Katja Lührs: Gans Wulli will leben!

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TV-Moderatorin Katja Lührs im Interview: Die Schauspielerin und TV-Moderatorin Katja Lührs kennen viele Menschen durch Fernsehsendungen wie „Die Schwarzwaldklinik“, „Ehen vor Gericht“, „Abendschau“ und „Bunte Talkshow“. Für PETA hat Katja Lührs Fragen über ihr veganes Leben beantwortet und sie gibt uns einen Einblick in ihre Gedanken zum Thema Tierrechte, Gänse, vegane Festtagsmenüs und sie berichtet über Gans Wulli.

Wie kam es zu der Begegnung zwischen der Gans Wulli und Ihnen?

Ich traf Anna und dicht hinter ihr watschelte aufgeregt, zart schnatternd, eine kleine Gans. Wir kamen ins Gespräch und es interessierte mich wirklich sehr, warum die Mini-Gans so zutraulich war. So erzählte uns Anna, dass sie ein Gänse-Ei einem Entenpaar untergeschoben hatte. So wie der Kuckuck seine Eier zum Ausbrüten in fremde Vogelnester legt. Das war von Anna sehr klug ausgedacht und hatte auf Anhieb funktioniert. Nur schlüpften nicht zuerst die Enten, sondern das Gänsejunge – aus seiner Eischale. Anna war zu diesem Zeitpunkt zufällig im Stall und die kleine Gans sah sie. Prinzipiell ist es so, dass ein Gänseküken unmittelbar nach dem Schlüpfen aus dem Ei seine Mutter begutachtet und sich ihr Erscheinungsbild einprägt. Diese Phase dauert nur kurz und ist nicht umkehrbar. Einmal geprägt folgt ein Küken nur noch seiner Mutter. In dem speziellen Fall merkte sich das Gänsejunge Anna als „Kontaktperson“. Die junge Gans wurde auf den Namen „Wulli“ getauft. Auf meine Frage, welche Bedeutung der Name habe, antwortete Anna: „Wulli soll an etwas Wolliges, Weiches erinnern.“

Wie lebt Wulli, die Gans?

Wulli bekam von Anna reichlich Aufzuchtsnahrung und legte kräftig an Gewicht zu. Sie konnte ungestört überall im Garten aber auch in der guten Stube der Familie rumwatscheln. Zur Nachtruhe hatte Wulli eine Schachtel mit einer weichen Decke. Ihre absolute Lieblingsbeschäftigung war, Anna auf Schritt und Tritt tagsüber zu verfolgen. Wulli hatte das Riesenglück etwas Besonderes in der Familie zu sein – wie eine kleine Glücksgans. Ja, das war Ihr wirkliches Glück, denn nur so konnte sie bis zum heutigen Tage überleben.

Wie ergeht es anderen Gänsen?

Zu dem Zeitpunkt, als wir Wulli kennen lernen durften, ging es den anderen Gänsen, Enten und Kühen bei Anna und Ihrem Mann gut, nur alle hatten ein sehr kurzes Leben. Sobald sie das Schlachtgewicht erreicht hatten – und das ging ziemlich schnell –, wurden sie getötet. Deshalb dauerte das Leben der Enten, Hühner oder Gänse oft nur vier bis sechs kurze Monate. Aber Wulli ging es richtig gut, sie lebte in jeder Jahreszeit behütet vor sich hin. Nur Freundschaften mit Artgenossen konnte sie nicht schließen. Sie sah viele Tierleben kommen und sterben.

Wenn Gänse mit einem Partner zusammen gebrütet haben, bleiben sie oft ein Leben lang mit diesem zusammen. Nur wenn einer stirbt, verbinden sie sich wieder neu mit einem Partner, falls sie einen finden. Übrigens, das höchste bisher nachgewiesene Alter einer mit einem Erkennungsring versehenen Graugans beträgt 27 Jahre.

Wie geht die Geschichte von Wulli weiter?

Vieles im Leben ist kein Zufall, sondern es fällt einem zu. Und so vergingen keine drei Wochen nach meiner ersten Begegnung mit Wulli, als Harald Ullmann von Peta bei mir anrief. Mit Peta durfte ich schon vielfach Tieraktionen begleiten und so fragte mich Harald, ob ich Aufnahmen mit einer Gans machen möchte zum bevorstehenden Martinstag. Ich sagte sofort zu, zumal gerade am Martinstag und zu Weihnachten schon viele Tiere ihr Leben lassen mussten, vor allem auch Gänse.

Sie haben auch von Wulli gesprochen?

Sofort viel mir Wulli ein und ich fragte Harald: „Habt ihr schon eine Gans für die Aufnahmen?“ „Nein“ war seine Antwort. „Aber ich kenne da einen Bauernhof mit einer unglaublich hinreißenden, freundlichen, zahmen Gans“, berichtete ich ihm. Danach rief ich sofort Anna an und wir stimmten alle einen gemeinsamen Termin ab.

Wie ist der Fototermin mit der Gans abgelaufen?

Ich habe selten so einen harmonischen Fototermin erlebt. In Annas guter Stube war der Tisch gemütlich gedeckt. Jürgen, ein Mitarbeiter von Peta, fungierte nicht nur als Fotograf, sondern er brachte auch noch einen veganen Braten mit, den er blitzschnell, wie eingeübter Koch, servierte. Jürgen erzählte mir, dass er tatsächlich früher als Koch tätig war. Irgendwann hatte es „klick“ bei ihm gemacht und er kam zu dem Entschluss, Gästen keine toten Tiere mehr zu servieren. Ja, er zog unter seine Laufbahn als Koch einen Schlussstrich und betätigt sich seitdem als Tierschützer und Mitarbeiter bei Peta.

