Wildgänse, vor allem sogenannte invasive Arten wie Nilgänse und Kanadagänse, werden in Parkanlagen, Schwimmbädern und an Badeseen vermehrt als Störfaktor gesehen – und daher wird verstärkt Jagd auf die Vögel gemacht. Oft wird eine angebliche Gesundheitsgefährdung durch den Kot der Tiere vorgeschoben.
In Wahrheit werden die Tiere jedoch getötet, weil sich Menschen von ihnen bzw. ihren Hinterlassenschaften gestört fühlen. Auch sind Behauptungen über eine erhöhte Aggressivität der Gänse nicht haltbar.
Erfahren Sie hier, warum die Gänsejagd keine nachhaltige Lösung, sondern kontraproduktiv und grausam ist.
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Die Jagd auf Wildgänse ist äußerst grausam: Wie werden Gänse getötet?
Die Jagd geht mit erheblichem Leid für die Tiere einher:
- Häufig kommt es zu Fehlschüssen auf flüchtende Gänse, so dass viele der Tiere langsam und qualvoll sterben.
- Der Einsatz von Schrotkugeln, mit denen Wasservögel häufig bei der Jagd getötet werden, führt oft nur zu Verletzungen und lässt die Tiere langsam und qualvoll sterben.
- In der Norikusbucht am Wöhrder See bei Nürnberg beispielsweise wurde eine Gans laut Augenzeug:innen nur angeschossen und litt eine Stunde lang unsägliche Qualen, ehe sie starb. [1]
Fachleuten zufolge ist bei der Jagd auf sogenanntes „Niederwild“, zu dem auch Gänse gehören, nur jeder 17. Schuss tödlich. Die restlichen 16 Schüsse fallen zu Boden, dringen ins Ökosystem ein und sorgen bei Verwendung von Bleimunition für Vergiftungen und somit häufig für einen indirekten und qualvollen Tod anderer Tiere. [2]
- Zudem werden bejagte Tiere scheu und benötigen durch häufigeres Flüchten vor Menschen mehr Energie und damit letztlich mehr Nahrung.
- Darüber hinaus werden Familienverbände zerrissen, Jungvögel verlieren den für sie überlebenswichtigen Anschluss an ihre Eltern oder ein Elternteil, was häufig ihren Tod bedeutet.
Haltlose Vorurteile gegenüber Gänsen: Aggressives Verhalten und Gänsekot
Als Tötungsgrund von Nilgänsen wird unter anderem die angebliche Aggressivität der Tiere gegenüber anderen Vogelarten genannt. Zudem werden die Vögel auf der EU-weit geltenden Unionsliste der sogenannten invasiven Arten geführt. Diese Stigmatisierung dient Behörden oft als Begründung, sie an Badeseen zu töten. Dabei sind die Vögel weder übermäßig aggressiv noch schädlich für Ökosysteme:
- Die Projektgruppe Gänseökologie der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft betont in ihrem Gutachten, dass „die vielfach behauptete übermäßige Aggression der Nilgans […] bisher nicht nachgewiesen werden [konnte].“ [3]
- Dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) zufolge ist „aufgrund des derzeitigen Erkenntnisstands […] die ökologische Schädlichkeit der Nilgans in Deutschland […] als gering bis nicht vorhanden einzustufen, so dass ein aktives deutschlandweites Bestandsmanagement mit dem Ziel einer Verringerung des Bestandes weder notwendig noch zu rechtfertigen ist.“
Zusammenfassend kommt auch der NABU zu dem Schluss, dass „sich Nilgänse ohne nachweisbare negative Effekte auf andere Arten in neuen Gebieten ansiedeln. […] Auch im Einzelfall vor Ort dürfte es nahezu unmöglich sein nachzuweisen, dass die gezielte Tötung von Nilgänsen gerechtfertigt, alternativlos und zielführend wäre, da eine Reihe von alternativen Maßnahmen zur Verfügung steht, deren Effektivität zunehmend nachgewiesen wird.“ [4]
Welche Gänse dürfen gejagt werden?
Zu den sogenannten jagdbaren Wildgänsen gehören laut Bundesjagdgesetz Gänse der Gattungen Anser BRISSON und Branta SCOPOLI, darunter fallen unter anderem die Graugänse, aber auch Bläß-, Saat-, Ringel- und Kanadagänse. Je nach Gestaltung des jeweiligen Landesjagdgesetzes kann es hiervon Abweichungen geben, beispielsweise wurde die Nilgans in einigen Bundesländern ins Jagdrecht aufgenommen. Andere Gänsearten haben das ganze Jahr über Schonzeit.
