Meerschweinchen-Rassen: Infos über Zucht und Qualzuchten

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Meerschweinchen gehören neben Hamstern und Kaninchen zu den am häufigsten gehaltenen Heimtieren in Deutschland. Einige „Meerschweinchen-Rassen“ sind dabei besonders beliebt. Doch während das Thema Qualzucht bei Hunden und Katzen mittlerweile vielen Menschen geläufig ist, wissen nur wenige, dass dieses Problem auch bei Kleintieren wie Meerschweinchen besteht: Werden Zuchtziele verfolgt, führt dies oft zu Qualzuchten – so auch bei Meerschweinchen. Die Leidtragenden der Zucht sind dabei immer die Tiere.

Hier finden Sie die wichtigsten Informationen zur Zucht der Tiere sowie den verschiedenen „Meerschweinchen-Rassen“ und erfahren, wie die Tiere unter der Qualzucht leiden.

Inhalte im Überblick

„Rassenwahn“ bei Meerschweinchen: Warum die Zucht problematisch ist

Eine außergewöhnliche Fellfärbung oder -struktur und sogar fehlendes Fell – viele Menschen präferieren ein außergewöhnliches Aussehen bei ihren tierischen Mitbewohnern. Dabei handelt es sich allerdings meist um Merkmale, die den Tieren bewusst angezüchtet wurden.

Die Zucht von Meerschweinchen, die oft auf bestimmte optische Merkmale zielt, bringt erhebliche ethische und gesundheitliche Probleme mit sich.

  • Die Überzüchtung auf bestimmte Merkmale wie Fellstruktur oder -farbe führt häufig zu genetischen Defekten, darunter Zahn- und Augenprobleme sowie weitere gesundheitliche Komplikationen. Überzüchtete Tiere sind nicht nur anfälliger für Krankheiten, sondern sterben auch oft sehr früh. Viele leiden ihr Leben lang.
  • Um den ästhetischen Idealvorstellungen von Menschen zu genügen und bei Zuchtausstellungen Auszeichnungen zu erlangen, werden den Tieren zunehmend unnatürliche Merkmale angezüchtet. Aufgrund eines eingeschränkten Genpools erfolgt dies oftmals durch Inzucht, also die Verpaarung verwandter Tiere, was die Problematik dadurch entstehender genetisch bedingter Krankheiten zusätzlich verschlimmert.
  • Neben genetisch angezüchteten Krankheiten beeinflusst die Zucht oftmals auch das Verhalten der Tiere. Ein stark verändertes Aussehen, beispielsweise aufgrund einer züchterisch veränderten Körperform oder Fellfärbung, kann die gegenseitige Kommunikation der Tiere beeinträchtigen und zu Aggressionen und Angst führen. Eigentlich sind Meerschweinchen jedoch sehr gesellige Lebewesen, die in sozialen Verbänden und Strukturen leben und auf unterschiedlichste Weise miteinander interagieren.

Das bestehende Tierschutzgesetz schützt die betroffenen Tiere dabei nur bedingt. Zwar ist es laut § 11 b verboten, Tieren Merkmale anzuzüchten, untern denen sie leiden, jedoch fehlt bis heute eine entsprechende Definition von Qualzuchten im Gesetz.

Satinmeerschweinchen
Die gezielte Zucht von Meerschweinchen in bestimmten Formen und Farben führt zu Tierleid.

Welche „Meerschweinchen-Rassen“ gibt es?  

Es gibt einige „Meerschweinchen-Rassen“, die offiziell von verschiedenen Zuchtvereinen und -verbänden anerkannt werden. Doch dabei leiden die Tiere oftmals massiv unter den ihnen angezüchteten Merkmalen. „Meerschweinchen-Rassen“ unterscheiden sich hauptsächlich in Fellstruktur, -länge und -farbe.

„Kurzhaar-Rassen“ wie Rex- und Teddy-Meerschweinchen

  • Das dichte Fell kann die Belüftung der Haut erschweren und Feuchtigkeit einschließen, was das Risiko für Schuppen, Juckreiz und Infektionen erhöht.
  • Es kommt auch vermehrt zu eingewachsenen Haaren und Entzündungen der Haarfollikel.
  • Crested-Meerschweinchen haben Haarwirbel auf dem Kopf, die dazu führen, dass Haare in die Augen wachsen und Reizungen, Infektionen oder sogar Verletzungen der Hornhaut verursachen.

„Langhaar-Rassen“

  • Peruaner-Meerschweinchen, Sheltie-Meerschweinchen oder auch Satin-Meerschweinchen, Coronet-Meerschweinchen, Texel-Meerschweinchen und Merino-Meerschweinchen sind anfällig für Verfilzungen, vor allem wenn sie nicht regelmäßig gepflegt werden.
  • Verfilztes Fell kann Hautreizungen, Infektionen und Parasitenbefall verursachen.
  • Die ständige Pflege des Fells kann bei den Tieren enormen Stress auslösen.
  • Tiere mit langem Fell sind anfälliger für Überhitzung, insbesondere in warmen Umgebungen oder während heißer Sommermonate. Das dichte Fell kann es den Tieren erschweren, ihre Körpertemperatur zu regulieren.

