Über 6 Millionen Menschen in Deutschland angeln in ihrer Freizeit. [1] Da dies nur mit einem gültigen Angelschein erlaubt ist, gibt es online zahllose Angebote für Vorbereitungskurse zu geringen Kosten. Geworben wird oft damit, dass der Angelschein möglichst schnell gemacht werden kann. Meist sind nur wenige Tage und einige hundert Euro für einen solchen Kurs nötig. Auch die dazugehörige Fischerprüfung kostet verhältnismäßig wenig, sodass jeder mit ein wenig Zeit und Geld sich die Genehmigung holen kann, um Fische als Freizeitspaß zu töten. Folgende Gründe zeigen auf, wieso der Angelschein endlich abgeschafft werden sollte.
1. Die „Sachkunde“ für den Angelschein ist zu oberflächlich
In den Vorbereitungskursen für die Fischerprüfung werden unter anderem Themenbereiche wie Fangtechniken, Gerätekunde oder das Fischereirecht vermittelt. Dabei dreht sich das vermittelte Wissen über die Fische in der Regel hauptsächlich um die Anatomie der Tiere und darum, wie sie am besten getötet und aufbewahrt werden. Absolventen eines Angelscheins lernen nicht, dass Fische Freundschaften schließen, gemeinsam in Chören singen und Gefühle wie Angst, Stress und Schmerz empfinden können. [2, 3, 4] Sie lernen nicht, dass Fische miteinander kuscheln, um sich zu beruhigen. [5] Oder dass Fische ebenso ein Recht auf ein friedliches Leben haben wie Hunde, Katzen und alle anderen Tiere. Würden all diese Dinge in Vorbereitungskursen gelehrt werden, gäbe es wahrscheinlich nur noch wenige Menschen mit einem Angelschein.
2. Der Angelschein verstößt gegen das Tierschutzgesetz
Obwohl bei der Fischerprüfung Gerätekunde und -praxis thematisiert werden und der Absolvent auch das Tierschutzgesetz ansatzweise kennen sollte, wird ein Verstoß gegen den Tierschutz einfach übergangen: der Angelhaken. Laut Paragraf 17 Abs. 2 des Tierschutzgesetzes ist es verboten, einem Wirbeltier „länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden“ zuzufügen. [6] Genau dies passiert aber, wenn sich ein Angelhaken in den sensiblen Mund eines Fisches bohrt. Je nachdem, wie schnell der Angler dies bemerkt, leiden einige Fische mehrere Minuten, wenn nicht sogar länger. Zudem ist der Fisch das einzige Wirbeltier, das ohne Betäubung mit einem Haken aufgespießt wird, an dem es mit seinem ganzen Gewicht hängt. Laut Tierschutzschlachtverordnung müssen Fische vor dem Töten betäubt werden – bis dahin erleiden sie aber bereits enorme Schmerzen. [7]
3. Beim Touristenangeln wird keine Prüfung verlangt
In einigen Teilen Deutschlands ist es möglich, ohne jegliche Sachkunde legal zu angeln. So stellen Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein einen zeitlich begrenzten Urlaubsangelschein für Touristen aus. Diese Genehmigung gilt für 28 Tage, kostet ca. 25 Euro und kann per Post bestellt werden. Es wird keinerlei Sachkunde vorausgesetzt oder geprüft, lediglich eine Broschüre soll verpflichtend gelesen werden, um die Mindestsachkunde sicherzustellen. [8] Ob diese Broschüren auch gelesen werden, wird nicht kontrolliert. Das Bundesverbraucherministerium hat sich bereits gegen den Touristenangelschein in Mecklenburg-Vorpommern ausgesprochen, da der Tierschutz damit nicht gewährleistet wird.
4. Der Angelschein verhindert keine Tierquälerei
Das Angeln ohne Angelschein ist in Deutschland verboten, um Tierquälerei zu verhindern. Dennoch praktizieren viele Angler – ob mit oder ohne Angelschein – trotz Aufklärung Methoden wie Catch and Release oder das Wettangeln, welche mit großem Tierleid verbunden sind. So werden die Fische beim Catch and Release nach dem Fangen zwar wieder freigelassen, aber viele sind verletzt, und bis zu 40 Prozent sterben an den Verletzungen oder werden zur leichten Beute für andere Fische. [9] Die überlebenden Fische leiden meist ebenfalls, da die Berührung mit der menschlichen Hand ihre Schleimhaut und Schuppen beschädigt und sie somit anfälliger für Pilze, Infektionen, Bakterien und Parasiten sind. Angler erkennen an den Narben gefangener Fische, dass diese bereits mehrfach Opfer von Catch and Release wurden.
