Ralf Blum legte 1990 das Examen zum Physiotherapeuten ab und begann kurz danach die Arbeit in einem Rehabilitationszentrum. Seit 1996 führt er gemeinsam mit seinen Partnern Thilo Grimpe und Hagen Kraus eine eigene Gemeinschaftspraxis für Physiotherapie. Seit 2012 ist er zusätzlich als Heilpraktiker auf dem Gebiet der Physiotherapie qualifiziert. Gemeinsam mit Andreas Ahlhorn hat er das Konzept des „Medical-Flossing“ entwickelt und wirkt hier als Referent.
Seit Beginn seiner Arbeit als Physiotherapeut betreut Ralf Fußballer. Zunächst bei den A-Junioren, in der Bezirksklasse und der Bezirksoberliga, später dann auch in der Bundesliga. Seit 2007 ist Ralf Chef-Physiotherapeut beim Bundesliga-Erstligisten Hannover 96.
Ralf Blume versteht sich als Botschafter für die vegane Lebensweise. Er möchte verbinden, was momentan getrennt ist. aufwerten, was momentan entwertet ist, und versöhnen, wo momentan verurteilt wird. Diese Grundsätze vertritt er in seinem persönlichen und beruflichen Umfeld genauso, wie in den sozialen Medien.
Welche Gründe, haben dich dazu bewogen, zur veganen Lebensweise zu wechseln?
Ein lupenreines Gewissen hatte ich schon längere Zeit nicht mehr beim Konsum von Fleisch, Milch, Eiern und Käse. Ich habe es mir tatsächlich schöngeredet, dass Tiere für meine Steaks oder Burger ihr Leben lassen mussten.
Anfang 2013 teilte mir dann ein sehr geschätzter Kollege mit, dass er keine tierischen Produkte mehr konsumieren würde. Das traf bei mir erst auf Verwunderung, weckte dann aber mein Interesse. Er schickte mir Links zu den Videos von Gary Yourofsky und empfahl mir die Dokumentation Earthlings. Das habe ich mir dann alles im Mannschaftshotel angesehen und am nächsten Tag war ich Vegetarier, eine Woche später Veganer. Es war wohl einfach an der Zeit, diesen Schalter in mir umzulegen.
Zu Beginn ging es mir dabei wirklich ausschließlich um die Tiere. Erst später und nach intensivem Kontakt mit dem Thema erschlossen sich mir dann auch die Bereiche Gesundheit und Ökologie.
Welche Auswirkungen hatte der Wechsel zur veganen Lebensweise auf dich und dein Leben?
Nach drei Tagen war meine Birne komplett klar! Es fühlte sich an wie ein Schleier, der von meinen Augen genommen wurde. Ich war wacher, bewusster und hatte deutlich mehr Energie. Nun bin ich fünf Jahre älter, aber geändert hat sich daran bis heute nichts!
Was mir zu Beginn noch schwer fiel, war der „Verzicht“ auf die obligatorische Bratwurst am Baumarkt oder den schnellen Burger zwischendurch. Das hat sich aber sehr schnell erledigt, denn alte Gewohnheiten lassen sich ganz einfach durch neue ersetzen.
Anfangs war natürlich das Lesen der Etiketten in den Bioläden und Supermärkten schon zeitintensiv. Es hat mir aber auch unheimlichen Spaß gemacht, weil so von Tag zu Tag mein Wissen über Ernährung und die tieferen Zusammenhänge wachsen konnte.
Ansonsten gab es nicht einen negativen Aspekt! Im Gegenteil – alles wurde besser. Ich war von nun an der, der bei uns zuhause kochte, und die ganze Familie wollte integriert werden! Aus den Abenden vor dem Computer oder Fernseher wurden Familienabende in der Küche und am Esstisch. Entweder wird geholfen oder geredet. Unser Familienleben hat der Wechsel zur bewussten veganen Lebensweise nachhaltig bereichert.
