Update Herbst 2013
Eine Gutachterkommission hat u.a. die von PETA angezeigten Legehennenbestände beim Geflügelhof Tiemann kontrolliert und die teils eklatanten Missstände bestätigt. U.a. hohe Mortalitätsraten, hoher Krankheitsstand, Mutmassungen über mehr eingestallte Hühner als erlaubt und eine fast völlig ins Leere laufende Kontrollfunktion des ebenfalls angezeigten IMO-Instituts werden dokumentiert. Alles Verstöße gegen die Tierschutznutztierhaltungsverordnung und die EG-Öko-Verordnung.
Originaltextvom Dezember 2012
Menschen, die Tiere schützen wollen und dennoch Eier konsumieren, achten häufig darauf, dass ihre Eier aus Freiland- oder Bio-Haltung stammen. Die 0 auf dem Ei gibt die Herkunft an. Dabei bedeutet „0“ Bio-Haltung. Ermittler von PETA Deutschland wagten im Spätsommer 2012 einen Blick hinter die Kulissen und mussten feststellen, dass die Hühner auch in den sogenannten alternativen Haltungsformen zur bloßen Produktionseinheit degradiert werden. Die Grausamkeit, die die Tiere dort tagtäglich erdulden müssen, steht der in den von der Gesellschaft und dem Gesetz geächteten Käfighaltungen in kaum etwas nach.
Tierquäler-Ei mit Bio-Siegel
Im Jahr 2012 kontrollierten PETA-Ermittler mehrere Hühnerfarmen, so auch die Farm „Glitten“ von Heinrich Tiemann und seiner Bio-Geflügelhof-Tiemann GmbH in Twistringen. Hier werden im Namen des Naturland-Logos Bio-Eier für Edeka produziert. Große Schilder an der Farm weisen darauf hin. Vermarktet werden die Eier über die Wiesengold Landei GmbH, die ebenfalls unter der Geschäftsführung von Heinrich Tiemann steht. 150 Millionen Bio-Eier werden so jährlich vermarktet und Wiesengold ist damit nach eigenen Angaben der größte Bio-Ei-Lieferant in Deutschland.
Neben Edeka liefert Wiesengold auch die Naturkind-Bio-Eier von Kaiser‘s Tengelmann sowie die Eigenmarke der tegut-Supermärkte. Teilhaber der Bio-Geflügelhof Tiemann GmbH sowie der Wiesengold Landei GmbH ist neben Heinrich Tiemann die Deutsche Frühstücksei GmbH, der größte „Legehennen“-Halter in Deutschland überhaupt.
Die PETA-Ermittler sind schockiert
Was die Ermittler in der besagten Farm in Twistringen im Landkreis Diepholz zu sehen bekommen, stimmt in keiner Weise mit den romantischen Bildern überein, die Verbraucher von der Biohaltung haben. Im Betrieb finden sich tote und sterbende Tiere. Viele Hennen haben eitrige Kloaken, die Hinterteile der Tiere und große Teile der Haut sind wund und federlos.
Etliche Hühner sind mit Kot der über ihnen sitzenden Tiere verschmutzt. Das ließe sich mit einer sinnvollen Anordnung der Sitzgelegenheiten vermeiden. Ein massiver Befall mit Vogelmilben konnte dokumentiert werden. Ein solcher Befall macht die Tiere krankheitsanfällig und fördert Entzündungen an den Bissstellen. Außerdem steigt die Seuchengefahr.
Bei der Bio-Haltung ist für die Hühner ein Auslauf vorgeschrieben. Dieser existiert zwar, ist für einen Großteil der Hennen des südlichen Stalls jedoch augenscheinlich nicht erreichbar. Gitter behindern den direkten Weg zum Auslauf und nötigen die Tiere, über bis zu fünf Kotförderbänder zu springen, um nach draußen zu gelangen.
Dabei sollte den Tieren der Zugang zum Freilauf so leicht wie möglich gemacht werden. Hier entsteht der Eindruck, dass viele Hühner den Weg nach draußen gar nicht finden. Solche „Schikanen“ hätten nach unserer Rechtsauffassung beanstandet werden müssen.
