Von wegen „Vorzeige-Zoo“ Leipzig: Erschreckende Aufnahmen eines Whistleblowers zeigen erneut, wie sehr Tiere im Zoo leiden – egal, unter welchen Bedingungen sie eingesperrt werden.
Orang-Utan übergibt sich sieben Mal in 10 Minuten
Die Aufnahmen, die uns bei PETA Deutschland im November 2022 zugespielt wurden, zeigen eine Orang-Utan-Frau, die ihr Erbrochenes isst – eine Verhaltensstörung, unter der ein Großteil der Menschenaffen in Zoos leidet. Laut dem Augenzeugen soll sich das Tier innerhalb von 10 Minuten ganze sieben Mal übergeben und anschließend sein Erbrochenes wieder gegessen haben.
Verhaltensstörung: Warum essen Affen ihr Erbrochenes?
Das Essen des eigenen Erbrochenen kann bei Menschenaffen in Gefangenschaft häufig beobachtet werden. Die abnormale Verhaltensweise wird auf die Langeweile und Beschäftigungslosigkeit in Zoogefangenschaft zurückgeführt und kann auch körperliche Erkrankungen zur Folge haben. [1-2] Viele Primaten in Zoos nehmen ihr Erbrochenes oder ihren eigenen Kot auf, verletzen sich selbst, reißen sich die Haare aus oder wippen unaufhörlich hin und her. [1-6]
All diese Verhaltensstörungen sind ein Ausdruck schweren seelischen Leids und zeigen, wie schlecht es den Tieren geht. Die Bedürfnisse von Menschenaffen sind so komplex, dass ihnen kein Zoo einen artgerechten Lebensraum bieten kann. Für sie ist es psychisch extrem belastend, lebenslänglich eingesperrt zu sein.
Immer wieder Tierleid und Missstände im Zoo Leipzig
Das sogenannte Pongoland im Leipziger Zoo gilt als „vorbildlich“, was die Menschenaffenhaltung angeht. 2021 wurden dort auf insgesamt rund 30.000 Quadratmetern 52 Menschenaffen eingesperrt, darunter acht Orang-Utans, 26 Schimpansen, 12 Bonobos und 6 Gorillas. Damit gilt sie als größte Menschenaffenanlage der Welt. [5, 6] Dass auch in einer vermeintlich „guten“ Einrichtung Verhaltensstörungen auftreten, zeigt, dass die Haltung von Menschenaffen in zoologischen Einrichtungen grundsätzlich nicht artgerecht umsetzbar ist. Auch neuere und für den Menschen „schön“ gestaltete Gehege bedeuten für Menschenaffen ein Leben in auswegloser, eintöniger Gefangenschaft.
Bei genauerem Hinsehen zeigt sich auch, dass trotz für Zoobesucher:innen zunächst weitläufig klingender Flächenangaben auch hier die Haltung beengt und nicht artgemäß ist – besonders die Innenanlage, in der die Orang-Utans vor allem im Winter die meiste Zeit verbringen müssen. Dort stehen ihnen nur 185 Quadratmeter zur Verfügung. [7] In freier Wildbahn leben Orang-Utans überwiegend einzelgängerisch und ein einziges männliches Tier bewohnt ein Gebiet von bis zu zehn Quadratkilometern. In Zoos werden die Tiere gezwungen, in Gruppen auf engstem Raum zusammenzuleben.
Im Leipziger Zoo wurden bereits häufig Tierleid und Missstände dokumentiert. So starb im September 2022 Schimpanse Robert, nachdem er vor den Angriffen seiner Artgenossen floh und in einem Wassergraben ertrank. Auch starben allein 2020 zwei Orang-Utan-Babys überraschend und an ungeklärten Ursachen. Im selben Jahr transportierte der Zoo außerdem zwei Orang-Utans in einen fragwürdigen Safaripark in Vietnam, wo die Tiere zur Zucht missbraucht werden sollen. Solche Transporte und Ortswechsel bedeuten für die sensiblen Primaten enormen Stress.
Menschenaffen gehören nicht in Zoos
Menschenaffen sind unsere nächsten Verwandten. Genau wie wir Menschen gehören sie nicht in Zoos, wo sie eingesperrt und zur Schau gestellt werden. Zoos leisten auch keinen Beitrag zum Artenschutz, da die in Deutschland gezüchteten Tiere nicht ausgewildert werden. Sie können in Gefangenschaft wichtige Verhaltensweisen nicht lernen, die sie in freier Wildbahn zum Überleben bräuchten.
Es wird Zeit, dass wir anerkennen, dass Menschenaffen ebenso wie alle Tiere ein Recht auf ein selbstbestimmtes und friedliches Leben in Freiheit haben. Die Haltung der Tiere im Zoo muss auslaufen und für immer beendet werden.
Helfen Sie den Tieren
Unterschreiben Sie unsere Petition für ein Ende der Menschenaffenhaltung in deutschen Zoos und tragen Sie dazu bei, dass die sensiblen Tiere nicht länger gezüchtet werden, um in Gefangenschaft zu leiden.
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Quellen
[1] Hill, S. (2018). ‘Regurgitation and reingestion’ (R/R) in great apes: a review of current knowledge. International Zoo Yearbook. 52. 10.1111/izy.12204.
[2] Wallace, E. et al. (2019). Exploration of potential triggers for self-directed behaviours and regurgitation and reingestion in zoo-housed chimpanzees. Applied Animal Behaviour Science. 221. 104878. 10.1016/j.applanim.2019.104878.
[3] Cassella, C. et al. (2012). Prevalence of Regurgitation and Reingestion in Orangutans Housed in North American Zoos and an Examination of Factors Influencing its Occurrence in a Single Group of Bornean Orangutans, Zoo biology, 31. 609-20. 10.1002/zoo.21000
[4] Birkett, L.P./Newton-Fisher, N.E. (2011): How Abnormal Is the Behaviour of Captive, Zoo-Living Chimpanzees? PLoS ONE 6(6): e20101. doi:10.1371/journal.pone.0020101
[5] Jacobson, S.L. et al. (2016): Characterizing abnormal behavior in a large population of zoo-housed chimpanzees: prevalence and potential influencing factors, PeerJ 4: e2225, https://doi.org/10.7717/peerj.2225 (eingesehen am 11.11.2022)
[6] Akers, J. & Schildkraut, D. (1985): Regurgitation/Reingestion and coprophagy in captive gorillas, Zoo Biology – ZOO BIOL. 4. 99-109, 10.1002/zoo.1430040203
[7] Zoo Leipzig (12.04.2021): Großes Jubiläum – 20 Jahre Pongoland Menschenaffen, Wissenschaft und Forschung unter einem Dach, https://www.zoo-leipzig.de/artikel/grosses-jubilaeum-20-jahre-pongoland-menschenaffen-wissenschaft-und-forschung-unter-einem-dach-1091/ (eingesehen am 11.11.2022)
[8] Deutschlandfunk (02.04.2001): Affenparadies „Pongoland“, https://www.deutschlandfunk.de/affenparadies-pongoland-100.html (eingesehen am 11.11.2022)
[9] Wikipedia: Wolfgang-Köhler-Primaten-Forschungszentrum, https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang-K%C3%B6hler-Primaten-Forschungszentrum (eingesehen am 11.11.2022)