Wie gehst du mit Menschen um, die nicht vegan leben?
Im ersten Jahr war ich radikal missionarisch unterwegs. Auch dank der Hilfe meiner Frau und meiner Kinder habe ich aber irgendwann erkannt, dass ich damit eher weniger als mehr Menschen erreichen und für die vegane Lebensweise interessieren und begeistern konnte. Also stellte ich um.
Statt Schockvideos teilte ich von nun an Kochvideos. Statt Schockbildern gab es Food-Pics von leckeren veganen Gerichten. Und aus Verurteilung und Besserwisserei wurde respektvolle Aufklärung auf Augenhöhe. Damit fuhr ich deutlich besser und erreichte die Menschen nachhaltig und ohne Konflikte auszulösen. Aber klar, ab und an haue ich schon noch mal was Unangenehmes raus, aber das muss manchmal einfach sein. Denn auch so erreicht man den einen oder anderen. Ich selbst bin ja auch nicht wegen der Kochvideos zum Veganer geworden, sondern wegen Filmen wie Earthlings.
Als Heilpraktiker und Physiotherapeut hilfst du deinen Patienten bei der Bewältigung von Verletzungen und Erkrankungen. Setzt du die (vegane) Ernährung zu diesem Zweck ein? Wie sieht das konkret aus und welche Erfahrungen hast du damit gemacht?
Das mache ich kurioser Weise schon seit meiner Ausbildung zum Sportphysiotherapeuten Anfang der 90er Jahre. Denn da wurde uns bereits die Verbindung zwischen tierischen Proteinen und der Verzögerung der Wundheilung oder rheumatischen Erkrankungen dargestellt. In der Praxis sah das damals so aus, dass ich Patienten, die wegen dieser Beschwerden zu mir kamen, empfohlen habe, für 6-8 Wochen zumindest auf Milchprodukte, im Idealfall aber auf alle Produkte tierischen Ursprungs zu verzichten. In der Regel mit sehr guten Resultaten!
Heute kennen fast alle meine Patienten meine Einstellung, und ich halte mich nicht zurück, alle Zusammenhänge in der Therapie ganz offen anzusprechen.
Krankheit und Gesundheit haben auch immer etwas mit Bewusstsein zu tun. Mir begegnen immer wieder Menschen, die – so komisch das vielleicht klingen mag – ihre Erkrankung tatsächlich eine Zeit lang einfach erleben wollen. Sie setzen sich intensiv mit der Frage auseinander, was ihr Körper ihnen zu sagen versucht. Nicht jeder ist bereit dafür, seine eigene Verantwortung zu erkennen und im nächsten Schritt auch anzunehmen. Da kannst du als Mediziner sagen, was du willst. Du dringst in diesem Moment einfach nicht durch. Ich habe gelernt, dies anzunehmen und die betreffenden Menschen dann in ihrer jetzigen Situation und auch der Ablehnung gegenüber bestimmten Dingen (oder sogar sich selbst) einfach sein zu lassen.
Wo siehst du konkrete Vorteile dieser Lebensweise gerade für Sportler? Gibt es aus deiner Sicht auch Nachteile?
Kurze Antwort: Es gibt keine Nachteile! Alle mir bekannten veganen Sportler „klagen“ über die gleichen Dinge: bessere mentale Konstitution, schnellere Regeneration, erhöhte körperliche Fitness, einen interessanteren und vielseitigeren Speiseplan und ein deutlich gesteigertes Lebensgefühl und Körperbewusstsein.
Und wie stehst du zu Alternativprodukten für Fleisch, Milch, Käse und Eier?
Da ich der Tiere wegen Veganer wurde und nicht, weil mir das Essen bis dahin nicht geschmeckt hatte, habe ich kein Problem damit, sogenannte Imitate zu essen! Ich habe Burger geliebt – und liebe sie immer noch. Jetzt aber aus tierleidfreien Zutaten! In der Anfangszeit hat es uns den Umstieg erleichtert, veganen Käse oder Weizensteaks oder auch Würstchen zu essen. Vor fünf Jahren war das Angebot noch deutlich kleiner als heute und der Geschmack dieser Produkte in weiten Teilen ziemlich furchtbar. Mittlerweile gibt es aber so tolle Dinge in den Regalen der Bio- und Supermärkte, dass wirklich für jeden Geschmack das Richtige dabei ist.
