Ein Gastblog von PETA-USA-Gründerin Ingrid Newkirk
Vermehrt ist das Thema der Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe den Medien zu entnehmen. Das stellt mich als Tierrechtlerin vor ein Problem, denn wie kann ich vor diesem Hintergrund über Diskriminierung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Spezies diskutieren?
Wenn Menschenrechte auf dem Spiel stehen, wird uns, die wir uns für die Tiere einsetzen, immer wieder gesagt, wir sollten gefälligst den Mund halten. Es gäbe keine Zeit, sich Gedanken über eine andere Spezies zu machen. Das Wichtigste sei, erst einmal die Probleme der Menschen in den Griff zu bekommen.
Aber wenn das Thema Rassismus an der Tagesordnung ist, dann können wir Tierrechte nicht auf die lange Bank schieben. Im Gegenteil: Diese Diskussion ist heute wichtiger als je zuvor. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Hassnachrichten, die Tierrechtsorganisationen wie PETA erhalten, zum überwiegenden Teil von bekennenden Sexisten, Homophoben, grinsenden Trophäen- und Hobbyjägern und von Menschen stammen, die mit den Fotos von toten Kaninchen und Kojoten, die sie erschossen haben, hasserfüllte Nachrichten verbreiten.
Wir wissen heutzutage so viel über die Intelligenz von Tieren und die Tierquälerei, die hinter Schlachthausmauern, in Zirkussen und bei der Trophäenjagd verübt wird, dass es einfach nicht richtig sein kann, all dieses Wissen zu ignorieren. Wenn wir diese Verpflichtung hingegen als solche anerkennen, können wir unter Umständen sogar etwas über die Art und Weise lernen, wie wir diejenigen behandeln sollten, die uns am nächsten stehen.
Henry Bergh, Gründer der US-Tierschutzorganisation ASPCA, der einst den ersten Fall von Kindesmisshandlung vor Gericht brachte und gewann, sagte: „Ein Kind zu lehren, nicht auf eine Raupe zu treten, ist für das Kind genauso wertvoll wie für die Raupe.“ Als Dr. Martin Luther King Jr. wegen seiner Missbilligung des Vietnamkriegs kritisiert wurde (und zwar von jenen, die der Meinung waren, er solle seinen Aktivismus einschränken und sich nur auf den Kampf gegen die Rassendiskriminierung konzentrieren), erklärte er: „Ungerechtigkeit irgendwo ist eine Bedrohung der Gerechtigkeit überall.“
Mobbing und Gewalt machen weder vor Herkunft noch Geschlecht halt und treffen nicht nur Menschen.
Wenn es je einen richtigen Zeitpunkt gab, um uns näher mit der Frage auseinanderzusetzen, warum wir Praktiken und Überzeugungen ablehnen, die zu Respektlosigkeit gegenüber anderen und zur Diskriminierung von anderen führen – ganz gleich, ob es sich dabei um Frauen, Menschen mit Behinderungen, Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und Religion oder um andere Lebewesen handelt – dann ist das jetzt.
Wenn man sich alte Filme wie etwa „Der dünne Mann“ (Originaltitel: The Thin Man) anschaut, kommt man aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Szene für Szene zeigt diese Komödie, dass Entscheidungen ausschließlich von Männern getroffen werden, dass Frauen wie Püppchen und Schätzchen behandelt und auch so bezeichnet werden, dass schwarze Männer lediglich als unterwürfige Schuhputzer oder Kellner zu sehen sind, dass schwarze Frauen nur als Hausmädchen auftreten oder dass Asiaten klischeehafte Sätze von sich geben müssen.
Die meisten von uns schämen sich für die begrenzte Sichtweise, die in der damaligen Zeit über „andere“ vorherrschte. Wir sind froh, dass diese Zeiten hinter uns liegen. Wie können wir es also rechtfertigen, andere empfindungsfähige, denkende, fühlende lebende Wesen als Essen auf Beinen, als künftige Handtaschen, als billige Alarmanlagen und als Sklaven zu behandeln, wie es heutzutage vielfach getan wird? Wir können es NICHT rechtfertigen – und darum ist eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Thema Vorurteile unumgänglich.
Der langjährige PETA-Unterstützer Russell Simmons sagte: „Ich wurde vor mehr als 15 Jahren vegan, denn Grausamkeit ist und bleibt Grausamkeit – ganz gleich, ob es sich um Grausamkeit gegenüber schwarzen oder weißen Menschen, Kindern, älteren Menschen, Hunden, Katzen, Schweinen oder Hühnern handelt.“ Damit schließt er sich den Worten des Nobelpreisträgers Isaac Bashevis Singer an, dessen Familie vor dem Holocaust flüchtete, und der einst sagte: „Ich bin nicht Vegetarier geworden, um etwas für meine Gesundheit zu tun. Ich habe es für die Gesundheit der Hühner getan.“
Und die US-amerikanische Schriftstellerin und politische Aktivistin Alice Walker schrieb: „Die Tiere dieser Welt existieren um ihrer selbst willen. Sie sind genauso wenig für Menschen da, wie Schwarze für Weiße oder Frauen für Männer erschaffen wurden.“
Vor einigen Jahren unterzeichneten mehr als ein Dutzend namhafte Wissenschaftler und Philosophen die sogenannte „Cambridge Declaration on Consciousness“. Darin rufen sie die Menschheit dazu auf, die Rechte nicht-menschlicher Tierarten anzuerkennen: „Die gewichtigen Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass Menschen nicht die einzigen Lebewesen sind, die die neurologischen Grundlagen für das Hervorbringen von Bewusstsein besitzen. Nichtmenschliche Tiere wie Säugetiere und Vögel sowie viele andere Geschöpfe, einschließlich Tintenfische, verfügen ebenfalls über diese neurologischen Grundlagen.“
Befürworter von Tierrechten pflichten gerne den Worten der Bürgerrechtsaktivistin und Feministin Audre Lorde bei: „Es gibt keinen Ein-Thema-Kampf, denn wir führen kein Ein-Thema-Leben.“
Menschen wie wir, die sich dafür einsetzen, Vorurteile gegenüber Tieren auszuräumen, treten auch für Menschenrechte ein und widersetzen sich von Hass getriebenen Gruppierungen. Wir wissen, dass Vorurteile in all ihren hässlichen Formen falsch sind. Es spielt keine Rolle, wer das Opfer ist: Wenn wir Unterdrückung beobachten, sollten wir stets dagegen ankämpfen.