Verhaltensstörungen und Stereotypien bei Tieren im Zoo

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Jeder hat schon einmal diese Verhaltensmuster bei Tieren im Zoo gesehen: Ein Tiger läuft im Gehege ständig hin und her. Eine Giraffe leckt zwanghaft an den Gitterstäben. Ein Vogel rupft sich das Gefieder kahl. Ein Elefant webt unentwegt seinen Kopf hin und her. Ein Fisch schwimmt unablässig die Aquarienwand entlang. Diese sich ständig wiederholenden, gleichbleibenden (stereotypen) und artfremden Verhaltensmuster, Übersprungshandlungen und Leerlaufhandlungen sind Verhaltensstörungen.

„Stereotypien sind definiert als wiederholte, unveränderte Muster von Verhaltenselementen ohne erkennbares Ziel, die über beachtliche Zeiträume pro Tag ausgeübt werden. Sie treten bei verschiedenen Spezies von Zootieren auf und werden den Verhaltensstörungen zugeordnet.“ [1]

Aber warum zeigen Tiere in Zoo-Gefangenschaft solch ein artuntypisches und gestörtes Verhalten?

Zoohaltung macht Tiere psychisch krank

Stereotypien bei in Gefangenschaft gehaltenen Tieren sind ein Symptom für schlechtes Wohlergehen und Wohlbefinden und weisen darauf hin, dass die Tiere psychisch leiden. [2]

Die hohen Ansprüche von Wildtieren an ihren Lebensraum kann kein Zoo dieser Welt erfüllen. Elefanten, Tiger, Bären – sie alle haben Reviere von mehreren Quadratkilometern und legen auf Nahrungssuche jeden Tag viele Kilometer zurück. In Gefangenschaft ist diese Bewegungsfreiheit nicht gegeben. Eine vergleichende Untersuchung von 35 Raubtier-Arten zeigte, dass ein Zusammenhang zwischen Reviergröße und Stereotypien besteht: Je größer das Streifgebiet, das die Tiere in der Natur beanspruchen würden, desto häufiger leidet diese Art in Zoos an Stereotypien. Auch die Jungtiersterblichkeit in Gefangenschaft ist bei Tierarten mit großem Streifgebiet höher. Eisbären sind dabei traurige Spitzenreiter, mit einem für uns Menschen unvorstellbar großen Streifgebiet und entsprechend häufigen Stereotypien in Zoos. Die Größe ihres Zoogeheges entspricht nur etwa einem Millionstel ihres Reviers in der Natur. [3]

Loewe liegt hinter einer Glasscheibe

Auch natürliche Verhaltensweisen wie die Nahrungssuche oder das Paarungsverhalten können im Zoo nur eingeschränkt ausgelebt werden. Eine weitere Studie zeigte, dass die meisten Zoogehege in den 25 überprüften deutschen Zoos die artenspezifischen Bedürfnisse der Tiere nicht erfüllen können [4]. In der Mehrheit der Gehege fehlte es an Beschäftigungsmaterial – die Tiere sind täglicher Langeweile ausgesetzt und können kein artgerechtes Leben führen. Das führt bei vielen zu Verhaltensstörungen.

Ein weiterer Auslöser für Verhaltensstörungen können traumatische Erlebnisse sein. Tiere wie Elefanten oder Menschenaffen, die als Wildfänge im Kindesalter mit brutalen Mitteln von ihrer Familie getrennt wurden, leiden oft lebenslänglich unter diesem Trauma. Auch sogenannte Handaufzuchten, also Babys, die statt von ihren Müttern von Zoowärtern aufgezogen werden, zeigen häufiger Stereotypien. Dies ist beispielsweise bei Orang-Utans der Fall [5].

So zeigen sich Stereotypien bei Tieren

Einige Tiergruppen leiden besonders unter der artwidrigen Zoohaltung.

Menschenaffen

Zahlreiche Studien belegen Verhaltensstörungen bei Menschenaffen in Gefangenschaft. [6-7]. Einer Studie der Universität Kent zufolge, die in sechs Zoos in Großbritannien und den USA durchgeführt wurde, zeigten alle 40 Schimpansen mindestens ein abnormales Verhalten. Die häufigste Verhaltensstörung der Menschenaffen war das Essen der eigenen Exkremente. Auch verletzen sich die Schimpansen oft selbst, reißen sich die Haare aus, schaukeln permanent mit dem Oberkörper hin und her und essen ihr eigenes Erbrochenes. [8]

Bonoboo isst Kot

Bären

Eisbären und andere Bärenarten gehören zu den Tieren im Zoo, die am häufigsten Verhaltensstörungen zeigen. Sie leiden also dauerhaft unter der Gefangenschaft. Die am häufigsten zu beobachtenden stereotypen Verhaltensstörungen bei Bären sind das Hin- und Herlaufen („Pacing“), das Auf- und Abschwingen (Weben) und das Drehen des Kopfes. Weitere Anzeichen sind unter anderem Nase rümpfen, Pfoten kreisen, Maul klappen, Kratzen, Lippen flattern und Scharren. [1] 2008 untersuchten wir von PETA Deutschland den Zustand von 34 Eisbären in deutschen Zoos. An ein bis zwei Besuchstagen pro Zoo konnten wir bei 24 Eisbären Stereotypien beobachten. Die meisten der verbleibenden Tiere, die keine Verhaltensstörungen zeigten, waren zum Zeitpunkt unserer Aufzeichnung bereits sehr alt, sodass sie aufgrund von Problemen mit dem Gelenkapparat ohnehin nicht zu viel Bewegung im Stande waren.