„Rassen“ mit besonderen Fellstrukturen wie Rosetten- oder Abessinier-Meerschweinchen, Somali-Meerschweinchen

  • Haarwirbel und Hautreizungen: Die charakteristischen Haarwirbel (Rosetten) können zu Hautreizungen führen, insbesondere wenn die Haare in ungewöhnliche Richtungen wachsen. Dies kann zu Reizungen, Entzündungen und Infektionen der Haut führen.
  • Follikulitis: Die dichte Anordnung der Haarwirbel kann zu verstopften Haarfollikeln und Entzündungen führen, was als Follikulitis bekannt ist.
  • Haarwachstum in die Augen: Wie bei anderen „Rassen“ mit Haarwirbeln können Haare in die Augen wachsen und Reizungen, Infektionen oder Verletzungen der Hornhaut verursachen.

Haarlose Rassen“ wie Skinny- und Baldwin-Meerschweinchen

  • Empfindliche Haut: Ohne den Schutz eines Fells ist die Haut dieser Meerschweinchen besonders empfindlich und anfällig für Verletzungen, Kratzer und Schürfwunden.
  • Sonnenbrand: Da sie kein Fell haben, sind haarlose Meerschweinchen sehr anfällig für Sonnenbrand.
  • Unterkühlung: Ohne Fell haben diese Meerschweinchen Schwierigkeiten, ihre Körpertemperatur zu regulieren. Sie sind anfälliger für Unterkühlung in kalten Umgebungen.
  • Schwaches Immunsystem: Haarlose Meerschweinchen können ein schwächeres Immunsystem haben, was sie anfälliger für Infektionen und Krankheiten macht.
  • Reizungen und Infektionen der Augen: Die Augen können aufgrund des fehlenden Schutzes durch das Fell leichter gereizt werden und sind anfälliger für Infektionen.

Die selektive Zucht zur Erreichung bestimmter äußerlicher Merkmale kann das Risiko genetischer Störungen erhöhen, dazu gehören:

  • Probleme mit dem Immunsystem.
  • Erkrankungen der Organe sowie muskuläre und skelettale Anomalien.

Leider werden „Rassen“ immer wieder gezüchtet oder es werden neue Zuchtlinien ausprobiert, obwohl die Tiere enorm unter Qualzuchtmerkmalen leiden und bereits tausende Tiere in den deutschen Tierheimen auf ein neues Zuhause warten.

Welche „Meerschweinchen-Rassen“ sind Qualzuchten?

Die folgenden „Rassen“ sind in der Meerschweinchen-Haltung leider sehr beliebt. Dennoch handelt es sich um Qualzuchten, die mit enormem Tierleid verbunden sind.

1. Nacktmeerschweinchen

Zu den sogenannten Nacktmeerschweinchen gehören die „Rassen“ Skinny und Baldwin. Wie der Name sagt, sind diese Meerschweinchen meist komplett nackt. Baldwin-Meerschweinchen haben zudem weder Wimpern noch Tasthaare, was die Tiere im täglichen Leben stark einschränkt, denn der Tastsinn ist für Meerschweinchen überlebenswichtig. Aufgrund ihres besonders schwachen Immunsystems stehen Nacktmeerschweinchen Krankheitserregern hilflos gegenüber und können nach nur wenigen leidvollen Wochen sterben. Hinzu kommt, dass die Tiere meist kleinwüchsig sind. [1]

Die „Rasse“ Skinny verfügt zwar über Wimpern und Tasthaare, leidet aber dennoch unter dem Fehlen des schützenden und wärmenden Fells. Aufgrund dessen sind die Tiere bei Streitereien den Bissen von Artgenossen schutzlos ausgeliefert. [2]

Ein graues Nacktmeerschweinchen, dass auf einem weissen Tuch steht.
Nacktmeerschweinchen haben fast gar kein Fell und oftmals keine Wimpern oder Tasthaare.

2. Dalmatiner- und Schimmelmeerschweinchen

Bei Dalmatiner- und Schimmelmeerschweinchen handelt es sich um Tiere mit weißer oder gescheckter Fellfärbung. Bei einer reinerbigen Verpaarung kommt es häufig zu schwer missgebildeten oder toten Nachkommen.

