Bevor Produkte wie Pharmazeutika, Pestizide, Chemikalien oder medizinische Geräte auf den Markt kommen, verlangen die zuständigen Behörden Tests, um die Sicherheit der Produkte zu gewährleisten. In Europa sind für diese Vorgaben etwa die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) zuständig.
Bislang wurden solche Toxizitätstests meist an Tieren durchgeführt. Dafür kommen jahrzehntealte, grausame Testmethoden zum Einsatz. Doch die Zeiten ändern sich. Und das auch dank der Arbeit des PETA Science Consortium International e.V., welches im Herbst 2022 sein 10-jähriges Bestehen feiert.*
Was ist das PETA-Wissenschaftskonsortium?
Das im Jahr 2012 gegründete Konsortium besteht aus 25 Wissenschaftler:innen mit Doktortitel oder Master-Abschluss, die für PETAs weltweite Partnerorganisationen arbeiten. Mit ihrer geballten Expertise bringen diese Fachleute das Hauptziel des Wissenschaftskonsortiums voran: die Förderung von tier(versuchs)freien Ansätzen der Toxizitätsforschung, die zuverlässig und relevant für den Menschen sind.
Was tut das PETA-Wissenschaftskonsortium?
Das Konsortium setzt sich mit unterschiedlichen Aktivitäten dafür ein, dass Tierversuche durch wissenschaftlich fundierte, moderne Testansätze ersetzt werden. Hier einige Beispiele:
- Projektbasierte Zusammenarbeit mit Regierungsbehörden, führenden Unternehmen, Entwickler:innen, Akademiker:innen und anderen Tierschutzorganisationen.
- Veröffentlichung wissenschaftlicher Artikel.
- Preisvergaben an aufstrebende und etablierte Wissenschaftler:innen.
- Organisation und Mitveranstaltung von kostenfreien Webinaren und Workshops.
- Teilnahme an wissenschaftlichen Konferenzen und Meetings.
Auszeichnungen
Das Wissenschaftskonsortium hat für seine Arbeit bereits diverse Preise erhalten. So etwa im Jahr 2015 den Lush Prize in der Kategorie „Ausbildung“ für seine führende Rolle in der Förderung der Aus- und Weiterbildung von Wissenschaftler:innen in tierversuchsfreien Methoden.
Zudem ernannte die Society of Toxicology (SOT), die weltweit größte toxikologische Gesellschaft, bestehend aus über 8.000 Wissenschaftler:innen aus 60 Ländern, die Präsidentin des Wissenschaftskonsortiums, Dr. Amy Clippinger, zur Gewinnerin des SOT Enhancement of Animal Welfare Award 2022. Dr. Clippinger erhielt die Auszeichnung für ihre Errungenschaften in der Förderung tierfreier Toxizitätstest-Methoden. Darüber hinaus wurden dem Konsortium mehrere Auszeichnungen der SOT zugesprochen, unter anderem für den besten wissenschaftlichen Beitrag des Jahres in der Kategorie tierfreie Methoden.
10 besondere Erfolge des Wissenschaftskonsortiums der vergangenen 10 Jahre
- Mit Hilfe des Wissenschaftskonsortiums konnte ein 3-D-Modell entwickelt werden, an dem sich die Auswirkungen von Chemikalien und anderen Substanzen auf den tiefsten Teil der menschlichen Lunge erforschen lassen. In Kombination mit weiteren tierfreien Versuchen hat das Modell das Potenzial, rund eine Million Tiere pro Jahr vor grausamen Versuchen zu bewahren, in denen sie toxische Substanzen einatmen müssen und dann getötet werden.
- Das Wissenschaftskonsortium finanzierte ein Projekt der Technischen Universität Braunschweig, in welchem menschliche Antikörper im Labor ohne den Einsatz von Tieren hergestellt werden konnten. Die Antikörper sind in der Lage, das Diphtherietoxin zu blockieren. Warum das relevant ist? Seit nunmehr 100 Jahren injiziert man Pferden wiederholt Diphtherietoxin und entnimmt dann alle vier Wochen große Mengen Blut, um die Antikörper zu gewinnen, welche die Krankheit bekämpfen. Dieses Projekt war ein wichtiger erster Schritt, um diese grausame Praxis zu stoppen.
