Kipppunkte bezeichnen kritische Schwellenwerte im globalen Klimasystem. Wenn diese Kippelemente überschritten werden, bringen sie weltweite Veränderungen mit sich, die nicht mehr aufgehalten werden können. Ein Beispiel mit dramatischen Folgen ist die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes: Laut Studien könnte ein großer Teil des Amazonasgebiets kurz vor dem Kipppunkt stehen und von einem Regenwald zur Savanne werden. [1]
Was genau Kipppunkte sind, wie viele es gibt und wie die Tierwirtschaft zum Erreichen dieser fatalen Klima-Kipppunkte beiträgt, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Was versteht man unter den sogenannten Kipppunkten?
Die Erderwärmung bedroht uns mit extremeren Wetterereignissen wie Hitze, Dürren, starkem Regen und heftigeren Tropenstürmen. Sie führt auch zum Anstieg des Meeresspiegels und zum Verlust von Lebensräumen. Diese Klimafolgen können Ernteausfälle, Hunger, Krankheiten, viele Todesfälle, Massenflucht und internationale Konflikte verursachen. Diese Risiken nehmen mit der Erwärmung allmählich zu, ohne klare Wendepunkte. Einige Teile des Klimasystems haben jedoch kritische Schwellen, bei deren Überschreiten drastische und unumkehrbare Veränderungen eintreten.
Der Begriff Kipppunkte fällt immer wieder im Zusammenhang mit der Klimakatastrophe und anderen schwerwiegenden Entwicklungen wie dem Artensterben. Per Definition handelt es sich bei einem Kipppunkt um einen kritischen Wert, bei dem eine winzige zusätzliche Veränderung zu großen, nicht umkehrbaren Veränderungen im Klimasystem unseres Planeten führt.
Kipppunkte zeichnen sich häufig über lange Zeit hinweg ab und nehmen dann, wenn eine bestimmte Schwelle erreicht ist, lawinenartig zu. Unter Kipppunkten versteht man also kritische Punkte bzw. Momente in einem längeren Prozess, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, sobald sie einmal überschritten wurden. Das Überschreiten eines Kipppunkts ist immer mit einer unumkehrbaren Änderung eines Systems verbunden.
Welche Klima-Kipppunkte gibt es?
Neben dem Amazonas-Regenwald gibt es je nach Publikation zwischen 16 bis 20 Kipppelemente im Klimasystem. Einige Beispiele für Klima-Kipppunkte sind:
- Grönländischer Eisschild: Das Schmelzen des Eisschilds könnte den Meeresspiegel um mehrere Meter ansteigen lassen.
- Westantarktischer Eisschild: Ein Zusammenbruch könnte ebenfalls einen signifikanten Anstieg des Meeresspiegels verursachen.
- Amazonas-Regenwald: Entwaldung und Klimawandel könnten den Regenwald in eine Savanne verwandeln, was erhebliche Auswirkungen auf die globale Kohlenstoffaufnahme hätte.
- Thermohaline Zirkulation (z. B. Golfstrom): Eine Abschwächung oder ein Stopp könnte das Klima in Europa und Nordamerika stark beeinflussen.
- Permafrost: Tauen des Permafrostbodens könnte große Mengen Methan freisetzen, ein starkes Treibhausgas.
- Arktisches Meereis: Verlust des Meereises verstärkt die Erwärmung in der Arktis, da weniger Sonnenlicht reflektiert wird.
- El Niño-Southern Oscillation (ENSO): Änderungen in der ENSO-Dynamik könnten extreme Wetterereignisse verstärken und häufiger machen.
- Boreale Wälder: Erwärmung könnte zu großflächigen Waldverlusten führen und damit die Kohlenstoffbindung reduzieren.
- Korallenriffe: Steigende Meerestemperaturen und Versauerung könnten zu einem weitreichenden Korallensterben führen.
- Indischer Sommermonsun: Änderungen könnten extreme Dürre- und Flutereignisse in der Region verursachen.