In der Regel sind die Jungtiere zahnlos und blind. Zudem weisen sie weitere schwerwiegende Organschäden auf, die spätestens nach der Geburt häufig zum Tod führen. Auch für die Mutter kann eine Geburt von Babys mit Fehlbildungen lebensbedrohlich sein. Die Zucht dieser Tiere ist risikobehaftet, mit enormem Tierleid verbunden und damit unverantwortlich. [2]

Ein Dalmatinermeerschweinchen steht auf einem Spiegel.
Dalmatiner- und Schimmelmeerschweinchen erkennt man am geschecktem Fell.

3. Satin-Meerschweinchen

Satin-Meerschweinchen sind für ihr besonders glänzendes Fell bekannt. Dieser Glanz entsteht, weil die Haare der Tiere innen hohl sind und so das Licht besser reflektieren. Viele Satin-Meerschweinchen leiden an einer unheilbaren, genetisch vererbbaren Knochenerkrankung namens „Satin-Krankheit“ oder „Osteodystrophie“. [3]

Die Krankheit, die meist zuerst das Hüftgelenk und den Kiefer betrifft, ist auf eine Stoffwechselstörung zurückzuführen, die dem Knochen kein Kalzium zuführt, sondern entzieht. Folglich können die Tiere immer schlechter Nahrung aufnehmen und sich nicht mehr richtig bewegen. Auch wenn man die Erkrankung durch ein Röntgenbild erkennen kann, ist sie nicht behandelbar und führt für betroffene Tiere zu großem Leid. Bei fortgeschrittener Krankheit bleibt meist nur das Erlösen der Meerschweinchen durch Einschläfern. [4]

Ein Satin-Meerschweinchen mit glaenzendem braunen Fell huepft ueber eine Wiese.
Die Haare des Satin-Meerschweinchens sind innen hohl und reflektieren so das Licht besser.

Die hier dargestellten „Rassen“, Erkrankungen und Symptome erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sind vielmehr Beispiele für das Leid von qualgezüchteten Meerschweinchen. Die meisten „Rassen“ sind gleichzeitig von mehrfachem Leid betroffen, sodass in diesem Rahmen nicht alle Erkrankungen und Auswirkungen der Qualzucht genannt werden können.

Wie leiden Meerschweinchen unter der Qualzucht?

Um bestimmte Merkmale beim Nachwuchs zu erhalten, werden oft verwandte Tiere verpaart. Die Inzucht führt häufig zu einer geringeren genetischen Vielfalt und erhöht die Anfälligkeit für genetische Defekte und Krankheiten. Inzucht kann auch Verhaltensprobleme und eine geringere Lebenserwartung verursachen.

Qualzuchten führen oft zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen, die das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Meerschweinchen erheblich beeinträchtigen können. Zudem können gezüchtete Merkmale das natürliche Verhalten der Tiere negativ beeinflussen, was zu Stress und Verhaltensauffälligkeiten führen kann.

Meerschweinchen aus Qualzuchten benötigen oft eine intensivere Pflege und tierärztliche Betreuung, was für viele Halter:innen eine Herausforderung darstellt – auch finanziell.

Adopt, don’t shop: Adoptieren Sie Meerschweinchen, statt sie zu kaufen

Skrupellose Züchter:innen degradieren Tiere regelrecht zu Ware – dabei sind Meerschweinchen empfindsame Lebewesen mit individuellen Bedürfnissen. Bei der Zucht stehen maximale Profite immer vor dem Wohl der Tiere.

Wer Meerschweinchen bei Züchter:innen kauft, unterstützt nicht nur eine tierquälerische Branche, sondern nimmt auch einem der zahllosen Tiere im Tierheim die Chance auf ein neues Zuhause. Allein in deutschen Tierheimen warten jedes Jahr rund 350.000 Tiere auf eine neue Familie.

Viele Menschen, die Meerschweinchen bei Züchter:innen oder im Zoohandel kaufen, sind sich der langfristigen Verantwortung nicht bewusst. Sie unterschätzen die Ansprüche, Pflege und Kosten, weshalb sie die Tiere später oft im Tierheim abgeben oder aussetzen.

Helfen Sie, das Leid der Tiere zu beenden

  • Kaufen Sie niemals ein Meerschweinchen bei Züchter:innen oder im Zoohandel. Dort geht es nicht um das Wohl der Tiere, sondern allein um den Profit, den man mit der „Ware“ Tier machen kann. Die Tiere werden massenhaft und ohne Rücksicht auf ihr Wohlergehen unter schlimmsten Zuständen „produziert“.
  • Sollten Sie sich nach reiflicher Überlegung dazu entscheiden, ein Meerschweinchen aufzunehmen, wenden Sie sich bitte an ein örtliches Tierheim oder einen Tierschutzverein. Dort warten viele Tiere auf ein liebevolles neues Zuhause.
  • Unterschreiben Sie bitte unsere Petition für ein Heimtierschutzgesetz, mit der wir von PETA Deutschland ein Verbot von Qualzuchten fordern – nur so kann das Leid der Tiere nachhaltig beendet werden.