5. Es gibt gar kein sachkundiges und artgerechtes Angeln
Der Angelschein fördert nicht nur Tierquälerei, er verursacht in jedem Falle Tierleid. Denn artgerechte Angelmethoden gibt es nicht. Auch bei erlaubten Methoden wird der Fisch an seinem empfindlichen Mund ohne Betäubung aufgespießt und aus dem Wasser gezogen, wo er nicht mehr atmen kann. Während das Tier um Sauerstoff ringt und zappelt, wird es mit einem Schlag auf den Kopf betäubt und anschließend mit dem Messer getötet und aufgeschlitzt.
Es gibt keine ökologische Notwendigkeit für das Angeln, vielmehr stört es die Natur und bringt Gewässer aus dem Gleichgewicht. Oftmals werden auch nur Fischarten gepflegt, die für Angler interessant sind, und andere Arten werden aus ihrem Lebensraum verdrängt. Sogar fremde Fischarten werden gezielt für das Angeln ausgesetzt, was der Artenvielfalt schadet. Auch verunreinigt das oftmals verwendete Anlockfutter die Gewässer und führt zu Algenbildung und Sauerstoffmangel. Angeln ist nicht artgerecht oder Naturschutz, sondern das Gegenteil davon.
Setzen Sie auf Alternativen zum Angeln
Es gibt unzählige Aktivitäten, bei denen man Zeit in der Natur verbringt, ohne dabei Tiere zu töten. Gehen Sie lieber wandern, campen, schwimmen, Kanu fahren, schnorcheln oder tauchen. Beobachten Sie heimische Vögel oder Insekten. Oder gehen Sie Müllfischen und tun Sie auf diese Weise der Natur etwas Gutes.
Melden Sie Tierquälerei
Wenn Sie Zeuge davon werden, wie ein Angler einen Fisch misshandelt – ihn beispielsweise in einen trockenen Eimer legt, wo er nicht atmen kann, oder mit ihm aus Spaß vor der Kamera posiert, ihn wiegt und misst und ihn dann zurück ins Wasser wirft – melden Sie diese Tierquälerei der Polizei oder uns. Machen Sie am besten Aufnahmen und senden Sie uns diese zu.
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Quellen
[1] Statista: Anzahl der Personen in Deutschland, die in der Freizeit Angeln oder Fischen, nach Häufigkeit von 2016 bis 2020, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/171166/umfrage/haeufigkeit-von-angeln-oder-fischen-in-der-freizeit/, (eingesehen am 17.03.2021)
[2] New Scientist (21.09.2016): Fish recorded singing dawn chorus on reefs just like birds, https://www.newscientist.com/article/2106331-fish-recorded-singing-dawn-chorus-on-reefs-just-like-birds/, (eingesehen am 17.03.2021)
[3] Sneddon, Lynne U. (2019): Evolution of nociception and pain: evidence from fish models. In: Philosophical Transactions of the Royal Society B. London: The Royal Society
[4] Balcombe, Jonathan (2016): What a Fish Knows: The Inner Lives of Our Underwater Cousins. New York: Scientific American / Farrar, Straus and Giroux
[5] New Scientist (15.11.2011): Fin massage relieves stress in surgeonfish, https://www.newscientist.com/article/dn21171-fin-massage-relieves-stress-in-surgeonfish/, (eingesehen am 17.03.2021)
[6] Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Tierschutzgesetz § 17, https://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/__17.html, (eingesehen am 17.03.2021)
[7] Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Verordnung zum Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates (Tierschutz-Schlachtverordnung – TierSchlV) § 12, https://www.gesetze-im-internet.de/tierschlv_2013/BJNR298200012.html, (eingesehen am 17.03.2021)
[8] Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern: Der Touristenfischereischein in M-V, https://www.lallf.de/fischerei/angelfischerei/touristenfischereischein/, (eingesehen am 18.03.2021)
[9] Shawn P. Sitar, Travis O. Brenden, Ji X. He & James E. Johnson: Recreational Postrelease Mortality of Lake Trout in Lakes Superior and Huron, https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/02755947.2017.1327903, (eingesehen am 17.03.2021)