Vegan leben mit Diabetes – ein Erfahrungsbericht

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Vegan zu leben ist auch mit einer Diabeteserkrankung kein Problem! Dieser Erfahrungsbericht soll Mut machen, den Schritt zu einem tierleidfreien Leben zu wagen.

Kurz zu meiner Person

Ich bin Jahrgang 1987 und bereits im Alter von 18 Monaten wurde bei mir die unheilbare Stoffwechselkrankheit Diabetes mellitus Typ 1 festgestellt. Ohne das überlebenswichtige Hormon Insulin hätte ich die 1990er Jahre wohl nicht mehr erlebt. Ich beschäftige mich also mehr oder weniger freiwillig bereits mein ganzes Leben mit den Themen Ernährung und Gesundheit.

Seit nunmehr neun Jahren lebe ich zudem vegan. In diesem Bericht möchte ich aufzeigen, dass es auch als chronisch kranker Mensch möglich ist, vegan zu leben, und das sogar Vorteile mit sich bringen kann. 

Sandra Pauly hat seit 1989 Typ 1 Diabetes und lebt vegan.

Was ist Diabetes?

Diabetes ist eine Stoffwechselkrankheit, bei der das Hormon Insulin entweder fehlt oder nicht mehr richtig aufgenommen werden kann. Die Ursachen hierfür variieren: Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die Zellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört werden, die Insulin produzieren. Menschen mit Typ 1 Diabetes brauchen sofort und lebenslang eine Therapie mit Insulin.

Typ 2 (der früher fälschlicherweise „Altersdiabetes“ genannt wurde) ist die Diabetesform, die eher mit der Ernährung und dem Lebensstil der Patient:innen verbunden ist. Er ist mit einem Anteil von 90 Prozent der am häufigsten in der Gesellschaft vorkommende Diabetes-Typ. Nicht jeder an Typ 2 Diabetes erkrankte Mensch muss sich Insulin spritzen. In einigen Fällen reicht es auch schon aus, gesund zu essen und regelmäßig Sport zu treiben, um die Blutzuckerwerte im Griff zu behalten. 

Es gibt noch weitere Diabetes-Typen, wie beispielsweise den Schwangerschaftsdiabetes oder den durch Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse ausgelösten Diabetes. Diese kommen aber sehr viel seltener vor. [1]

Was soll man als Mensch mit Diabetes essen?

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass die Empfehlungen meiner Ernährungsberaterin als Kind ganz anders ausgesehen haben, als ich mich heute ernähre. Insgesamt versuchte man damals als Diabetiker:in, weitestgehend auf Kohlenhydrate, insbesondere in Form von Industriezucker, zu verzichten. Zu Weihnachten und meinen Geburtstagen bekam ich Jahr für Jahr dasselbe trockene „Diabetiker-Spritzgebäck“ mit Fruchtzucker geschenkt. Als Snack für zwischendurch wurden mir Spiegelei oder ein Wiener Würstchen empfohlen, beim Abendessen wurde geraten, die oft kohlenhydratreiche Beilage (Reis, Kartoffeln, Nudeln usw.) wegzulassen und nur Fleisch mit Soße zu essen. Heutzutage weiß man glücklicherweise, dass genau diese Ernährungsweise nicht gesund und daher nicht empfehlenswert ist.

Mit diesem Hintergrundwissen sind die Bedenken seitens meiner Familie jedoch zunächst verständlich. Insbesondere am Anfang meines Veganseins gab es große Sorgen:

„Sie hat es doch im Leben schon schwer genug! Was kann sie denn jetzt überhaupt noch essen?“

Doch die Zeiten haben sich zum Glück geändert. Neue Technologien machen ein sehr viel flexibleres Diabetes-Management möglich. Als hilfreich empfinde ich beispielsweise Insulinpumpen, mit deren Hilfe man die abgegebene Menge minutiös planen kann, oder auch Glukose-Sensoren, die das ständige in den Finger stechen abgelöst haben.

Die Zeiten, in denen Diabetiker:innen ausschließlich abgewogene Mengen staubtrockener Diabeteriker-Kekse essen durften, sind vorbei. Seit 2012 ist der Verkauf dieser Produkte in Deutschland sogar verboten! [2] Der Ansatz ist mittlerweile viel eher: Iss das, auf das du Lust hast, aber spritze dafür die korrekte Menge Insulin, sodass dein Blutzucker im Zielbereich bleibt!

Ich erinnere mich noch gut an den Moment, an dem mir in einer Diabetesklinik eine Tabelle in die Hände geriet, auf der festgehalten war, wie viel Gramm Kohlenhydrate in den einzelnen „normalen“ Schokoladenriegeln und sonstigen Süßigkeiten drin war. Für mich war dieser Moment lebensverändernd: Statt die Süßigkeiten heimlich zu essen und nicht genau zu wissen, wie viel Insulin ich mir spritzen sollte (was meistens nicht gut endete), konnte ich nun ganz genau berechnen, welche Menge ich benötige und guten Gewissens naschen.

