermeintliches „Hobby“ gemeint, das sich mit der Haltung und teilweise Zucht von Reptilien, Amphibien, Insekten, Wirbellosen und anderen exotischen Tieren in einem Terrarium befasst. Anders als in einem Aquarium überwiegt in einem Terrarium der Landanteil – dabei handelt es sich um ein Behältnis oder eine Anlage, die den natürlichen Lebensraum verschiedener Tier- und Pflanzenarten nachstellen soll. Dafür sind verschiedene Faktoren wie Luftfeuchtigkeit, Bodenbeschaffenheit, Temperatur, Belüftung und spezielle Beleuchtung zu beachten.
Es ist jedoch niemals möglich, den realen Lebensraum von exotischen Tieren in einem Terrarium artgerecht nachzustellen – allein die Größe der Glaskästen entspricht nicht dem natürlichen Lebensraum der Tiere.
Welche „Terrarientiere“ gibt es?
Weltweit werden verschiedene Tiere in Terrarien gehalten. Vor allem der Handel mit Reptilien wie Schlangen, Echsen und Schildkröten boomt zum Leidwesen der Tiere. Auch Skorpione, Insekten wie Gottesanbeterinnen, Schnecken, Krebse und Frösche gelten als „Terrarientiere“.
Exotische Tiere wie Schlangen, Spinnen, Echsen oder Frösche sind mittlerweile in vielen Zoohandlungen zu finden. Selbst einige Baumärkte bieten Reptilien und andere Exoten zum Verkauf an. In vielen Städten werden regelmäßig Reptilienbörsen veranstaltet, auf denen die sensiblen Tiere mit ihren hohen Ansprüchen an Temperatur, Haltung und Ernährung wie billiger Trödel verramscht werden. Mit nur einem Mausklick kann man die Tiere ebenso im Internet schnell kaufen.
Ist Terraristik Tierquälerei?
Ja, mit Terraristik ist immer auch Tierquälerei verbunden. In einer großen Veröffentlichung gelang es 2016 im Rahmen einer mehrmonatigen, international übergreifenden Recherche erstmals, die erschütternden Bedingungen bei einigen der weltweit größten Züchter:innen und Händler:innen von Reptilien im Heimtierhandel zu durchleuchten.
Für das skrupellose Geschäft mit den sensiblen Exoten werden die Tiere ihrem natürlichen Lebensraum gewaltsam entrissen oder von rücksichtslosen Züchter:innen massenhaft „produziert“. 2020 wurden über 350.000 Reptilien [1] offiziell nach Deutschland importiert. Die Dunkelziffer dürfte um einiges höher liegen, da auch der illegale Handel mit exotischen Tieren floriert. Hinzu kommen unzählige exotische Säugetiere sowie Millionen sogenannter Zierfische. 2022 lebten in Deutschland rund fünf Millionen Tiere in Terrarien, Aquarien und Gartenteichen. [2]
Oft mangelt es den Halter:innen an dem notwendigen Wissen und viele Tiere sterben dadurch viel zu früh oder leiden – oftmals unbemerkt – an haltungsbedingten Schäden. Zudem herrscht das häufige Vorurteil, Reptilien seien einfach zu halten. Das ist jedoch nicht richtig. Exoten haben besonders hohe Ansprüche an ihren Lebensraum und reagieren sensibel auf kleinste Veränderungen oder unpassende Unterbringungen.
Diese Tiere starben beim Transport nach Deutschland
Grauenvolle Zustände auch in Asien und den USA
Videoaufnahmen von einem der weltweit größten Reptilienhändler „Reptiles by Mack“ aus Ohio zeigen Tiere in teils winzigen, überfüllten und völlig verdreckten Plastikbehältern. Viele Reptilien sind krank und schwer verletzt, werden oftmals nicht tierärztlich versorgt und müssen tage- oder teilweise wochenlang ohne Trinkwasser ausharren. 2009 wurden nach verdeckten Ermittlungen durch PETA USA in der Lagerhalle des internationalen Händlers USGE in Texas über 26.000 Tiere beschlagnahmt. Zehntausende exotische Säugetiere, Reptilien, Amphibien und Spinnen wurden dort unter unvorstellbaren Bedingungen gelagert – viele von ihnen waren krank, verletzt, tot oder lagen im Sterben.