- Das PETA-Wissenschaftskonsortium schloss sich mit einem Gleitmittel-Unternehmen zusammen und überzeugte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA, die Produkte auf Basis tierfreier Testergebnisse zu genehmigen. Eigentlich hätte die Behörde Tierversuche verlangt, in denen Kaninchen und Meerschweinchen Gleitmittel injiziert worden wären. Die positive Entscheidung der Behörde hat einen Präzedenzfall geschaffen, an dem sich andere Unternehmen orientieren.
- Gemeinsam veröffentlichten das PETA-Wissenschaftskonsortium und die US-amerikanische Umweltschutzbehörde EPA einen Beitrag, der neue Vorgaben zum Schutz von Vögeln nach sich zog. Die Autor:innen des Beitrags hatten Daten aus 20 Jahren analysiert und herausgefunden, dass die Behörde die Umwelt auch zuverlässig schützen kann, ohne dafür Vögel tagelang mit Pestiziden zu ernähren und dann töten zu lassen. Basierend auf der Analyse entschied die EPA, in Zukunft Hunderte Stockenten und Wachteln pro Jahr vor diesen Grausamkeiten zu bewahren.
- In Zusammenarbeit mit Fachleuten aus Regierung, Industrie und der akademischen Welt leitete das PETA-Wissenschaftskonsortium ein Projekt zur Entwicklung eines neuen Testansatzes für Chemikalien. Konkret ging es um das Potenzial der Chemikalien, Krebs zu verursachen. Die Ergebnisse des Projekts wurden in einer Fachzeitschrift veröffentlicht. Mittlerweile wird der neue Testansatz eingesetzt und bewahrt Hunderte Mäuse und Ratten vor grausamen Versuchen, bei denen den Tieren an jedem einzelnen Tag ihres Lebens Pestizide verabreicht werden, um herauszufinden, ob sie dadurch an Krebs erkranken. Die Anzahl der vor diesem Grauen bewahrten Tiere wird künftig noch weiter steigen.
- Nach jahrelangen Bemühungen durch Wissenschaftler:innen des Konsortiums akzeptiert das US-Transportministerium (DOT) nun endlich vollumfänglich tierfreie Methoden zur Prüfung ätzender Materialien. Die Behörde verlangt von Unternehmen, Chemikalien auf ihr Potenzial dauerhafter Hautschäden zu prüfen, bevor die Substanzen auf LKW, Zügen, Schiffen und in Flugzeugen durch das ganze Land transportiert werden. Die neue Regelung bewahrt viele Kaninchen vor Tests, in denen potenziell gefährliche Substanzen auf die rasierte Haut aufgetragen wurden, um zu sehen, ob Verbrennungen oder andere Hautschäden entstehen. Nun hält die Behörde alle Unternehmen dazu an, stattdessen moderne tierfreie Methoden zu nutzen.
- Das Wissenschaftskonsortium veröffentlichte in Zusammenarbeit mit der Regierung und der Industrie einen Fachbeitrag zu Augenirritationstests. Darin wurde kritisiert, dass neue Augenirritationstests noch immer im direkten Vergleich mit den Ergebnissen aus fehlerbehafteten Tierversuchen bewertet werden. Der Beitrag spricht sich deshalb für die Akzeptanz neuer Methoden, die keine lebenden Tiere nutzen, aus. Eine solche Veränderung würde geschätzte 600 Kaninchen im Jahr allein in den USA davor bewahren, die zum Teil reizenden Pestizide in ihre Augen geträufelt zu bekommen. Auf den Beitrag aufbauend veröffentlichten Wissenschaftler:innen des Konsortiums einen weiteren Artikel, in dem ein auf Humanbiologie und guter Wissenschaft aufbauendes Konzept beschrieben wird, mit dem Fachleute neue Methoden bewerten können, ohne Resultate aus unbrauchbaren Tierversuchen.