Die Tiere sind immer die Leidtragenden
Die Wendlander Frischei GmbH betreibt mehrere Biofarmen, so auch in Prinzhöfte. Im Februar 2012 kommt es dort zu einem Brand. [1] 4.000 Hühner sterben qualvoll, 15.000 werden auf Anordnung des Veterinäramtes notgeschlachtet. Ein technischer Defekt soll die Ursache gewesen sein. Knapp 200 Meter von der Brandruine entfernt, steht ein weiterer Stall des Unternehmens. Die offensichtliche Ursache für eine potentielle Brandgefahr findet sich hier schnell: Praktisch alle Bodenflächen im Stall und im „Kaltscharrraum“ sind mit Weidezaunleitungen ausgestattet. Die anliegende Spannung von 15.000 Volt sorgt an mehreren Stellen für sichtbare Funkenübersprünge in die brennbare Einstreu.
Warum überhaupt elektrische Leitungen verlegt werden, ist schleierhaft. Denn diese befinden sich an den Wänden, die ohnehin eine Begrenzung für die Hühner darstellen. In einem Stallbereich ist die Leitung sogar so verlegt, dass die Hühner sie beim Verlassen des „Kaltscharrraums“ berühren müssen. Natürlich können wir nicht mit Sicherheit sagen, dass die Weidezaundrähte der Grund für den Brand im Nachbarstall waren. Jedoch liegt die Vermutung nahe.
Die vorgeschriebene Umzäunung ist stellenweise offen, teilweise sogar gar nicht vorhanden. So sind die Hühner nicht vor „Fressfeinden“, wie z.B. Füchsen oder Beutefängern, geschützt. Außerdem können sich die Gruppen, die in der Biohaltung aus maximal 3.000 Hennen bestehen dürfen, so untereinander vermischen. Beides ist unzulässig. Es stellt sich die Frage, warum so etwas bei den Biokontrollen nicht auffällt.
Betrüger-Ei: Wer einmal lügt …
Nicht nur für die Tiere bietet ein Siegel für Bio-, Freiland- oder Bodenhaltung keinen Schutz, schließlich werden auch die Verbraucher betrogen, belogen und getäuscht.
So auch im Falle der von PETA-Aktivisten im Jahr 2012 besuchten Hühnerfarm in Velbert. Der Stall gehört Richard Hennenberg, der u.a. auch der Eigner der Wendlander Frischei GmbH ist. Bis zum März 2010 stand hier an der Nordrather Straße 37 noch die größte Bio-Hennenfarm von NRW. Dass jedoch statt ca. 80.000 Quadratmetern vorgeschriebener Auslauffläche nur etwa 15.000 Quadratmeter vorhanden waren und selbst dort teilweise über Wochen und Monate keine Tiere im Freilauf zu sehen waren, fiel angeblich bei keiner der Kontrollen auf. Hennenberg gab einfach einen Wald, der weder beantragt noch genehmigt und auch nicht als Auslauffläche hergerichtet war, an, und führte so das Biosystem mehr als zwei Jahre an der Nase herum.
Erst die Recherchen von PETA und einer örtlichen Bürgerinitiative sowie der mediale Druck veranlassten das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen (LANUV) letztlich dazu, Hennenberg das Bio-Siegel für diese eine Farm zu entziehen. In vielen anderen seiner Betriebe wird bis heute Bio-Ware produziert und das Vertrauen in die Bio-Branche scheint ungebrochen. Und auch hier war IMO das „blinde“ Kontrollinstitut.
(Gegen den Hennenberg-Clan, gegen mehrere Behörden und gegen die Kontrollfirma IMO laufen Ermittlungsverfahren. Der Anzeigen-Komplex hat die Aktenzeichen 50 Js 301/09, 85 Js 68/09 und 85 Js 15/10 Staatsanwaltschaft Wuppertal.
Mit den beiden unanfechtbaren Beschlüssen des Oberverwaltungsgerichts NRW vom 26.7.2010 wurde rechtskräftig festgestellt, dass das illegal als Auslauffläche genutzte Waldgebiet nicht umgenutzt werden darf und somit der Status als „Bio-Ei“ zu Recht entfallen ist (Az.: 20 B 327/10 und 20 B 514/10 OVG NRW).