Ist Gänsekot gefährlich?
Gänsekot birgt – wie auch Kot von anderen Lebewesen – nur gesundheitliche Gefahren, wenn man ihn direkt und in größeren Mengen aufnehmen würde. Doch Gänsekot besteht größtenteils aus verdautem Gras, riecht nicht stark und macht im Normalfall nicht krank: [5] Dass Menschen durch den Kot von Gänsen erkranken, ist bisher nicht bekannt. In einer Stellungnahme der baden-württembergischen Landesregierung (2015) heißt es: [6]
„Gänse scheiden wie alle anderen Vogelarten mit dem Kot eine Vielzahl von Bakterien, Pilzen und auch Viren aus. Genaue Zahlen über mögliche Erkrankungen beim Menschen durch Kontakt mit Gänsekot sind nicht verfügbar; die Infektionsgefahr für den Menschen ist aber als gering einzuschätzen.“
Menschen müssten mit extrem viel Kot in Berührung kommen, um zu erkranken. Dies ist unter normalen Umständen höchst unwahrscheinlich.
Eine vermeintliche Gesundheitsgefahr wird vielerorts vorgeschoben, um die Tötung der Tiere zu rechtfertigen. In Wahrheit werden sie meist getötet, weil sich einige Menschen beispielsweise an Badeseen an den Hinterlassenschaften stören.
Dabei wäre das Kot-Problem mit einem vergleichsweise geringen Aufwand mittels moderner tierfreundlicher Methoden zu lösen: Die Stadt Heidelberg beispielsweise setzt von April bis September auf eine Saugmaschine, die neben dem Kot auch den Müll der Menschen beseitigt: Mit einer speziellen Kehrmaschine kann der Kot relativ gut beseitigt werden; mit dem Sauger wird der Gänsekot zusammen mit Glasscherben und anderem Müll regelmäßig entfernt. [7]
Tierfreundliches Gänsemanagement als effiziente Lösung verfügbar
Die Jagd ist grundsätzlich nicht geeignet, um Wildtierpopulationen zu regulieren. Mittlerweile setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Bejagung von Gänsen kontraproduktiv ist, denn solange die Flächen einen Lebensraum darstellen, werden sich immer wieder Tiere dort ansiedeln.
Wenn Gänse an einem Ort leben, tragen sie sogar zur Biodiversität bei und helfen, das Ökosystem zu erhalten: So kann Gänsekot beispielsweise als natürlicher Dünger für Pflanzen dienen. [8] Werden Gänse gejagt und getötet, kann das lokale Ökosystem darunter leiden.
Fachleute setzen daher auf ein effektives tierfreundliches Gänsemanagement: Betroffene Flächen werden für Gänse unattraktiver gestaltet, unter anderem mithilfe von sogenannten Fütterungsverboten und spezieller Bepflanzung. Gleichzeitig werden attraktive Ausweichflächen als Rückzugsorte geschaffen. [ 9, 10]
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Tierfreundliches Gänsemanagement in Essen – positive Bilanz
Im Essener Grugapark wurde 2016 eine bereits geplante Tötung von Tieren nach massiven Protesten aus der Bevölkerung und einer Beratung durch Dr. Homma abgesagt. [] Seitdem hat die Stadt Düsseldorf Lösungen erarbeitet. Mitte 2019 zog die Stadt eine positive Bilanz des tierfreundlichen Gänsemanagements.
Betroffene Flächen wurden für Gänse unattraktiv gestaltet, etwa indem Sichtschutzzäune errichtet wurden, die den Gänsen den Überblick nehmen. Aus Angst vor natürlichen Feinden wie Füchsen, Hunden oder anderen Beutegreifern meiden Gänse Flächen ohne Weitblick. Auch strenge „Fütterungsverbote“ und Aufklärung der Öffentlichkeit zeigten Erfolg. Zudem wurden attraktive Ausweichflächen als Rückzugsorte geschaffen, auf die die Wildgänse umziehen konnten. [9, 10]
Gänse sind hochintelligente Tiere
Gänse sind sehr soziale und intelligente Tiere:
- Ein Gänsepaar kümmert sich gemeinsam um seine Küken.
- Eltern und Kinder erkennen sich an der Stimme.
- Manche Gänseeltern adoptieren sogar fremde Küken, die ihre Eltern verloren haben.