Werden bestimmte Kippelemente im Klima- und Erdsystem ausgelöst, kann es zu Kettenreaktionen kommen, durch die sich die Erderwärmung unkontrollierbar verstärken kann. Der Erde droht dann eine „Heißzeit“, bei der sie sich um vier bis fünf Grad erwärmen könnte, was ein potenzielles Ende der menschlichen Zivilisation mit sich brächte. [2]
Kipppunkt im Amazonas viel näher als angenommen
Im Amazonasgebiet war bekannt, dass der Kipppunkt möglich ist – man dachte jedoch, dass er noch viele Jahrzehnte entfernt ist. Denn Regenwälder reagieren sehr empfindlich auf Veränderungen, die den Niederschlag über längere Zeiträume beeinflussen. Wenn der Regenfall unter einen bestimmten Schwellenwert fällt, können Gebiete in einen Savannenzustand übergehen und dadurch keinen Sauerstoff mehr durch die Bäume produzieren.
Forschungen zeigen, dass dieser Wendepunkt viel näher liegen könnte als bisher angenommen. Bereits 2020 zeigte eine Studie, [3] dass sich 40 Prozent des bestehenden Amazonas-Regenwaldes an einem Punkt befanden, an dem er nicht mehr als Regenwald, sondern als Savanne existieren kann. Denn Teile des Amazonasgebiets erhalten weniger Regen als früher. Aufgrund steigender Treibhausgasemissionen und Waldrodungen hat sich dieser Trend noch verstärkt. So besagte eine Studie aus dem März 2021, dass der Regenwald den Planeten mittlerweile möglicherweise mehr erwärmen als abkühlen bzw. mehr Treibhausgase freisetzen könnte, als er aufnimmt. [4] Da Bäume Kohlendioxid aufnehmen und wieder abgeben, wenn sie gerodet oder verbrannt werden, trägt dies zur Klimakatastrophe bei. Wenn dieser Prozess einmal in Gang gekommen ist, lässt er sich nur schwer bis gar nicht mehr rückgängig machen. [3, 5] Allein der Amazonas-Regenwald speichert in seinen Bäumen und Böden ca. vier bis fünf Jahre des vom Menschen verursachten CO2. [6]
Warum trocknet der Regenwald aus?
Regenwälder sind Ökosysteme, die ihr eigenes Klima beeinflussen. Der Amazonas-Regenwald beispielsweise erzeugt einen Großteil seiner eigenen Feuchtigkeit. Wenn jedoch zu viel von einem Regenwald zerstört wird, nimmt seine Fähigkeit zur Selbstregulierung ab und daher auch die Niederschlagsmenge. Das macht ihn anfällig für Dürren und Brände, sodass große Teile des Gebietes zu einer dauerhaft trockenen Savanne werden könnten. Dieser Kipppunkt könnte bereits bei einer 20- bis 25-prozentigen Abholzung des Regenwaldes erreicht werden. Dies wäre für das Klima äußerst problematisch, denn dann verliert der Regenwald seine Fähigkeit, Emissionen aus der Luft zu absorbieren. [7]
Forscher:innen stellten fest, dass mit dem Anstieg der Emissionen immer mehr Teile des Amazonasgebiets instabil werden und mit größerer Wahrscheinlichkeit austrocknen. Die Expert:innen sind zu der Erkenntnis gelangt, dass selbst der widerstandsfähigste Teil des Regenwaldes an Fläche abnimmt. [3, 5]
Methan und Lachgas durch Abholzungen freigesetzt
Laut der 2021 veröffentlichten Studie sind Landnutzungsänderungen und Walddegradierung im Amazonasgebiet die größten Treiber der CO2-Emissionen. [4] Die Wissenschaftler:innen betonen, dass die Abholzung des Regenwaldes auf die Mast sogenannter Nutztiere und die Sojaproduktion für Tiernahrung zurückzuführen ist.