Auch der vegane Lebensstil schreitet mit großen Schritten voran und die pflanzlichen Produkte werden immer leckerer, vielseitiger und sind mittlerweile überall zu erhalten.

Kann eine vegane Lebensweise den Diabetes heilen?

Ein Buch, das ich erst gelesen habe, als ich schon längst vegan war, was mir aber dennoch total die Augen geöffnet hat, war „Dr. Barnards revolutionäre Methode gegen Diabetes“. Auch wenn der Titel etwas reißerisch klingt, ist das Buch für mich Gold wert.

Wie ich bereits beschrieben hatte, gibt es verschiedene Typen Diabetes. Der Typ 1, den ich habe, ist unheilbar. Keine Ernährungsform und kein Wunderkraut kann ihn bis dato heilen.

Bei Diabetes Typ 2 sieht es ein wenig anders aus. Immer wieder gibt es Berichte darüber, dass der Typ 2 bei vegan lebenden Menschen geheilt wurde, die Insulinresistenz vermindert wurde oder die Patient:innen sich kein Insulin mehr spritzen müssen. Eine verminderte Insulinresistenz ist auch bei Menschen mit Typ 1 Diabetes wünschenswert, denn sie begünstigt unter Umständen noch viele andere Stoffwechselerkrankungen.
 

Dr. Neal Barnard rät zu einer rein veganen und fettarmen Ernährung.

Zurück zur Ursprungsfrage: Vegan leben mit Diabetes – geht das?

Die kurze Antwort lautet, wie Sie sich mittlerweile denken können: ja.

Ich würde sogar sagen, dass es mir als Diabetikerin leichter gefallen ist als meinen Freund:innen ohne chronische Erkrankungen. Immerhin hatte ich das zugegeben etwas mühsame Lesen der ellenlangen Inhaltsstofflisten im Supermarkt und das Erkennen der „schlechten“ Zutaten bereits im Grundschulalter gemeistert. Wozu hatte ich jahrelang bei Kindergeburtstagen auf den Schokokuchen verzichtet und stattdessen das selbst mitgebrachte oben bereits erwähnte Spritzgebäck gegessen, wenn nicht für diesen Moment?

Aber mal Spaß beiseite. Das Leben mit Diabetes und eine vegane Lebensweise haben durchaus Parallelen: Man konsumiert bewusst, nicht nur für einen kurzen Gaumenkitzel.

Oft fragen mich Menschen: „Was darfst du denn überhaupt essen?“ und meine Antwort lautet meist: „alles.“ Ich darf alles essen, aber ich möchte manche Dinge nicht essen, da sie mir aus verschiedenen Gründen nicht guttun. Sei es die Tüte Popcorn im Kino, die zwar himmlisch schmeckt, aber dazu führen kann, dass ich die darauffolgende Nacht mit Blutzucker messen, Insulin spritzen, Wasser trinken und pinkeln im Stundentakt verbringen werde (übermäßiger Harndrang ist das Symptom für einen erhöhten Blutzucker!) oder sei es die Bratwurst, für die unschuldige Tiere sterben mussten.

Ein Lebensmittel nicht zu konsumieren, hat für mich persönlich nichts mit Verzicht zu tun. In sehr vielen Fällen ist es für mich praktizierte Selbstliebe.

Was Sie tun können

Hier meine drei Tipps, was Sie tun können, wenn Sie Diabetes haben und sich vegan ernähren wollen:

1. Finden Sie Gleichgesinnte!

Sei es in Internetforen, im Bekanntenkreis oder in den Sozialen Medien: Es hilft, jemanden an seiner Seite zu haben. Ich persönlich habe mich insbesondere in der Diabetes-Community auf Instagram am besten verstanden gefühlt. Ein hilfreicher Hashtag zum Suchen wäre hier beispielsweise #plantpoweredT1D.
 

2. Nutzen Sie veganen Einkaufsguide von PETA ZWEI!

Sie wissen nicht, wo es überhaupt vegane Lebensmittel zu kaufen gibt? Der PETA ZWEI Einkaufsguide hilft! Es gibt ihn sogar als App.

3. Informieren Sie sich!

Wer mehr über seine Erkrankung weiß, kann auch bessere Entscheidungen treffen. Meine Lese-Tipps zum Thema wären zum einen das bereits erwähnte „Dr. Barnards revolutionäre Methode gegen Diabetes“ und auch „Mastering Diabetes: The Revolutionary Method to Reverse Insulin Resistance Permanently in Type 1, Type 1.5, Type 2, Prediabetes, and Gestational Diabetes“.