- Die Flugrouten der Wildgänse in Winterquartiere sind nur teilweise angeboren, die genaue Strecke wird erlernt und als Tradition an die nächsten Generationen weitergegeben. Diese Eigenschaft ist einmalig unter Vögeln. [11]
Wildgänse sind faszinierende Tiere – ein friedliches Zusammenleben zwischen Menschen und Wildgänsen ist problemlos möglich.
Die Jagd kann die Anzahl der Tiere nicht regulieren
Die punktuelle Jagd auf Wildgänse ist nicht geeignet, um die Tiere dauerhaft von bestimmten Gebieten fernzuhalten. Frei gewordene Gebiete werden rasch von anderen Tieren belegt, solange diese für die Gänse attraktiv bleiben. Dies zeigt die Situation am Wöhrder See in Nürnberg deutlich. Ein Jahr nach dem Abschuss von acht Tieren ist die Gänsepopulation unverändert hoch. [12]
So können Sie Gänsen und anderen Wildtieren helfen
Klären Sie Ihr Umfeld darüber auf, dass Gänse im städtischen Umfeld kein Grund zur Sorge sind.
Schreiben Sie einen Brief an den Bürgermeister oder an die Bürgermeisterin Ihrer Stadt, wenn Wildgänse getötet werden sollen, und bringen Sie Ihren Unmut zum Ausdruck.
Sollte in Ihrer Region die Bejagung von Gänsen oder andere Tierquälerei geplant sein, können Sie uns darüber informieren:
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Quellen
[1] Ute Möller (2018): Getötete Gänse am Wöhrder See: Protest wegen Tierquälerei. Tierschutzverein Noris und Deutscher Tierschutzbund erstatten Anzeige. In: Nürnberger Nachrichten, http://www.nordbayern.de/region/nuernberg/getotete-ganse-am-wohrder-see-protest-wegen-tierqualerei-1.7973501 (eingesehen am 17.09.2024)
[2] Schlederer, S. M. (2001): Die Benutzung von Bleischrot gefährdet Mensch, Tier und Umwelt.
[3] Dr. Johan H. Mooij, Dr. Helmut Kruckenberg, Prof. Dr. Hans-Heiner Bergmann (k.A.): Wissenschaftliche Stellungnahme zu Entwicklungen im Gänseschutz in Nordrhein-Westfalen – hier: Jagd auf Gänse, Deutsche Ornithologen-Gesellschaft (DO-G)
Projektgruppe Gänseökologie. Wilhelmshaven, https://www.nabu-duisburg.de/app/download/4915204863/Stellungnahme_DOG_NRW.pdf (eingesehen am 17.09.2024)[4] Nabu: Nilgans im Fokus. Wie gehen wir mit der neuen Art um?, https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/jagd/25852.html (eingesehen am 17.09.2024)
[5] Kanadagänse.de: Die Kehrseite der Medaille: Gänse machen Dreck, https://xn--kanadagnse-w5a.de/die-kehrseite-der-medaille-gaense-machen-dreck/ (eingesehen am 10.10.2024)
[6] andtag von Baden-Württemberg: Drucksache 15/6789, , www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP15/Drucksachen/6000/15_6789_D.pdf (eingesehen am 17.09.2024)
[7] SWR (16.02.2023): Heidelberg will Gänse-Kot auf der Neckarwiese entfernen, www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/mannheim/gaense-neckarwiese-heidelberg-108.html (eingesehen am 10.10.2024)
[8] Hamburger Abendblatt (2014): Landwirte klagen über Schäden durch Wildgänse, https://www.abendblatt.de/incoming/article157493/Landwirte-klagen-ueber-Schaeden-durch-Wildgaense.html (eingesehen am 10.10.2024)
[9] Homma S., Geiter O. (2004): Gänse und Menschen: Bereicherung oder Problem?
[10] Mueller-Töwe, Jonas (2014): Gänsedreck sorgt für Ärger an Badeseen, www.welt.de/regionales/duesseldorf/article130001319/Gaensedreck-sorgt-fuer-Aerger-an-Badeseen.html (eingesehen am 17.09.2024)[11] Nabu Naturschutzstation Niederrhein: Wildgänse-Ökologie der Gänse, https://www.nabu-naturschutzstation.de/de/wildgaense/oekologie-der-gaense (eingesehen am 17.09.2024)
[12] Andreas Franke (2019): Wöhrder See: Gänse scheren sich einen Dreck um Sör. In: Nordbayern.de, https://www.nordbayern.de/region/nuernberg/wohrder-see-ganse-scheren-sich-einen-dreck-um-sor-1.9236192 (eingesehen am 17.09.2024)