„Ich finde schon, dass das Züge einer Kampagne annimmt.“
(Zitat: Astrid Grotelüschen)
Stefan Bröckling:
Natürlich ist das eine Kampagne. Eine Kampagne gegen Massentierhaltung. Eine Kampagne, die zeigen soll, dass Massentierhaltung in Niedersachsen so etabliert und akzeptiert ist, dass sogar die Nutznießer der Massentierhaltung, also die, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, dass Tiere auf grausamste und unwürdigste Weise gehalten werden, zu den obersten Tierschützern des Landes ernannt werden können. Ja, Frau Grotelüschen, es ist eine Kampagne. Aber keine gegen Sie persönlich oder gegen Ihre Familie, sondern gegen die Ungerechtigkeit und die Grausamkeit, die Menschen wie Sie zu verantworten haben.
Hat PETA die Stimmung vergiftet?
Stefan Bröckling:
Wenn man bedenkt, wie viel schädliche Feinstäube und Keime, Ammoniakgase oder Stickstoff jeden Tag aus Tausenden Putenmastställen, die auch von dem Betrieb Grotelüschen beliefert werden, ungefiltert in die Umwelt geblasen werden, dass die Anzahl an Erkrankungen der Atemwege in unmittelbarer Nähe zu solchen Betrieben um ein Vielfaches höher liegt als in Gegenden, in denen eben keine Tierfarmen stehen; dass es eine Erkrankungsform gibt, die als Farmerlunge bezeichnet wird und nur bei Menschen vorkommt, die in solchen Ställen arbeiten; wenn man bedenkt, dass die Massentierhaltung einer der größten Klimakiller ist, dass jedes Jahr Millionen Liter Gülle und Geflügelkot auf die Äcker gekippt werden, dass dadurch die Böden und das Grundwasser verseucht werden, dann fragt man sich, wer hier was vergiftet.
Ja, Frau Grotelüschen, vielleicht haben wir das Klima vergiftet. Das Klima in ihrem kleinen Wohnort, wo alle zu der Frau aufschauten, die es „geschafft“ hatte. Das Klima in Ihrem Umfeld, wo es normal ist, dass man mit Tieren so umgeht, wie Sie es eben tun. Aber Sie und alle die, die Massentierhaltung fördern oder betreiben, vergiften unser Land und diesen Planeten. Sie vergiften die Menschen und die Zukunft unserer Kinder.
Ist PETA eine Tierschutzorganisation, die leidende Tiere in irgendeinem Stall filmt und dann sterbend ihrem Schicksal überlässt?
Stefan Bröckling:
Also ist PETA verantwortlich, wenn Tierwirte sich nicht um tierärztliche Versorgung kümmern? Sind wir verantwortlich, wenn Puten sterben, während der Mäster vorm Fernseher sitzt oder in seinem Bett schläft?
Es war schon immer so, dass nicht auf die mit dem Finger gezeigt wird, die ein Unrecht begehen, sondern auf die, die darauf hinweisen.
Es ist der Tierhalter, der die Tiere seinem Schicksal überlässt, nicht die Aktivisten, die dieses Unrecht aufdecken. Klar könnten diese sofort die Behörden einschalten. Mit dem Ergebnis, dass das Ganze unter den Teppich gekehrt wird. Dass es Anzeigen gibt und das gedrehte Material vielleicht auch noch beschlagnahmt wird. Man kann nur gegen diese Problematiken vorgehen, wenn man heimlich kommt, heimlich filmt und dann auch wieder heimlich verschwindet. Und so unmoralisch das dem einen oder anderen auch vorkommen mag, so wirkungsvoll ist diese Methode. Denn die jahrelangen Erfahrungen von PETA-Undercover-Aktionen haben gezeigt, dass nur über die Veröffentlichung solcher Missstände etwas erreicht werden kann. Denn wenn die Aktivisten, nachdem sie den Stall ungenehmigt betreten haben, beim Bauern anklopfen, um ihm ins Gewissen zu reden oder den Dorfpolizisten einschalten, wird sich nichts ändern, weil eben die Öffentlichkeit nie etwas davon erfahren wird.
Die Betriebsleiter der gezeigten Anlagen versicherten doch, dass die Aufnahmen in keiner Weise den tatsächlichen Gegebenheiten in den Ställen entsprächen. Stimmt das?