Zurück zu Wulli: Sie wurde auf einem Stuhl platziert und saß dicht neben mir. Mit ihren kleinen Knopfaugen guckte sie mich ununterbrochen an und ab und zu schnatterte sie aufgeregt. „Was wohl in ihrem kleinen hübschen Kopf vorgeht“, fragte ich mich. Ich beugte mich zu ihr, streichelte sie und redete leise auf sie ein – wie super toll sie das alles mache, wie hübsch sie sei und was mir sonst noch so alles an liebevollen Worten einfiel. Wie ein Profi setzte sie alles um, was Jürgen oder ich von ihr wollten. Fast so, als würde sie uns verstehen.

Wulli ist ein Gänse-Foto-Star geworden?

Das zweite Thema an diesem Tag war der Backofen in der Bauernküche. Dort sollte ich den veganen Braten immer wieder raus- und reinstellen. Der Sinn der Übung war und soll sein, allen, die diese Bilder sehen, zu vermitteln, statt einen Gänsebraten doch lieber etwas Fleischloses auf den Tisch zu bringen, wie den veganen Rollbraten auf dem Bild. Ganz nachdem Motto: „Leben und leben lassen!“ Wulli wollte hier unbedingt mit aufs Bild. Sie guckte immer wieder abwechselnd in das dunkle Loch der Backröhre und zu mir. So, als wollte sie unsere Aussage bekräftigen, dass im Ofen kein Tier landen sollte. Pünktlich zum Martinstag erschienen die Bilder über Peta in der Presse. Im Mittelpunkt Wulli, die glückliche Gans und Botschafterin für alle Vögel.

Wie hat sich das Leben von Wulli verändert?

Kürzlich habe ich wieder mit Anna gesprochen. Sie lebt jetzt nicht mehr auf dem Bauernhof, sondern hat ihr eigenes kleines Häuschen mit Garten. Darin steht die Gänsehütte, persönlich von Anna gebaut. Wulli ist jetzt nicht mehr allein, sie hat über Anna ihre beste Freundin kennen und lieben gelernt und das ist Walli. „Wie ist denn Walli dazu gekommen?“, fragte ich Anna. Sie erzählte mir, dass sie diese Gans bei einer Nachbarin im Garten gesehen und sich spontan in sie verliebt hatte. „Sofort habe ich das Gefühl gehabt, dass diese Gans mit Wulli gut zusammenpassen würde“, schwärmte Anna. Sie fragte die Nachbarin, ob sie ihr die Gans abkaufen könne, und zwar genau an dem Tag, an dem die junge Gans und andere Gänse geschlachtet werden sollten. Das nennt man Schicksal.

Was haben Sie noch erfahren?

Auf direkte Nachfrage von mir gestand mir Anna, dass leider viele Tiere auf ihren damaligen Bauernhofs geschlachtet worden waren. Immer wenn ein Tier getötet wurde, flüchtete sie vom Stall ins Haus. Dort stellte sie das Radio laut an und lenkte sich mit Staubsaugen ab. Nur nichts davon hören und dabei liefen ihr Tränen über ihr Gesicht. Anna erklärte mir – und wieder hatte sie Tränen in den Augen – , dass es ihr vorgekommen sei, als verrate sie die Tiere, die sie ja täglich gefüttert und gepflegt hatte. Zu vielen Tieren hatte sie eine persönliche Beziehung aufgebaut. Ich war wirklich sehr erstaunt, eine Frau, die mit Tiertötung zu tun hatte, so leiden zu sehen. Heute lebt Anna sehr glücklich mit einem anderen Partner und ihren zwei Gänsen und arbeitet in einem ganz neuen Beruf. Den Kreislauf der Tiertötung – nur damit unsere Teller gefüllt sind – hat sie durchbrochen, losgelassen und ein ganz anderes Leben angefangen. Jedes Tier, wenn es das noch könnte, würde uns vom Teller springen und leben wollen, so ist die Natur und wir auch.

Was denken Sie über das Leben der Tiere, die manchmal „Nutztiere“ genannt werden?

Ich glaube, das Tiere, wie wir Menschen, in ihrem Leben Erfahrungen sammeln und der Mensch keine Berechtigung hat, dem Tierleben ein Ende zu setzten. Mit anderen Worten, darf ein „Nutztier“, so wie es viele Menschen sehen, nur begrenzt Erfahrungen sammeln, bevor es getötet wird. Das geschieht meist in der Massentierhaltung sehr leidvoll undschrecklich. Und viele Menschen, die mit Tiertötung zu tun haben, sind abgestumpft: Das Tier sei kein „lebensberechtigtes“ Wesen, sondern nur „Vieh“. Dieses schrecklich abwertende Wort verwenden sie laufend. Außerdem ist das Tier ihrer Meinung nach nur eine Ware, über die man bestimmen könne. Tiere sind jedoch Lebewesen, die leiden, lieben können, Schmerzen empfinden und leben möchten, Gottes Geschöpfe wie der Mensch! „Du sollst nicht töten“, so lernt es jeder Christ schon in der Schule. Aber der Mensch beachtet das nicht und legt dieses Gebot einfach anders für sich aus. Meine Empfehlung lautet hingegen: eine pflanzenbasierte gesunde Ernährung mit tollen Festtagsmenüs – auch für Weihnachten. Ihrem Körper zu Liebe und zum Wohle der Natur und des Tierreichs.

Zurück zu den Gänsen Wulli und Walli – was haben diese beiden Gänsedamen, Wunderbares bis heute in ihrem kostbaren Leben genießen dürfen. Das Leben in freier Natur, Güte, Vertrauen und die Liebe – auch zu den Menschen, wie zu Anna.