Eisbaer im Zoo

Auch Pandas leiden in Gefangenschaft häufig an teils schweren Verhaltensstörungen, unter anderem „Pacing“ (Auf- und Ablaufen), Drehen, Kopfdrehen, Selbst-Beißen, schaukelnde Bewegungen oder Erbrechen [9-10]. Panda-Dame Meng Meng erlangte im Berliner Zoo beispielsweise traurige Berühmtheit für ihr ständiges Rückwärtslaufen.

Großkatzen

Laut WWF sind ausnahmslos alle Tiger in Zoos verhaltensgestört. [11] Das Auftreten von Bewegungsstereotypien bei Großkatzen, also das Ablaufen immer gleicher Strecken, wird stark von der Gehegegröße beeinflusst und ist in Außengehegen mit weniger als 200 Quadratmetern häufiger zu beobachten als in größeren Anlagen. [12, 13] Bei einer Untersuchung im Zoo Leipzig wurde festgestellt, dass allein dort 11 der 14 Tiger, Leoparden und Schneeleoparden stereotypes Verhalten zeigten und diese im Durchschnitt 19 Prozent ihrer aktiven Zeit mit dem ständigen Hin- und Herlaufen („Pacing“) verbrachten. [14] Schätzungsweise zeigen 82 Prozent aller von Menschen gehaltenen Raubtiere stereotype Verhaltensweisen. [15]

Elefanten

Viele Elefanten entwickeln in Gefangenschaft schwere Verhaltensstörungen. Das sogenannte „Weben“ bezeichnet sich wiederholende, rhythmische Bewegungen mit Kopf und Körper. Diese Verhaltensstörung kommt bei wildlebenden Elefanten nicht vor [16]. In Zoos dagegen treten Stereotypien sehr häufig auf – bei 72 bis 85 Prozent der Elefanten in nordamerikanischen [17] und europäischen [18] Zoos. Einer Studie zufolge war stereotypes Verhalten insgesamt sogar die zweithäufigste beobachtete Verhaltensweise der Elefanten, nach Fressverhalten. Vor allem Einzelhaltung und häufige Transporte zwischen Zoos fördern die Entwicklung von Verhaltensstörungen [17].

Gif mit zwei Elefanten im Zoo

Verhaltensstörungen bedeutet Leiden

Es ist bereits seit vielen Jahren wissenschaftlich erwiesen, dass Tiere, die ausgeprägte Verhaltensstörungen aufweisen, erheblich unter diesen Problemen leiden [2]. Auch auf die physische Gesundheit der Tiere haben diese Verhaltensmuster Auswirkungen [19]. Bei Elefanten verschlimmert beispielsweise das „Weben“, also das wiederholte Hin- und Herschaukeln, vermutlich Fußerkrankungen, die in Zoos durch das unnatürlich lange Stehen auf hartem Untergrund wie Beton entstehen [18].

Das Leid der verhaltensgestörten Tiere dauert in den meisten Fällen lebenslang an: Untersuchungen haben gezeigt, dass Tiere, die in jungem Alter Stereotypien aufzeigen, diese auch nach Änderung der Haltungsbedingungen meist nicht wieder ablegen. Ist ein Tier erst psychisch erkrankt, sind die Verhaltensstörungen nur sehr schwer zu überwinden. [20]. Um das unerwünschte stereotype Verhalten zu unterdrücken und Zoobesuchern den traurigen Anblick verhaltensgestörter Tiere zu ersparen, schrecken deutsche Zoos nicht vor dem Einsatz von Psychopharmaka zurück. [21]

Was Sie tun können

Tieren, die in Zoos-Gefangenschaft leiden, kann nur durch einen sofortigen Zucht- und Importstopp für Zoos geholfen werden. Auf diese Weise kann die tierquälerische Zoohaltung mittelfristig auslaufen und Zoos können zu Auffangstationen für Tiere aus Zirkussen und schlechter Haltung umfunktioniert werden.

