Koalitionsvertrag: Alle Tierschutz-Vereinbarungen im Check

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Die neue Ampel-Regierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP hat ihren Koalitionsvertrag veröffentlicht. Dieser beinhaltet wichtige Einzelmaßnahmen für die Tiere, wie die Überarbeitung des Tierschutzgesetzes sowie der Brandschutzvorschriften in Ställen und die Konkretisierung des Qualzuchtparagrafen. Das ist positiv, allerdings handelt es sich dabei um längst überfällige Tierschutzmaßnahmen, die vergangene Bundesregierungen ignoriert und teils sogar aktiv blockiert haben.

Wir von PETA Deutschland haben den neuen Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung genau untersucht und uns angesehen, was die Maßnahmen für die Tiere bedeuten. Neben einzelnen positiven Maßnahmen signalisieren die Pläne leider keinen grundlegenden Wandel.

Viele Einzelmaßnahmen – keine umfassende Besserung für Tierrechte

Den großen Wurf für ein Ende oder wenigstens eine spürbare Verminderung der millionenfachen systematischen Tierausbeutung in der Landwirtschaft beinhalten die Ankündigungen nicht. Sogar Langstrecken-Tiertransporte in Drittländer sollen explizit erlaubt bleiben. Viele Formulierungen sind schwammig gehalten und lassen Raum, die Maßnahmen mehr oder weniger strikt umzusetzen. Beispielsweise wurde eine „Positivliste“ für Wildtiere im Zirkus gefordert anstelle eines kompletten Verbots. Insgesamt wird deutlich, dass die Ampel-Koalition Tiere offenbar als Objekte ansieht, die Menschen zu ihrem Nutzen zur Verfügung stehen – und das ist enttäuschend.

Das bedeuten die Änderungen im Tierschutzgesetz für die Tiere

Was die einzelnen Maßnahmen konkret für die Tiere bedeuten und an welchen Stellen sich dringend noch mehr tun muss, lesen Sie im Folgenden.

  • Tierversuche

    Wir begrüßen, dass die neue Koalition sich konkret an die Reduzierung von Tierversuchen macht und die Forschung an Alternativen und deren Umsetzung verstärken will. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

    Allerdings hätten wir uns bezüglich des Ausstiegs aus Tierversuchen mehr Verbindlichkeit gewünscht (so wie in den Wahlprogrammen von Grünen und SPD angekündigt). Wir fordern, dass es in der kommenden Legislaturperiode nicht nur bei einer Reduktion bleibt, sondern auf das letztendliche Ziel – Tierversuche komplett zu ersetzen – hingearbeitet wird.

    Tierversuche an verschiedenen Tierarten

  • Tiere in der Landwirtschaft

    Es ist ein Armutszeugnis, dass Langstrecken-Tiertransporte in Länder außerhalb der EU weiterhin erlaubt sein sollen. Unzählige TV-Recherchen bestätigen das Leid der Tiere auf den tagelangen oder teils wochenlangen Transporten seit Jahrzehnten. Die Tierproduktion wird mit Milliardensummen subventioniert. Damit wird eine umwelt- und tierfeindliche Industrie künstlich am Leben erhalten. Eine bedeutende Umlenkung der Subventionen in die Pflanzenproduktion, wie wir von PETA fordern, ist im Koalitionsvertrag nicht enthalten – ebenso wenig wie Maßnahmen für eine spürbare Reduktion der Tierbestände oder der systembedingten Quälereien in den Schlachthäusern.

    Schweine im Transporter

  • Pelz

    Im Koalitionsvertrag steht: „Wir setzen uns für ein EU-weites Verbot der Haltung und Zucht von Pelztieren ein.“

    Das begrüßen wir außerordentlich – nicht nur aus Tierschutzaspekten, sondern auch aus dem Blickwinkel der Gefahrenprävention. Pelzfarmen stellen ein unberechenbares Risiko für die öffentliche Gesundheit dar, da sich dort das Coronavirus rasant ausbreiten, mutieren und auf den Menschen überspringen kann. Mutationen bergen die Gefahr, dass Impfstoffe an Wirksamkeit verlieren.