Richtig dankbar bin ich dafür, dass ich meine alten Lieblingsrezepte, wie z. B. für Spaghetti Bolognese, nun vegan kochen kann, ohne Geschmackseinbußen hinnehmen zu müssen. Und Kuhmilch braucht nun wirklich kein Mensch mehr! Die weißen Pflanzensäfte sind so unglaublich lecker, dass ganz sicher für jeden Geschmack und jede Gelegenheit das Passende dabei ist.
Was möchtest du Menschen, die über den Umstieg auf eine rein pflanzliche Ernährung nachdenken, auf alle Fälle mit auf den Weg geben?
Es gibt keine Verlierer bei der rein pflanzlichen Lebensweise! Es gewinnen einfach alle! Körper, Geist und Seele genauso wie der Planet, die Tiere und ja, selbst die Bauern!
Vegan zu leben hat rein gar nichts mit Verzicht zu tun. Es ist auch lange nicht so kompliziert, wie es häufig zu lesen ist. Selbst ein „ungesund“ lebender Currywurst-Pommes-Veganer weiß am ersten Tag, dass er B12 nun selbst zuführen muss, statt es über die Kuh oder das Schwein zu bekommen. Und damit beginnt ganz automatisch ein toller Prozess: die Steigerung der Eigenverantwortung. Man lebt bewusst und wird sich in der Konsequenz auch über sich selbst bewusst. Welch großartige Möglichkeiten bieten sich dem, der diese Verantwortung annimmt, anstatt sie vom Politiker, von den Krankenkassen, in der Apotheke oder in der Arztpraxis einzufordern.
Was hältst du von Nahrungsergänzungsmitteln?
Über Supplemente kann man – mit wenigen Ausnahmen (z. B. B12 oder D) – diskutieren. Die Auffassungen sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sie vertreten. Mit steigender körperlicher Belastung müssen natürlich gerade Sportler das Optimum herausholen. Wenn alle anderen Faktoren wie Training, Regeneration, Schlaf, Ernährung und sogar die psychische und mentale Balance ausreichend berücksichtigt wurden, können Supplemente unter Umständen den letzten kleinen Unterschied machen. Sie sind in meinen Augen aber allerhöchstens für den Feinschliff geeignet und machen wirklich nur Sinn, wenn zuvor eine solide Basis geschaffen wurde.
Ich vergleiche das gerne mit dem Automobil: Macht es Sinn, einem Auto, dessen Räder und Getriebe nicht gepflegt werden, ein Chiptuning zu verpassen? Nicht wirklich, oder? Entscheidend hierbei ist die Qualität und Zusammenstellung der Lebensmittel. Je reichhaltiger der Speiseplan, desto weniger Supplemente halte ich persönlich für notwendig. Bio sollte heutzutage einfach Standard sein, darüber diskutiere ich auch nicht mehr.
Du arbeitest nicht nur mit Sportlern, du bist auch selbst sehr aktiv. Wie sieht dein eigenes Training aus und welche Ziele verfolgst du?
Ich bin leidenschaftlicher Mountainbiker und nahezu täglich in unserem norddeutschen Höhenzug „Deister“ unterwegs. Ich esse gerne und auch oft mehr, als ich verbrennen kann. Und weil ich dann auch dazu neige, den Energieüberschuss zu speichern, bin ich auch periodisch immer wieder in der Eisenkammer, um den körpereigenen Hochofen am Laufen zu erhalten und körperlich den Erwartungen des Lebens gerecht zu sein. Für Geist und Seele meditiere ich und wandele in Wald und Flur!