Auch in Asien werden die Tiere lediglich als Massenware betrachtet. Der Verantwortliche eines großen vietnamesischen Reptilienhändlers, der deutsche Tierhändler:innen beliefert, sprach offen über die zahlreichen Tiere, die die Überseetransporte nicht überleben.
Reptilien-Zwischenlager in Vietnam
Weshalb ist Terraristik nicht artgerecht für die Tiere?
Exoten gehören nicht ins Wohnzimmer – Terraristik hat entsprechend nichts mit artgerechter Tierhaltung zu tun. Allein der Blick eines Menschen kann die sensiblen Tiere unter enormen Stress setzen, doch ihr Leiden sieht man ihnen nicht an. Die Haltung im Terrarium kann niemals den natürlichen Lebensraum ersetzen: Eine tierärztliche Fallstudie, bei der rund 150 verstorbene Reptilien untersucht wurden, kam zu dem Ergebnis, dass 51 Prozent der Tiere an durch Haltungsfehler verursachten Krankheiten litten. [5]
Den meisten Menschen ist nicht bewusst, dass hinter dem vermeintlichen Hobby der Terraristik ein grausamer und skrupelloser Handel und Umgang mit den Tieren steckt, der eine immense Todesrate der Tiere mit sich bringt. Weltweit ist der Handel mit bedrohten Wildtierarten nach dem Drogen-, Waffen- und Menschenschmuggel das größte illegale Geschäft. [3]
Viele der empfindlichen Reptilien sterben schon auf den langen Transportwegen oder bereits auf den Zuchtfarmen. Sterberaten von bis zu 72 Prozent [4] sind vom Handel bereits einkalkuliert. Bei deutschen Großhändlern werden die überlebenden Reptilien oft in winzige Plastikboxen eingepfercht und darin teilweise mehrere Jahre lang vorrätig gehalten. Ahnungslosen Kund:innen wird jedoch suggeriert, die Tiere würden aus guten Verhältnissen stammen.
Terraristik birgt unterschätzte Gefahr für den Menschen
Die Haltung von exotischen Tieren in Terrarien birgt zudem potentielle Gesundheitsrisiken. Besonders Kinder, immunschwache und ältere Menschen sind gefährdet, an diversen Zoonosen zu erkranken. Nicht nur Bisse von giftigen Tieren, die beispielsweise in Terrarien gehalten werden, sind potentiell lebensbedrohlich. Etwa 90 Prozent der Reptilien sind Überträger exotischer Salmonellenarten. Laut Robert Koch-Institut stammt jede dritte Salmonelleninfektion bei Kindern von exotischen Tieren. [5] Im schlimmsten Fall kann eine Salmonellose zum Tod führen.
Jetzt Importverbot für exotische Wildtiere fordern
Bitte kaufen Sie keine Reptilien oder andere exotischen Tiere. Wenn Sie sich einen tierischen Mitbewohner wünschen und über die nötige Sachkunde verfügen, adoptieren Sie bitte ein Tier aus einer Auffangstation oder dem Tierheim.
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Quellen
[1] Statistisches Amt der Europäischen Union (o.J.): Datenbank Internationaler Warenhandel, https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/international-trade-in-goods/data/database, (eingesehen am 20.04.2021)
[2] Statista (07.08.2023): Haustiere in Deutschland: Katzen haben die Schnauze vorn, https://de.statista.com/infografik/18926/die-haeufigsten-haustiere-in-deutschland/ (eingesehen am 20.09.2023)
[3] Pro Wildlife: Tierhandel und Ausverkauf der Natur, https://www.prowildlife.de/tierhandel/ (eingesehen am 20.09.2023)
[4] PubMed (29.05.2014): Morbidity and mortality of invertebrates, amphibians, reptiles, and mammals at a major exotic companion animal wholesaler, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24875063/ (e9ngesehen am 06.05.2024)
[5] Schmidt, Volker: Die Bedeutung von haltungs- und ernährungsbedingten Schäden bei Reptilien. Eine retrospektive pathologische Studie, 4. Leipziger Tierärztekongress, 2008.
[5] Robert Koch-Institut: Salmonella-Infektionen bei Säuglingen und Kleinkindern durch Kontakt zu exotischen Reptilien. Epidemiologisches Bulletin. 4. März 2013 / Nr. 9.