Durch die Abholzung des Regenwaldes für die Tierwirtschaft und durch vermehrte Überschwemmungen setzen die Böden und Sedimente im Amazonas erhöhte Mengen an Methan frei. [6] Über einen Zeitraum von hundert Jahren hat Methan eine 28-mal stärkere Klimawirkung als CO₂, über 20 Jahre ist die Wirkung sogar 84-mal schädlicher als CO₂. [8] Früher wurden die Methanemissionen von der Fähigkeit des Amazonas-Regenwaldes zur Kohlenstoffbindung ausgeglichen. Die geschädigten Kreisläufe beeinflussen sich demnach gegenseitig. [4]
Ähnlich verhält es sich mit Lachgas, einem weiteren Treibhausgas, das 298 Mal klimaschädlicher ist als CO2. [9] Auch Lachgas wird von den Böden sowohl gebunden als auch freigesetzt. Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass die Böden aufgrund von Abholzung, Klimakatastrophe und der Austrocknung von Feuchtgebieten immer mehr Lachgas ausstoßen, als sie binden. [6]
Was passiert, wenn es den Amazonas-Regenwald nicht mehr gibt?
Der Amazonas-Regenwald mildert bisher die Auswirkungen der Klimakatastrophe. Er erzeugt Sauerstoff und Wasser und bietet Nahrung und Unterschlupf für Millionen von Tieren, Pflanzen und Menschen. Daneben nimmt er jährlich Millionen Tonnen Kohlenstoff aus der Atmosphäre auf und wandelt CO2 durch Photosynthese in Sauerstoff um. Regenwälder beherbergen zudem eine weitaus größere Artenvielfalt als Savannen.
Durch das Absterben der Bäume kann die Klimakatastrophe weiter angeheizt werden, denn wenn das im Holz gebundene CO2 in die Atmosphäre abgegeben wird, geht auch ein wichtiger Sauerstoffproduzent verloren. Allein der Amazonas-Regenwald ist für etwa 20 Prozent des globalen Sauerstoffs verantwortlich.
Durch die Rodung wird der Regenfall reduziert, was die Waldbrandgefahr erhöht. Es kommt zu weiterem Waldsterben und der Regenwald wird vermehrt zur Savanne. Durch das Feuer wird zusätzliches CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen. Zudem sind Savannen leichter entflammbar und produzieren weniger Regenfälle, was Brände im Amazonasgebiet weiter vorantreiben könnte. [5, 10, 11]
Abholzung des Amazonas-Regenwalds begünstigt Kipppunkt
Die Tierwirtschaft verursacht nicht nur mehr Treibhausgasemissionen als der gesamte weltweite Verkehrssektor [12], sie stellt auch die größte Gefahr für den Regenwald dar. Zur Gewinnung neuer Weideflächen und zum Anbau von Tiernahrung für sogenannte Nutztiere werden enorme Regenwaldflächen gerodet – auch für die deutsche Tierwirtschaft. Der Konsum von Tierprodukten in Deutschland steht daher in direktem Zusammenhang mit der Abholzung des Regenwaldes.
Würde der Bedarf an Soja, der für die hiesige Tierwirtschaft und die Produktion tierischer Produkte benötigt wird, ausschließlich über den Sojaanbau in Deutschland gestillt werden, so müsste die Fläche des gesamten Bundeslandes Brandenburg mit Soja bepflanzt werden. [14]
80 Prozent des gerodeten Amazonas-Regenwaldes wurden zur Schaffung von Weideflächen abgeholzt. [14] Die Waldbrände im Jahr 2020 waren die schlimmsten seit 2010 – mit einem prozentualen Anstieg von 60 Prozent im Vergleich zu 2019. [15] Zwischen Juli und August 2020 stieg die Zahl der Brände in Brasilien auf mehr als das Doppelte der in den Vormonaten des Jahres verzeichneten Gesamtzahl. Berichten zufolge stehen Rindfleischunternehmen wie JBS, die auch Fleischimporte nach Deutschland wie etwa für Tönnies tätigen, mit der Rodung in diesen Gebieten in Verbindung. [16] Diese teilweise illegalen Brandrodungen bedrohen zudem die indigene Bevölkerung und führen zu einem gewaltigen Artensterben.
Wie können wir den Regenwald retten?
Helfen Sie, den Regenwald und alle dort beheimateten Lebewesen zu retten: Entscheiden Sie sich für eine vegane Ernährung. Wenn Sie keine tierischen Produkte konsumieren und die Nachfrage nach Fleisch, Milch und Eiern damit senken, wird auch weniger Regenwald gerodet.
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