…dem glaubt man doch?
Das Haltungssystem wurde schließlich auf Bodenhaltung umgestellt. Seit dem 31.8.2012 wird der Stall mit behördlicher Genehmigung als kombinierte Freiland- und Bodenhaltungsfarm betrieben. Boden- und Freilandeier werden auf dasselbe Eiertransportband gelegt, die Unterscheidung erfolgt durch die unterschiedliche Farbe. Bei den weißen Eiern handelt es sich um Boden-, bei den braunen um Freilandeier. Das zuständige Landesamt LANUV bestätigt das in einer E-Mail und nennt auch die notwendige Auslauffläche: für die 9.421 „Freilandhennen“ wären das 37.685 Quadratmeter. Ob diese tatsächlich aus fachlicher Sicht als für die Hühner genutzte effektive Fläche tatsächlich zur Verfügung steht, wird von PETA angezweifelt.
Doch unabhängig davon kommt es noch „besser“: An einem Marktstand in Wuppertal kaufen die Ermittler über den Zeitraum von mehreren Wochen immer wieder Eier aus genau diesem Stall. Der Händler bestätigt, dass die Eier von Hennenberg stammen. Doch obwohl es sich um die weißen Bodenhaltungseier („2“) handelt, haben diese einen Freilandstempel („1“). Dies lässt den Schluss insbesondere im Hinblick auf den Betrugsskandal 2009/2010 zu, dass das ganze Kontrollsystem nicht funktioniert. Weiterhin wurden auch dieses Mal wieder dutzende tote Tiere im Stall gefunden. Auch der Zustand der lebenden Tiere sowie der Stallanlage insgesamt war bemerkenswert schlecht, auch dies ist Verbraucherbetrug.
Was Sie tun können
Die einzige Möglichkeit, die alle Hennen vor Ausbeutung und Gefangenschaft schützt, ist, keine Eier und Ei-Produkte mehr zu essen. Bio ist kein Garant für Tierschutz.
PETA bietet daher das ultimative vegane Backpapier zum kostenlosen Herunterladen an, damit Kuchen und Frühstücksei auch ohne Hühnereier gelingen.
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Quellen
[1] Weser Kurier: Tausende Hühner sterben bei Brand, https://www.weser-kurier.de/region/tausende-huehner-sterben-bei-brand-doc7e4ca7v46hj12nwqvohz?reloc_action=artikel&reloc_label=/region/oldenburg_artikel,-Tausende-Huehner-sterben-bei-Brand-_arid,79363.html, (zuletzt eingesehen am 04.12.2012)
Glossar
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Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen e.V. (KAT)
Der Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen e.V. (Bonn) vergibt ein eigenes Siegel, das KAT-Siegel. KAT kontrolliert nicht selbst, sondern schickt z.B. das Institut IMO. Die KAT-Kriterien sind teilweise etwas strenger als die Bio-Richtlinien. So schreibt die Bio-EU-Verordnung vor, dass Hennen in der Bio-Landwirtschaft ein Drittel ihres Lebens Zugang zum Freilauf haben müssen. Bei KAT muss dies jeden Tag erfolgen. KAT betreibt die Seite www.was-steht-auf-dem-ei.de. Hier kann man Eier-Printcodes eingeben und sich Bilder und die geografische Lage der entsprechenden Farmen ansehen, aus denen die Eier stammen (sollen). In der Praxis ist das aber oft eine Mogelpackung, denn viele Eierproduzenten geben falsche oder gar keine geografischen Informationen an. Auch der genannte Ort ist nicht immer der Ort, an dem die Farm selbst steht, sondern es handelt sich nur um den Firmensitz. Und oft genug gibt es auch keine Bilder. Da die Informationen von KAT anscheinend nicht effektiv genug geprüft werden, weiß der Verbraucher nie, ob die Angaben zur Farm richtig sind oder nicht.