    Deshalb muss sich die neue Bundesregierung konsequent für ein sofortiges Pelzfarmverbot auf EU-Ebene einsetzen und zudem umgehend anderen Ländern mit Vorbildcharakter wie beispielsweise Frankreich folgen und ein nationales Pelzfarmverbot in Deutschland einführen. Zudem fordern wir, für Deutschland und in der gesamten EU ein Pelzhandelsverbot einzuführen.

    Nerz gefangen im Käfig auf einer Pelzfarm

  • Wildtiere / Jagd / Angeln

    Obwohl das Bundesjagdgesetz dringend reformiert werden müsste, wurde das Thema Jagd im Koalitionsvertrag komplett ausgeblendet. Das ist eine herbe Enttäuschung. Nicht einmal längst überfällige Tierquälereien wie die Jagd mit Totschlagfallen, die schon in vielen Bundesländern verboten ist, wurden adressiert. Es braucht ein Verbot der Hobbyjagd, ebenso sollte die Jagd auf Vögel und Beutegreifer wie Füchse und Marder untersagt werden.

    Außerdem ist dieser Satz im Koalitionsvertrag zu finden, der jedoch Tierquälerei befürwortet: „Wir erkennen die Leistung der Anglerinnen und Angler für den Natur- und Artenschutz an.“ Angeln bedeutet allerdings massives Tierleid, denn auch Fische fühlen Schmerz. Der Satz ist somit nahezu als „Freibrief“ für Angler:innen zu werten, ihr tödliches „Hobby“ folgenlos weiterzuführen. Wir von PETA Deutschland fordern die Abschaffung des Hobbyangelns und auf dem Weg dahin strengere Gesetz, die zumindest auch sogenanntes Catch & Release und Wettfischveranstaltungen jeder Art untersagen sowie das Angeln mit tierischen Ködern (tot und lebendig).

    Fisch am Angelhaken

  • Tiere in der Unterhaltungsbranche

    Unser Nachbarland Frankreich hat es vorgemacht: Im November wurde dort ein konkretes Verbot von Wildtieren im Zirkus beschlossen mit konkretem Ausstiegsdatum. Sogar Ponykarussells werden verboten, ebenso wird die Haltung von Delfinen und Orcas in Zoos auslaufen.

    Orca im Wasserbecken

    Der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien hier in Deutschland sieht lediglich die Erstellung einer „Positivliste“ für Wildtierarten vor, die künftig noch im Zirkus gehalten werden dürfen. Es gibt jedoch keine Tierart, die artgerecht in einem Zirkus gehalten werden kann. Mit einer solchen Erklärung bleibt Deutschland Schlusslicht in Europa beim Schutz von Tieren im Zirkus.

    Auch eine Abschaffung der Zoohaltung von Tierarten oder -gruppen wie Delfinen, Menschenaffen oder Eisbären, die unmöglich dort artgerecht gehalten werden können, wurde im Koalitionsvertrag nicht erwähnt.

    Schimpanse sitzt im Zoogehege
    © Great Ape Project / Colin Goldner
  • Heimtiere

    Positiv ist die verpflichtende Identitätsprüfung für Tierverkäufe auf Online-Plattformen und dass die Kennzeichnung und Registrierung von Hunden obligatorisch werden. So kann der illegale Handel mit Welpen weiter erschwert werden. Jedoch bräuchten wir diese Pflicht auch für Katzen.

    Positiv ist auch, dass Tierheime besser unterstützt werden sollen und dass Wildfänge exotischer Tiere künftig nicht mehr für den Heimtiermarkt importiert werden dürfen. Dass aber überhaupt noch exotische Tiere importiert und in Wohnzimmern gehalten werden dürfen, ist aus Sicht des Tierschutzes und vor dem Hintergrund der Coronapandemie, die ihren Ursprung vermutlich im Wildtierhandel hatte, nicht nachvollziehbar.

    Person haelt eine kleine gruene Echse in der Hand.

Bürger:innen in Deutschland fordern mehr Tierschutz

Zu Beginn der Koalitionsverhandlungen am 21. Oktober 2021 fordern deutsche Bürger:innen deutliche Fortschritte in Sachen Tierschutz. Dies ergab eine Umfrage, die wir von PETA Deutschland in Auftrag gegeben haben und die mit rund 2.000 Befragten durch das Meinungsforschungsinstitut INSA im Oktober 2021 durchgeführt wurde.