  • Helfen Sie, das Leid der Tiere im Zoo zu beenden, indem Sie niemals eine zoologische Einrichtung besuchen.
  • Sprechen Sie auch mit Familie, Freunden und Bekannten und fordern Sie sie auf, ebenfalls keine Zoos zu besuchen. Es gibt zahlreiche tierfreundliche Alternativen.
  • Unterschreiben Sie unsere Petitionen, um den Tieren in Zoos und anderen Einrichtungen zu helfen!
  • Quellen

    [1] Ulrike Stephan (26.10.2006): Untersuchungen an Eisbären in europäischen Zoos: „Verhalten und Veränderung von Stresshormon-Konzentration unter Berücksichtigung der Gehegegröße und Gruppenzusammensetzung, http://digbib.ubka.uni-karlsruhe.de/volltexte/documents/2615, (eingesehen am 11.08.2020)

    [2] Swaisgood, R. R.; Shepherdson, D. J. (22.07.2005): Scientific approaches to enrichment and stereotypies in zoo animals: what’s been done and where should we go next?, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/zoo.20066, (eingesehen am 11.08.2020)

    [3] Clubb, R. & Mason, G. (2003). Animal Welfare: Captivity effects on wide-ranging carnivores. Nature. 425. 473-4. 10.1038/425473a

    [4] Der EU ZOO Report – Deutschland (2012): Eine Untersuchung zur Umsetzung und Durchsetzung der Richtlinie 1999/22/EG des Rates über die Haltung von Wildtieren in Zoos. Born Free/ENDCAP et al

    [5] Cocks, L. (2007). Factors Influencing the Well-Being and Longevity of Captive Female Orangutans. International Journal of Primatology. 28. 429-440. 10.1007/s10764-007-9117-9

    [6] Akers, J. & Schildkraut, D. (1985). Regurgitation/Reingestion and coprophagy in captive gorillas. Zoo Biology – ZOO BIOL. 4. 99-109. 10.1002/zoo.1430040203

    [7] Jacobson S.L. et al. (2016): Characterizing abnormal behavior in a large population of zoo-housed chimpanzees: prevalence and potential influencing factors. PeerJ 4:e2225, https://doi.org/10.7717/peerj.2225, (eingesehen am 11.08.2020)

    [8] Birkett LP, Newton-Fisher NE (2011): How Abnormal Is the Behaviour of Captive, Zoo-Living Chimpanzees? PLoS ONE 6(6): e20101. doi:10.1371/journal.pone.0020101, https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0020101, (eingesehen am 11.08.2020)

    [9] Swaisgood, R.R. et al. (2003): Improving well-being for captive giant pandas: theoretical and practical issues. Zoo Biology 22. 347-354

    [10] Swaisgood, R.R. (2006): Enrichment and captive breeding programmes for endangered species: the case of the giant panda. S. 257 in Stereotypic animal behaviour: fundamentals and applications to welfare, 2. Auflage. Herausgeber: G.J. Mason und J. Rushen. CAB International, Wallingford, United Kingdom

    [11] Spiegel (25.08.2012): „Der Tiger war in dem Bereich, wo er hingehört“, https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/koelner-zoo-tiger-altai-toetet-43-jaehrige-pflegerin-nach-ausbruch-a-852073.html, (eingesehen am 11.08.2020)

    [12] Exner, C. (1995): Ethologische und hygienische Untersuchungen über die Haltungsbedingungen von Raubkatzen in zoologischen Einrichtungen. Dissertation Tierärztliche Fakultät München

    [13] Breton, G. & Barrot, S. (2014): Influence of Enclosure Size on the Distances Covered and Paced by Captive Tigers (Panthera tigris), Applied Animal Behaviour Science, 154. 66-75. 10.1016/j.applanim.2014.02.007

    [14] Hönig, D. & Gusset, M. (2010): Test multipler Hypothesen zum Auftreten von stereotypen Verhaltensweisen bei Großkatzen im Zoo Leipzig, Der Zoologische Garten, 79. 38–52. 10.1016/j.zoolgart.2010.03.006

    [15] Mason, G. & Latham, N.R. (2004): Can’t stop, won’t stop: Is stereotypy a reliable animal welfare indicator?, Animal Welfare, 13. 57-69

    [16] Kurt F. & M.E. Garai (2001). Elefant in Menschenhand, Kapitel 5.8.: Bewegungsstereotypien. Herausgeber: F. Kurt. Filander Verlag, Fürth

    [17] Greco, B.J. et al. (2016) The Days and Nights of Zoo Elephants: Using Epidemiology to Better Understand Stereotypic Behavior of African Elephants (Loxodonta africana) and Asian Elephants (Elephas maximus) in North American Zoos. PLoSONE 11(7): e0144276. doi:10.1371/journal.pone.0144276

    [18] Haspeslagh, M., et al. (2013): A survey of foots problems, stereotypic behavior and floor type in Asian elephants (Elephas maximus) in European zoos. Animal Welfare 22. 437-443

    [19] Mason, G.; Vickery, S. (08.07.2003): Understanding stereotypies in captive bears: the first step towards treatment., https://www.cabdirect.org/cabdirect/abstract/20123176333, (eingesehen am 11.08.2020)

    [20] Richter, U. (2004): Komplexität und Reduzierbarkeit von Stereotypien bei ehemals depriviert gehaltenen Braunbären im Bärenpark Worbis, https://pub.uni-bielefeld.de/record/2302214, (eingesehen am 11.08.2020)

    [21] Welt (2014): Die Tiere in deutschen Zoos stehen unter Drogen. 04.05.2014. Online unter: http://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article127612535/Die-Tiere-in-deutschen-Zoos-stehen-unter-Drogen.html (zuletzt eingesehen am 11.08.2020)