- Wissenschaftler:innen des Konsortiums lieferten neben weiteren Akteur:innen ausführliche Informationen für eine wegweisende Gesetzesänderung in den USA, den „Frank R. Lautenberg Chemical Safety for the 21st Century Act“ aus dem Jahr 2016. Es handelt sich dabei um einen Gesetzeszusatz zur Chemikalienverordnung der USA. Die bereitgestellten Informationen führten dazu, dass die US-Umweltschutzbehörde tierfreie Testmethoden entwickeln, priorisieren und nutzen muss, bevor Toxizitätstests an Wirbeltieren in Erwägung gezogen werden. Gleichzeitig setzen sich PETAs Fachleute in Europa dafür ein, dass behördlich geforderte Tierversuche im Kontext der REACH-Verordnung der EU immer weiter minimiert werden.
- Im Jahr 2021 beharrte die Europäische Chemikalienagentur darauf, dass eine in Wasch- und Reinigungsprodukten verwendete Substanz an Tieren getestet werden müsse. Das Wissenschaftskonsortium legte daraufhin bei der Widerspruchskammer der ECHA entscheidende Beweise vor, so dass die Tierversuche doch nicht eingefordert wurden. So wurden mindestens 505 Ratten und Fische vor den quälerischen Tests und dem sicheren Tod bewahrt. In einem anderen Fall aus dem Jahr 2018 unterband die ECHA-Berufungskammer einen verlangten Tierversuch, bei dem schwangeren Ratten oder Kaninchen hohe Konzentrationen eines kosmetischen Inhaltsstoffes verabreicht worden wären und man sie und ihre Ungeborenen im Anschluss seziert hätte. Das Wissenschaftskonsortium hatte erfolgreich argumentiert, dass die ECHA die Vorgaben der EU-Kosmetikverordnung nicht hinreichend beachtet hatte. Denn diese untersagen es Unternehmen, die Sicherheit ihrer Kosmetika mittels Daten aus Tierversuchen darzulegen.
- Unter anderem dem Zuspruch des PETA-Wissenschaftskonsortiums ist es zu verdanken, dass sich die Indian Pharmacopoeia Commission (IPC) für tierfreie Methoden öffnet. Die IPC ist eine indische Behörde, welche die im Land erforderlichen Medikamententests festlegt. Im Falle von Tests zur Feststellung fieberverursachender Schadstoffe in Medikamenten wird die Behörde den Unternehmen nun auch gestatten, tierfreie Methoden einzusetzen. Zudem strich die IPC nach einem Austausch mit dem PETA-Wissenschaftskonsortium eine überflüssige Forderung nach einem zusätzlichen Toxizitätstest für Impfstoffe. In diesem todbringenden Test werden Tausenden Meerschweinchen und Mäusen jedes Jahr Impfstoffe injiziert. Noch mehr Meerschweinchen konnten die Wissenschaftler:innen des Konsortiums im darauffolgenden Jahr retten: Nach Rücksprache mit PETAs Fachleuten ersetzte das Bureau of Indian Standards (eine Regierungsstelle, die für standardisierte Produkttests in Indien zuständig ist) einen grausamen Versuch durch einen tierfreien Ansatz. Bei dem ersetzten Tierversuch handelte es sich um einen Test zur Feststellung von Anthrax in Tiernahrung, bei dem Meerschweinchen gequält und getötet wurden.
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Schon seit 10 Jahren setzt sich das PETA Science Consortium International nun erfolgreich für die Förderung zuverlässiger, menschenrelevanter tierfreier Versuchsmethoden ein. Wir freuen uns schon auf die nächsten Jahre voller neuer Erfolge für die Tiere!
*Wenn für einen Zeitraum vor Dezember 2020 vom Wissenschaftskonsortium die Rede ist, bezieht sich die Aussage auf das PETA International Science Consortium Ltd.