Die Ergebnisse haben wir den Parteispitzen und Verhandlungsteams von SPD, Grünen und FDP zugesandt. Leider spiegelt sich dies nicht im Koalitionsvertrag wider. Gemeinsam mit der Bevölkerung fordern wir die „Ampel“ weiterhin auf, zumindest die Abschaffung folgender zwölf gravierender Tierschutzprobleme in der laufenden Legislaturperiode zu bewältigen:

Deutsches Tierschutzgesetz lässt Tierleid zu

Das Tierschutzgesetz in Deutschland ermöglicht immer noch systematisches Tierleid. Es wird Zeit, noch viel mehr für die Tiere zu tun, neue Gesetze zu etablieren, diese konsequent durchzusetzen und Tierquälerei härter zu bestrafen. Die Ergebnisse der INSA-Umfrage zeigen deutlich, dass die Mehrheit der deutschen Bürger:innen sich für viel mehr Tierschutz in der Ernährungs-, Bekleidungs– und Unterhaltungsindustrie ausspricht.

So wollen 68 bis 72 Prozent der Befragten, dass die neue Bundesregierung Langstrecken-Tiertransporte, die dauerhafte Anbindehaltung von Kühen und die Amputation von Körperteilen bei Tieren in der Landwirtschaft verbietet. 71 Prozent wollen zudem ein Haltungsverbot exotischer Wildtiere als „Haustiere“ und 67 Prozent fordern ein Verbot des kommerziellen Handels mit Tieren auf Internetplattformen.

66 Prozent sind für ein Verkaufsverbot für Pelzprodukte und 59 Prozent fordern die Abschaffung der Delfinhaltung in Zoos. Bei dem Thema Hobbyjagd wünschen sich 49 Prozent einen Ausstieg aus der Jagd als Freizeitbeschäftigung und eine Beschränkung auf behördliche Berufsjäger:innen und Wildtierbeauftragte, während nur 30 Prozent die Hobbyjagd beibehalten möchten. Zudem wollen 65 Prozent der Bürger:innen, dass ein verbindlicher Ausstiegsplan für Tierversuche Teil des Koalitionsvertrages ist.

Auch bei den Themen Wildtiere im Zirkus, Jagd mit sogenannten Totschlagfallen und dem Kochen von lebenden Tieren wie Hummern spricht sich eine deutliche Mehrheit der Befragten für ein Verbot aus.

PETA fordert ein Ministerium für Tierschutz

Wir von PETA Deutschland setzen uns darüber hinaus dafür ein, dass ein eigenständiges Ministerium für Tierschutz gegründet wird, denn dort könnten die vielen notwendigen Maßnahmen am besten umgesetzt werden. Bisher liegt die Zuständigkeit für Tierschutz beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), das sich ebenfalls für die Interessen der Landwirtschaft einsetzt. Das zeigt sich fast täglich in Form von Verordnungen, Gesetzen und Stellungnahmen, die vor allem die Tiernutzer:innen begünstigen.

„Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die Bevölkerung die unerträgliche, politische Ignoranz gegenüber fühlenden Lebewesen nicht mehr hinnimmt und von einer neuen Bundesregierung Fortschritt im Umgang mit Tieren erwartet. Für unser eigenes Überleben auf der Erde brauchen wir neben mitfühlenden Entscheidungen auch einen grundlegenden Wandel weg von der Tiernutzung und hin zu einer veganen Lebensweise. Auch dafür muss die neue Bundesregierung wichtige Maßnahmen beschließen.“

Harald Ullmann, 2. Vorsitzender PETA Deutschland

Was Sie tun können

Unterstützen Sie unsere Forderung nach einem Tierschutzministerium und unterschreiben Sie unsere Petition an die relevanten Bundestagsparteien. Ein eigenständiges Ministerium für Tierschutz würde unseren Mitgeschöpfen einen angemessenen Stellenwert in unserer Gesellschaft geben und den Einfluss der Industrie zurückdrängen.