Durch eine Whistleblowermeldung wurde PETA auf eine tierschutzwidrige Affenhaltung im Kreis Marburg-Biedenkopf aufmerksam gemacht. In einem Zwinger würde ein streng geschützter Berberaffe völlig isoliert von der Außenwelt an einer Leine mit Halsband gehalten werden. Gemeinsam mit dem Haustiermagazin HUNDKATZEMAUS (VOX) recherchierten wir in dem Fall und konnten eine grauenvolle Wahrheit ans Licht bringen.
Vor Ort stellte sich heraus, dass das Primatenmädchen tatsächlich allein unter extrem mangelhaften Bedingungen in einem kleinen Zwinger mit Leine und Halsband gehalten wurde. Die Tierschützer:innen konfrontierten den Halter und baten ihn um die Abgabe des Tieres in eine artgerechtere Unterbringung. Doch der Halter verneinte dies und erzählte, dass das Primatenmädchen bereits seit 20 Jahren in seinem „Besitz“ sei und als Handaufzucht großgezogen wurde. Dies sei auch dem Veterinäramt bekannt und die Haltung so genehmigt.
14-jähriges Affenmädchen vom dunklen Keller in den Zwinger am Haus
Aufgrund der klaren Missstände setzten sich die Tierschützer:innen mit den zuständigen Behörden und dem hessischen Ministerium in Verbindung. Darauf folgten Wochen des Bangens und Hoffens. Immer mehr Wahrheiten kamen ans Licht und immer klarer wurde, dass „Mimmi“ nicht seit 20 Jahren bei dem Halter lebte, sondern es sich hier um ein 14-jähriges Affenmädchen handelt, welches mehrere Monate zuvor über eine unbekannte Quelle an den Halter verkauft worden war. Erst wurde sie in einem dunklen Keller gehalten, dann aufgrund einer behördlichen Anordnung in den Zwinger, welcher sich direkt am Haus befindet, gesperrt. Regelmäßig wurde „Mimmi“ gezwungen, den Halter bei Touren mit dessen LKW zu begleiten. Vermutlich zur Belustigung der Menschen und zur Unterhaltung des Halters.
Gericht bestätigt: Halter erhält ein Tierhalteverbot für Primaten
Es folgte ein Beschluss der zuständigen Behörden zur Abgabe des Berberaffen in die Auffangstation AAP in den Niederlanden. Dies wollte der Halter nicht akzeptieren und zog mit dem Fall vor Gericht, um gegen die behördlich angeordnete Überführung zu klagen. In einem Eilverfahren entschied das Verwaltungsgericht Gießen, bestätigte die Entscheidung des Kreisveterinäramtes Marburg-Biedenkopf und verhängte gegen den Halter im Rahmen des Verfahrens zudem ein Tierhalteverbot für Primaten.
Die etwa 14 Jahre alte „Mimmi“, welche über Monate hinweg völlig isoliert von ihren Artgenossen gehalten wurde, wurde nun vor wenigen Tagen endlich befreit und wurde von Marburg in die niederländische Auffangstation Stichting AAP transportiert. Dort wird sie nach der Quarantäne behutsam und unter Begleitung von Expert:innen mit Artgenossen vergesellschaftet.
Keine Seltenheit: Primaten gelangen über den Schwarzmarkt nach Deutschland
Primatenhaltung ist in Deutschland keine Seltenheit. Bis heute gehören sie zu den am meisten gehandelten exotischen Säugetieren in Deutschland. Nicht selten werden die Tiere in der freien Wildbahn gefangen, ihre Familien getötet und die Jungtiere über den Schwarzmarkt nach Deutschland geschmuggelt, wo die Tiere oftmals ohne gesetzlichen Schutz völlig frei gehandelt werden dürfen. Das muss sich ändern! Gemeinsam mit der Auffangstation fordert PETA von der Bundesregierung die Einführung einer Positivliste für Tiere, die privat gehalten werden dürfen. Primaten und andere exotische Tierarten gehören nach Auffassung der Tierrechtsorganisation nicht auf die Liste.
Berberaffen in freier Wildbahn
In freier Wildbahn gibt es noch etwa 6.000 Berberaffen. Sie leben in einem kleinen Teil Marokkos und in Algerien sowie auf Gibraltar in sozialen Gruppen, die mehrere Dutzend Individuen umfassen können. Die Auffangstation AAP setzt sich mit einem Auswilderungsprojekt für den Schutz der Tiere auch vor Ort ein und ist auf die Resozialisierung und Vergesellschaftung der empfindlichen Primaten spezialisiert. „Mimmi“ erhielt in der Auffangstation nun den Affen „Izzy“ und darf in Kürze zu ihren Artgenossen.
Der Handel mit exotischen Tieren
In Deutschland ist der Handel mit und die Haltung von sogenannten Exoten in Privathand weitgehend unreglementiert. Wenn der Preis stimmt, werden auch streng geschützte und äußerst empfindliche Tierarten selbst an Laien verkauft. Durch die hohen Sterberaten als Folge der mangelhaften Haltung und Pflege bleibt die Nachfrage auf einem hohen Niveau. Eine Studie, die vom Bundesumweltministerium im März 2020 vorgestellt wurde, bestätigt, dass der Handel mit exotischen Wildtieren zum weltweiten Artensterben beiträgt.
Nicht erst seit der Coronakrise und den Affenpocken ist bekannt, dass exotische Tiere ein Reservoir für gefährliche Krankheitserreger sein können: Nach Deutschland werden jedes Jahr ganz legal Hunderttausende Wildtiere zusammengepfercht in engen Kartons und Käfigen für den Heimtiermarkt importiert, darunter ein hoher Anteil an Wildfängen. 75 Prozent der neu auftretenden Infektionskrankheiten haben einen tierischen Ursprung. Mit 72 Prozent resultiert der größte Teil dieser Zoonosen aus dem Kontakt zu wildlebenden Tierarten. Tiere wie Affen, Schlangen oder Schildkröten sind häufig mit ansteckenden Darmparasiten wie Würmern oder Giardien infiziert, die auch auf den Menschen übertragbar sind. Schätzungen des Robert Koch-Instituts zufolge rührt jede dritte Salmonelleninfektion bei Kleinkindern von dem Kontakt zu exotischen Reptilien her. [1]
Ein Beitrag über die Rettung des Berberaffen „Izzy“ läuft am 29. Oktober 2022 um 18 Uhr beim Haustiermagazin HUNDKATZEMAUS auf VOX.
Was Sie tun können
Finger weg von exotischen Wildtieren, die Ihnen zum Kauf angeboten werden! Sie können diesen Tieren niemals ein geeignetes Zuhause bieten.
Kaufen Sie niemals ein Tier in der Zoohandlung, im Internet oder Züchter:innen. Wenn Sie bereit sind, einen tierischen Mitbewohner aufzunehmen, besuchen Sie ein Tierheim und lassen Sie sich dort beraten.
Bitte setzen Sie sich mit uns für ein Heimtierschutzgesetz ein, das die Haltung von Wildtieren in Privathand verbietet, indem Sie unsere Petition unterschreiben.
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Quellen
[1] Robert Koch-Institut (2013): Salmonella-Infektionen bei Säuglingen und Kleinkindern durch Kontakt zu exotischen Reptilien. Epidemiologisches Bulletin. 4. März 2013 / Nr. 9.