Stefan Bröckling:
Normalerweise stellen wir unser Beweismaterial, das wir immer anfertigen, nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung, damit sich die Gegenseite nicht strategisch darauf vorbereiten kann. Die Redaktionen, denen wir unser Material zur Verfügung stellen, bekommen diese Beweisaufnahmen selbstverständlich ausgehändigt. Denn sie müssen sichergehen, dass die Zustände tatsächlich so sind, wie wir es behaupten. Die NDR-Redaktion von „Menschen und Schlagzeilen“ hat die Aufnahmen aus Alt-Schlagsdorf mit unseren verglichen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass diese tatsächlich aus dem genannten Betrieb stammen. Ebenso hat Report Mainz beide Farmen vor Ort mit den heimlich gedrehten Aufnahmen und den Beweisvideos verglichen und kam ebenfalls zu dem Ergebnis. Jeder, der dieses Ergebnis in Frage stellt, stellt auch die Kompetenz angesehener Redaktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Frage. Wir haben die Beweisaufnahmen in diesem einen Fall nachgereicht und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
Frau Elke Friedrich, Geschäftsführerin der Puten-Erzeuger-Gemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern, behauptet: „Die Aufnahmen kursieren schon seit Jahren im Internet.“
Stefan Bröckling:
Frau Friedrich geht also davon aus, dass PETA es mit billigen Tricks schafft, eine angesehene Redaktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu täuschen. Eine solche Täuschung wäre nur möglich, wenn die Redakteure völlig unfähig wären oder wenn man davon ausginge, dass die Redaktion von Report Mainz keinen Internetanschluss hat. Wir haben unser Beweismaterial, das unter anderem aktuelle Zeitungs-Titelseiten enthält, mittlerweile veröffentlicht. Frau Friedrich hat bis heute keine Links gefunden, die schon seit Jahren im Web verfügbar sind und unser angeblich altes Material zeigen. Womit sie jedoch recht hat ist, dass SOLCHES Material schon seit Jahren im Internet kursiert, denn DIESE Zustände sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
Der CDU-Landwirtschaftsexperte Karl-Heinrich Langspecht bezeichnete die Morddrohung gegen Astrid Grotelüschen als den „unsäglichen Höhepunkt einer beispiellosen Kampagne.“
Stefan Bröckling:
Damit impliziert der Politiker, die Morddrohung sei Teil der PETA-Kampagne. Das ist natürlich Blödsinn. PETA ist ein gemeinnütziger Verein. Ein Verein, der sich eben gegen Gewalt einsetzt, nicht dafür. Tatsächlich sind wir so gewaltfrei, dass wir sogar die alltägliche, gesellschaftlich akzeptierte Gewalt gegen Tiere ablehnen. Wenn die Ministerin eine Morddrohung erhalten hat, so distanzieren wir uns natürlich davon. Wir verurteilen es, wenn Menschen solche Schritte gehen, um ihrer Wut Luft zu verschaffen. Die Art und Weise jedoch, wie sie diese Drohung für ihre Argumentation benutzt, sich in den Meiden plötzlich als „Opfer“ darstellen lassen will, lässt einen Rest Zweifel an der Echtheit dieser Behauptung zu. Auch bei uns gehen immer wieder Drohungen ein. Meistens per Telefon. Würden wir diese als Teil unserer Argumentation verwenden, hätten wir bedeutend mehr zu sagen als Frau Grotelüschen. Ist diese Morddrohung jedoch echt, so bedauern wir diese, wenn wir sie auch nicht zu verantworten haben.
Die Mäster bestreiten in eidesstattlichen Versicherungen, dass die Aufnahmen in ihren Betrieben entstanden seien.
