Kommentar: Thomas und Lisa Müller gefährden sogenannten Zuchthengst

Teilen:

Wenn sich die Chefredaktion eines Fachmediums zu einem unserer Berichte persönlich zu Wort meldet, sind wir meist hocherfreut. Denn das bedeutet, dass sich der jeweilige Fachbereich mit der Thematik auseinandersetzt – und das ist erst einmal gut. Im Fall des Kommentars von Jan Tönjes, Chefredakteur von St.GEORG, ist unsere Message jedoch nicht angekommen. [1] Denn ja, Tierliebe ist nicht gleich Tierliebe. Und nur weil es Menschen „gut“ mit Tieren meinen, heißt das nicht, dass sie es auch gut machen.

Hintergrund: Sogenannter Zuchthengst D‘avie stürzt bei Deckakt

Unkastrierte männliche Pferde, die für die Zucht genutzt werden, werden für den Deckakt in der Regel an sogenannten Besamungsattrappen eingesetzt. Das bedeutet, dass sie mittels Geruch oder Vorführen einer rossigen Stute auf eine Attrappe, das sogenannte Phantom, geführt werden, die sie dann bespringen und in einen Plastikbehälter „absamen“. Der Samen wird von dort „entnommen, fachgerecht eingelagert und daraufhin bei Stuten eingesetzt“. Diese werden meist mehrmals künstlich befruchtet – ob sie wollen oder nicht. Tierärztliches Personal oder andere befugte Personen greifen hierzu mit einer Hand in die Vagina der Tiere, mit der anderen Hand wird der vorbereitete Samen mittels Pipette in die Gebärmutter des Pferdes eingebracht. Teilweise werden die Stuten während ihrer paarungsbereiten Phase täglich besamt. [2] Eine andere Möglichkeit besteht darin, Sperma-Kapseln mit einem Katheter direkt in die Gebärmutter einzuführen.

Beim Einsatz der Attrappen kommt es immer wieder zu Verletzungen, weil die Hengste ausrutschen, stürzen oder zu aufgeregt sind. Im Zweifel können sie auch Menschen Schaden zufügen. Für die Stuten besteht bei jedem einzelnen „Eingriff“ das Risiko, dass Keime in den Genitaltrakt gelangen und zu schweren gesundheitlichen Problemen führen können.

Der Bundesliga- und Nationalspieler Thomas Müller und seine Frau Lisa, beide selbst ernannte bekennende Pferdeliebhaber, halten Pferde – darunter auch der Hengst D’avie, der sich bei einem Deckeinsatz am Huf verletzte und vorerst ausfällt. Dabei fällt D’avie nicht nur für die Zucht, sondern auch in seinem alltäglichen Leben aus. Denn Verletzungen bedeuten für Pferde oftmals verminderte Bewegung und keinen Weide- oder Paddockgang – und damit verbunden langes, aber vermeidbares Leid.

Jan Tönjes: „Ich war mehrfach bei den beiden, habe sie mit den Tieren gesehen.“ [1]

Dass Jan Tönjes die beiden Prominenten besucht und ihnen die Pferdeliebe bescheinigt hat, ist natürlich erst einmal eine Ausgangslage, mit der wir uns beschäftigen müssen. Schließlich unterstellt er uns von PETA Deutschland, wir seien eine „selbst ernannte“ Tierschutzorganisation – was auch immer das bedeuten mag. Wenn eine Person, deren fachlichen Hintergrund wir zugegebenermaßen nicht kennen, zwei Menschen, die ihre Pferde vielleicht lieben aber dennoch ausbeuten, Tierliebe bescheinigt – ja, dann ist alles klar. Was hier aber nicht erwähnt wird, ist, dass vor allem zur Zucht eingesetzte Pferde meist in Boxenhaltung leben, wenig Kontakt zu Artgenossen haben und als Sperma- oder Gebärmaschinen ausgebeutet werden – obwohl ein soziales Miteinander für die sensiblen Herdentiere besonders wichtig ist.

Kurz zur Klärung: Wir sind selbst ernannt im Einsatz für die Tiere. Wir haben nichts gegen Pferde, Thomas Müller oder Lisa Müller. Wir betreiben Aufklärungsarbeit und hinterfragen öffentlich Themen, um zur Veränderung beizutragen. Bestes Beispiel: Annika Schleu und Saint Boy. Wir wollen das Fass nicht erneut aufmachen, aber solange die Öffentlichkeit nicht über solche Themen spricht, ändert sich auch nichts. Dass Pferde längst nicht mehr in viel zu enge Boxen gehören, ist vielen Menschen klar – aber an der Umsetzung hapert es noch. In etlichen Freizeit- und Sportställen leben und leiden Pferde auch heutzutage noch in Boxenhaltung, haben keinen ausreichenden Kontakt zu Artgenossen, werden für den „Sport“ missbraucht und daran gehindert, ihre natürlichen Verhaltensweisen auszuleben.

Für uns von PETA ist klar: Wir erheben unsere Stimme für die, die von der Gesellschaft oft nicht gehört werden. Wir hinterfragen kritisch, liefern Lösungsansätze und arbeiten mit einem Team aus studierten und examinierten Fachreferenten – auch im Bereich Pferde. Die Skandale im sogenannten Reitsport um Schleu, Schockemöhle und Co. zeigen, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt, sondern dass Missbrauch untrennbar mit dem professionellen Pferdesport in Verbindung steht. Pferde sind hochsensible und intelligente Tiere. Es ist in unserer modernen Welt moralisch nicht vertretbar, fühlende Lebewesen einem solchen Zwang auszusetzen. Daher ist es dringend erforderlich, dass wir umdenken und unseren Umgang mit Pferden grundlegend ändern.

Sogenannte Zuchthengste werden für den Profit ausgebeutet

Herr Tönjes schreibt, dass er sich übergeben müsse, da ihm so schlecht sei. Wir wünschen ihm gute Besserung. Uns ist übrigens auch schlecht, Herr Tönjes – nämlich wegen der Bedingungen, unter denen Pferden auch im Jahr 2022 noch leiden müssen. Übrigens, wozu wird ein, wie Sie es sagen, Pferd, das für einen siebenstelligen Betrag erworben wurde, Ihrer Meinung nach eingesetzt? Ja, um den finanziellen Einsatz zurückzuerhalten und mit dem „Genmaterial“ weitere Tiere zu vermehren, die oftmals unter ähnlichen Bedingungen fristen und leiden – und das ein Leben lang. Oftmals auch nur ein kurzes Leben lang, weil sie die Ausbeutung und den Missbrauch durch den Menschen nicht hinnehmen und ihnen standhalten können.

Wenn Pferde als Investitions- und Wertanlagen betrachtet werden, dann ist es doch nur logisch, dass der finanzielle Einsatz ausgeglichen oder bestenfalls erhöht werden soll. Aber ist es zeitgerecht, empfindungsfähige Lebewesen aus Profitgründen zu halten und zu finanziellen Zwecken einzusetzen?