Undurchsichtiger Lederhandel

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Wissen Sie, wessen Haut Sie tragen? Zur Produktion von Leder für Schuhe oder Jacken werden Kühe, Ziegen und Schweine rund um den Globus getötet. Auf den Etiketten der Bekleidung steht meistens nur „Made in Bangladesch“ oder in China oder Italien. Doch wie ist es in diesen Ländern um den Tierschutz bestellt? Die Wahrheit ist erschreckend: Fast alle Händler von Lederprodukten sind ebenso ahnungslos wie Sie und können die Umstände der Tierhaltung, des Transports und der Schlachtung nicht nachvollziehen. Die Globalisierung und eine mangelhafte Rückverfolgbarkeit machen dies möglich.

 

Die Konsumenten können im Laden den Ursprung des Leders von Schuhen nicht zurückverfolgen

Leder global
Gemeinsam mit dem Dokumentarfilmer Manfred Karremann hat PETA in Bangladesch, einem aufstrebenden Land für Lederproduktion und Lederexport, verdeckte Ermittlungen durchgeführt. In Deutschland gibt es aufgrund hoher Lohn- und Produktionskosten sowie strenger Umweltrichtlinien nur noch wenige Ledergerbereien und Produktionsstätten für Lederschuhe und Handtaschen. Seit Anfang der Achtzigerjahre ist die Schuhproduktion in Deutschland von knapp 100 Millionen Paar auf 25 Millionen Paar im Jahr 2012 gesunken. Von ehemals 400 Betrieben sind nur 46 Hersteller in Deutschland geblieben (1). Dafür haben sich die Schuhimporte aus China, Vietnam, Indien und Bangladesch in den letzten zwanzig Jahren verdreifacht. Asien deckt heute rund 90 Prozent der weltweiten Schuhproduktion ab.

„Made in“: nur die halbe Wahrheit
Obermaterial, Innenfutter, Sohle, Innensohle: Ein Schuh besteht aus vielen verschiedenen Teilen und Materialien. Jeder Bestandteil kann dabei aus verschiedenen Lederarten gefertigt sein – von Rauhleder bis Glattleder, von Velour bis Nappa. „Made in Italy“ bedeutet lediglich, dass das Zusammenfügen der Einzelteile zum Schuh in Italien durchgeführt wurde. Die Herkunft des Oberleders verrät das Label dem Kunden nicht – und schon gar nicht, wie es um die Produktionsbedingungen beim Lederlieferanten bestellt war. In der EU und in Deutschland fehlen hierzu transparent machende Gesetze zur Kennzeichnung der einzelnen Produktionsstätten. Das Oberleder eines Schuhes kann beispielsweise in der Türkei zugeschnitten und gefärbt worden sein, die Gerbung und Schlachtung erfolgte zuvor in Bangladesch, und die Kuh stammte ursprünglich aus Indien.

In Bangladesch erfolgt die betäubungslose Schlachtung von Kühen und Ziegen häufig Nachts in den Straßen

Tierschutz Fehlanzeige, Kinder in Gefahr
Die Ermittlungen von Manfred Karremann und PETA in Bangladesch zeigen deutlich die skandalöse Intransparenz am Anfang der Lieferkette und beim Einkauf der Tierhäute auf. Indische Kühe müssen einen entbehrungsreichen Transport über Tausende von Kilometern nach Bangladesch über sich ergehen lassen, um dort ohne jegliche Betäubung in Schlachthäusern oder auf offener Straße getötet zu werden. Diese systematischen Missstände sind selbst für internationale Modefirmen nicht rückverfolgbar, denn diese Unternehmen können eine Rückverfolgung in der Regel nur bis zu ihrem eigenen Vertragspartner, also dem Endproduzenten von Schuhen oder anderen Lederartikeln, durchführen. Die zahlreichen Vorlieferanten innerhalb der Zulieferkette und die Schlachthäuser jedoch liegen außerhalb ihrer Kontrolle. Mit der Auslagerung der Produktion nach Asien werden somit selbst die minimalen Tierschutzgesetze in Deutschland ausgehebelt.

In Bangladeschs Hauptstadt Dhaka werden die Kuhhäute in einem unübersichtlichen Geflecht aus 200 großen und kleinen Gerbereien gegerbt. Bei der Arbeit in den vielen kleinen Gerbereien müssen selbst Kinder ein Zubrot für ihre armen Familien verdienen. Einige bekommen ihren ersten Job in einer nahegelegenen Gerberei bereits mit 13 Jahren. Durch den ständigen ungeschützten Kontakt mit Chromsalzen und -dämpfen sowie anderen Laugen und Säuren bekommen sie schwere Atemwegserkrankungen und Hautausschläge.

 

Kinderarbeit in den Gerbereien von Dhaka

Wettbewerb ohne Gewinner?
Für die Ledereinkäufer großer Unternehmen, Importeure, Exporteure und ausländische Manufakturen zählen später hauptsächlich der Preis und die Qualität des Leders. Weil die Preise im weltweit wichtigsten Schuh-Exportland China aufgrund steigender Löhne für Arbeiter und höherer staatlicher Umweltauflagen mittlerweile angestiegen sind, explodiert die Nachfrage nach Leder aus Bangladesch. Der Umsatz der dortigen Lederbranche hat sich in den letzten fünf Jahren auf 1 Milliarde US-Dollar erhöht und damit verfünffacht. Aber auch Kambodscha, Indonesien, Vietnam und Pakistan gewinnen für die Lederindustrie an Bedeutung. Zum Vergleich: Die durchschnittlichen Produktionskosten eines Lederschuhs aus Deutschland betrugen 2012 rund 52 Euro. Ein vergleichbarer importierter Schuh aus Asien kostete durchschnittlich 17 Euro (2). Im Handel werden diese Modelle letztendlich für 100 Euro und mehr verkauft. Händler, Hersteller und zahllose Zwischenhändler profitieren vom Großteil des Umsatzes, während ein einfacher Arbeiter in Bangladesch mit einem nicht existenzsichernden Monatslohn von 30 Euro überleben muss. Arbeitszeiten von 12 Stunden und 7 Tage die Woche sind in Bangladesch keine Seltenheit.

Den wirklichen Preis in diesem knallharten Wettbewerb um das begehrte Produkt Leder zahlen letztlich die Menschen, die Tiere und die Umwelt vor Ort in Asien.

 

 

Was Sie tun können

Zeigen Sie Mitgefühl beim Shopping! Entscheiden Sie sich beim Kauf von Bekleidung, Accessoires und Möbeln für tierleidfreie Alternativmaterialien aus hochwertigem Kunstleder, weichen Mikrofasern und recycelbarem Polyester.

 

Statistiken:
1) Schuhe 2012/2013, Hrsg. Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie, Offenbach, 2013.
2) Ebd.