Stefan Bröckling:
Diese eidesstattlichen Versicherungen wurden mit großer Sicherheit vorformuliert und sind nicht der Wortlaut der Mäster. Scheinbar haben diese die Eidesstattlichen Versicherungen nur abgezeichnet. Und das bereits vor Ausstrahlung des ersten Beitrags, und obwohl sie weder das gesamte Material noch die dazugehörigen Beweisaufnahmen kannten. Einer der Mäster behauptet mittlerweile z. B., dass die Aufnahmen geklinkerte Wände zeigten, dabei habe er nur verputzte Wände im Stall. Diese Aufnahmen stammten natürlich aus dem Stall des anderen Mästers, der über solche Wände verfügt. Der zweite Mäster behauptet, dass er Ende April keine Tiere in der gezeigten Altersklasse im Stall hatte, dabei ist Ende April tatsächlich nur eine einzige relevante Aufnahme entstanden. Alle Anderen Videodokumente sind im Juli angefertigt worden, und die Echtheit dieser Aufnahmen hat die Redaktion von „Menschen und Schlagzeilen“ mittlerweile überprüft und kam zu dem ergebnis, dass die Gegebenheiten vor Ort darauf schließen lassen, dass die Bidler tatsächlich aus der betreffenden Farm stammen.
„Warum haben Sie die angeblichen Missstände nicht sofort den Behörden gemeldet?“, fragte Grotelüschen.
Stefan Bröckling:
Würden wir so handeln, wie es die Ministerin hier äußert, müssten wir tatsächlich jede Massentierhaltung in Deutschland anzeigen, denn diese Zustände waren nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Ende April haben wir uns nur kurze Zeit im Stall in Alt-Schlagsdorf aufgehalten. In dieser kurzen Zeit entstand EINE Videoaufnahme mit einer EINZIGEN sterbenden Pute. Weitere tote Puten fanden wir im Mülleimer vor der Farm. Diese Sequenz wurde jedoch nie ausgestrahlt. Die Ministerin erwartet also, dass wir die Behörden einschalten, weil in einem Stall in Alt-Schwagsdorf EINE Pute stirbt, während die Mästerin im Bett liegt und schläft. Somit müssten wir in Zukunft zumindest alle Betriebe anzeigen, vor denen sog. Kadavertonnen stehen (also jeden Betrieb), denn diese Tonnen implizieren, dass in diesen Farmen Tiere sterben. Bekannterweise halten die Tiere sich mit dem Zeitpunkt ihres Ablebens oder Dahinsiechens nicht an die regulären Arbeitszeiten der Tierwirte. So kommt es in JEDEM Stall vor, dass Tiere sterben, wenn der Mäster nicht anwesend ist. Wir könnten dazu übergehen, erst einmal jeden Betrieb in Nierdersachsen anzuzeigen, vor dem Kadavertonnen stehen. Damit wäre gewährleistet, dass die Polizei- und Veterinärbehörden innerhalb kürzester Zeit so überlastet sind, dass sie ihrer eigentlichen Funktion nicht mehr nachkommen können. Vielleicht nehmen wir die Ministerin aber auch beim Wort und machen eine neue Kampagne. Wir zeigen jeden Stallbetreiber direkt noch im gleichen Moment an, in dem wir sterbende Tiere bei ihm filmen. Erst einmal nur in Niedersachsen. Und wenn es dann nicht in jedem dieser Fälle zu einer Strafverfolgung kommt, werden wir wieder beim Ministerium anklopfen und die Arbeit und die Glaubwürdigkeit der Ministerin in Frage stellen. Denn mit ihrer Aussage erweckt sie den Eindruck, als würden in niedersächsischen Massentierhaltungen keine Tiere „einfach nur so“ sterben.
Die Veterinärbehörden hätten die Betriebe in Alt-Schlagsdorf und Deylsdorf noch in der vergangenen Woche kontrolliert und dabei keine Verstöße gegen die Vorgaben des ‚Eckpunktepapiers zur Putenhaltung’ feststellen können.
Stefan Bröckling:
Eben. Genau so ist es. Denn das, was wir gezeigt haben, ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. In jedem Stall finden sich sterbende, tote und verletzte Tiere. Wie sonst kann es sein, dass die Kadavertonnen vor den Farmen immer gut gefüllt sind? Kein Amtsveterinär wird ein Verfahren einleiten, wenn er bei einer Kontrolle humpelnde Puten vorfindet oder einzelne sterbende Tiere im Stall. Eben weil es die Regel ist. Weil sich das bei dieser Form der Tierhaltung gar nicht vermeiden lässt. Weil das, was wir gezeigt haben, der von der Regierung und den Behörden akzeptierte Normalzustand ist. Sicher ist es tierschutzrelevant, dass Puten, Enten und Hühner keine tierärztliche Versorgung im Einzelfall erhalten. Für uns von PETA ist es auch juristisch relevant. Aber für den Gesetzgeber eben nicht. Nach unserer Rechtsauffassung sind sog. Mastputen auch gesetzlich verbotene Qualzuchten. Für den Gesetzgeber hingegen nicht. Wir haben auch nie behauptet, dass die gezeigten Zustände ein Skandal sind, der sich nur in diesen beiden Farmen abgespielt hat. Wir wissen, dass es keine Ausnahme, sondern die Regel ist. In jedem Putenmastbetrieb in Deustchland. Und nichts anderes haben wir je geäußert.