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Institut für Marktökologie (IMO)
IMO (Konstanz) ist eines von 22 freien Instituten, die im Auftrag der Bioverbände, der Landesämter oder des KAT-Vereins kontrolliert. Interessanterweise wird das Institut nicht von den Auftraggebern, sondern vom Eierproduzenten selbst bezahlt. Da die 22 Institute untereinander konkurrieren, besteht der Verdacht, dass der Eierproduzent einen gewissen Einfluss darauf haben könnte, wer bei ihm prüft und wer nicht. Immerhin zahlt er die Rechnung. Man könnte vermuten, dass am ehesten das Institut bezahlt wird, das die gewünschten Ergebnisse liefert. Nur so ist es zu erklären, dass Hennenberg von 2007 bis 2010 mit 6,5 Hektar fehlender Auslauffläche durchgekommen ist. Der Prüfer kann das nicht übersehen haben. Das Institut IMO hat die Kontrollen bei allen hier erwähnten Farmen durchgeführt.
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Edeka, Kaiser‘s und tegut
Diese Supermärkte verkaufen die Wiesengold-Eier als Bio-Eigenmarke. An Tiemanns Biofarm in Twistringen ist sogar das Edeka-Logo abgebildet, scheinbar wird dort speziell für das Handelsunternehmen produziert.
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Naturland
Nach eigenen Angaben der größte Bioverband der Welt (über 50.000 Mitglieder). An Tiemanns Biofarm in Twistringen ist sogar das Naturland-Logo abgebildet, dort soll nach den Kriterien des Verbandes produziert werden. Die Naturland-Richtlinien sind strenger als die Bio-EU-Vorgaben. Alle Tiemann/Wiesengold-Ställe produzieren unter dem Naturland-Logo.
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Richard Hennenberg
Agrarmulti aus Velbert (NRW), ist mit mehreren Firmen in der Eierproduktion tätig (Wendlander Frischei GmbH, Landgut Hennenberg GmbH, Richard und Andreas Hennenberg Landwirtschaftliche GmbH, Hennenberg Qualitätsei GmbH, …). Betreibt etliche Farmen in mehreren Bundesländern. Machte 2009/2010 Schlagzeilen mit dem von PETA Deutschland aufgedeckten Skandal um die größte Bio-Hühnerfarm NRWs, die sich als Mogelpackung herausstellte. Nach PETA-Recherchen wurde ihm das Bio-Siegel für die Farm aberkannt.
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Bio-Geflügelhof Tiemann
Produziert seit 1995 Bio-Eier im großen Stil. In allen Farmen befinden sich weit mehr als 10.000 Tiere. Geschäftsführer ist Heinrich Tiemann, der sich selbst als Biopionier sieht, der Maßstäbe gesetzt hat. Sein Motto: Mehr tun als man muss. Neben Tiemann ist auch die Deutsche Frühstücksei GmbH Teilhaber am Bio-Geflügelhof Tiemann.
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Wiesengold Landei GmbH
Geschäftsführer ist ebenfalls Heinrich Tiemann, Teilhaber ebenfalls die Deutsche Frühstücksei GmbH. Wiesengold vermarktet nach eigenen Angaben über 150 Millionen Bio-Eier im Jahr und ist damit der größte Anbieter in diesem Segment.
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Deutsche Frühstücksei GmbH (DFE)
Größter „Legehennenhalter“ in Deutschland. Keine Firma sperrt mehr Hühner in Käfige. Mittlerweile haben sie sich dem neuen Markt mit Eiern aus Biohaltung angepasst. Die DFE ist Teilhaber bei Wiesengold und beim Bio-Geflügelhof Tiemann.
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Biopark
Die Hennenberg-Farmen trugen bisher das Biopark-Siegel. Biopark ist ein großer, in Ostdeutschland etablierter Bioverband mit über 700 angeschlossenen Betrieben. In Sachen Aufklärung im Hennenberg-Skandal 2009/2010 hat sich der Verein nicht mit Ruhm bekleckert und nahm PETA-Hinweise in Sachen Biobetrug nicht ernst. PETA vermutet, dass Hennenberg noch immer mit Biopark zusammenarbeitet.
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Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV)
Unter anderem zuständig für die Vergabe des Bio-EU-Siegels und für die Zulassung von Tierhaltungsbetrieben. Auch das LANUV verlässt sich auf die Angaben IMO.