Präsident Gerhard Wagner vom Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) kritisierte die Berichterstattung der ARD. Mit der gezielten Auswahl einzelner Tiere und dem bewussten Filmen der Krankenbucht, die in jedem Fall für kranke und verletzte Tiere eingerichtet sei, werde ganz gezielt versucht, einen falschen Eindruck der Putenhaltung in Deutschland zu erwecken […].
Stefan Bröckling:
Natürlich filmen wir auch in Krankenbuchten, denn in diesen befindet sich ein Großteil der kranken und sterbenden Tiere. Und genau die, die eben am meisten unter dieser Form der Tierhaltung leiden, wollen wir zeigen. Uns dies vorzuwerfen wäre genauso unlogisch, als würde man von einem Kriegsberichterstatter erwarten, dass er die Kriegsopfer nur auf dem Schlachtfeld zeigen darf, nicht aber in den Krankenhäusern, wo natürlich viel mehr verletzte und tote Menschen zu finden sind. Natürlich zeigt der Kriegsberichterstatter auch die Eindrücke aus den Krankenhäusern und wir die aus den Krankenbuchten, die mit Krankenhäusern aber auch gar nichts zu tun haben. Tatsächlich sind diese abgetrennten Bereiche nichts anderes als Sterbebuchten, und genauso bezeichnen wir diese auch. Denn kranke und sterbende Tiere werden hier lediglich abgelegt. Entweder sie schaffen es oder sie schaffen es eben nicht. Dann haben sie einen langen Todeskampf hinter sich. Eine tierärztliche Einzelfallbehandlung bekommen sie dort aber definitiv nicht, was unseres Erachtens viel verwerflicher ist als lediglich – so wie wir – auf diesen Umstand hinzuweisen. Abgesehen davon haben wir keine toten Puten in den Sterbebuchten gefilmt. Die toten Tiere lagen ausschließlich im Stall zwischen den Artgenossen oder im Mülleimer vor den Stallanlagen.
„Für die Zustände in den Ställen bin nicht ich verantwortlich, sondern die jeweiligen Mäster. Wir als Brüterei haben keinen Einfluss darauf“, so Astrid Grotelüschen
Stefan Bröckling:
Das ist so nicht ganz richtig, denn aus der Putenbrüterei werden täglich Tiere geliefert, die nicht dauerhaft lebensfäig sind. Die im Laufe ihres kurzen Lebens an vielen Krankheiten leiden oder zugrunde gehen, die letztlich angezüchtet sind. Herz-/Kreislauferkrankungen, die darauf zurückzuführen sind, dass das Muskelfleisch der Tiere genetisch bedingt schneller wächst als die inneren Organe. Diese können den riesigen Körper nicht ausreichend versorgen. Ebenso wächst das Knochengerüst viel langsamer als das Muskelfleisch, so dass es beim größten Teil der Tiere zu Fehlstellungen der Beine und schmerzhaften Knochenveränderungen kommt. Diese körperlichen, zuchtbedingten Defizite sind ausreichend untersucht und bekannt. Sie sind einzig auf die Zucht dieser Turboputen und die artfremde, bewegungslose Haltung in engen Ställen zurückzuführen. Und eben diese Tiere werden von der Brüterei Ihrer Familie produziert und ausgeliefert. Sie wissen um die Todesrate. Sie wissen, dass es keine tierärztliche Einzelfallversorgung gibt. Sie wissen, dass der Tod und das Dahinsiechen für etliche Tiere unumgänglich ist. Und davon profitieren Sie finanziell. Tatsächlich ist sogar kaum jemand mehr verantwortlich als die, die solche nicht lebensfähigen, bemittleidenswerten Kreaturen, deren einziger Zweck es ist zu sterben, in die Welt setzen. Eben die Brütereien.