Das traurige Leben der Menschenaffen in der Wilhelma Stuttgart

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Update vom Juli 2022

Wilhelma beendet Orang-Utan-Haltung

Im Juli 2022 gab die Stuttgarter Wilhelma bekannt, die Orang-Utan-Haltung zu beenden. Moni, Karo und Batak werden an zoologische Einrichtungen in Belgien überführt. Auch wenn die Orang-Utans in einem anderen Zoo weiterhin in Gefangenschaft leben müssen, begrüßen wir von PETA Deutschland diesen ersten wichtigen Schritt und fordern, auch die Haltung anderer Menschenaffen auslaufen zu lassen.

Originaltext vom 7. September 2020

Derzeit leben etwa 450 Menschenaffen in insgesamt 35 deutschen Zoos und Tierparks in permanenter Gefangenschaft. Die Folgen der mangelhaften Haltungsbedingungen in zoologischen Einrichtungen sind Krankheiten, Verhaltensstörungen und oft der viel zu frühe Tod. Leider ist auch der Zoo in Stuttgart keine Ausnahme, denn hier leiden Orang-Utans, Gorillas und Bonobos.

Orang-Utan Moni: Nach 40 Jahren zum ersten Mal im Außengehege

Stellen Sie sich vor, Sie leben 40 Jahre lang eingesperrt in Räumen, die an eine Mischung aus Betonbunker und geflieste Bahnhoftoilette erinnern. So erging es Orang-Utan-Dame Moni und ihrer Schwester Carolin. Erst mit der Renovierung des alten Affenhauses in 2013 – es war seit 1972 nicht saniert oder renoviert worden – und einem damit nötigen Umzug in ein Gehege mit Außenbereich spürte Moni zum ersten Mal Gras unter den Füßen. Zuvor hatte sie 40 Jahre lang in einem Betonbunker gelebt, dessen einziger Bezug zur Außenwelt ein Glaskasten mit Rindenmulch war. [1] [2]

Doch von „artgerecht“ ist die Anlage in Stuttgart weit entfernt: In der Natur verbringen Orang-Utans die meiste Zeit ihres Lebens hoch oben in den Baumkronen des Regenwalds – etwas, das ihnen in Gefangenschaft verwehrt bleibt.

Affengehege Wilhelma

Menschenaffen in Baracken gehalten

Die Wilhelma ist ein Paradebeispiel, das aufzeigt, warum es damals wie heute falsch ist, unsere nächsten Verwandten in Zoos einzusperren. Der Umbau der Wilhelma von einer Menagerie des Königs zur Tierbeschauungsanstalt für die Massen begann nach dem Zweiten Weltkrieg – und nur ein paar Jahre später nahm das Leid der Menschenaffen seinen Anfang. 1958 holte der Zoo mit drei Schimpansen aus einem Zirkus die ersten Menschenaffen nach Stuttgart. [3]

Kurze Zeit später wurden auch vier Orang-Utans sowie Bonobos in den Zoo gebracht. Gemeinsam wurden sie in regelrechten Baracken gehalten, in denen sie zum Erlernen von Kunststücken zur Belustigung der Besucher erniedrigende Dressuren ertragen mussten. Zum Beispiel zwang die damalige Zooleitung den Tieren Tischmanieren auf: Vier Orang-Utans mussten dabei entgegen ihrer natürlichen Körperhaltung auf Stühlen an einem Tisch sitzen und umständlich Brei aus Schüsseln löffeln. [4]

Kaufhaus Breuninger finanzierte Wildfänge

1965 wurden zwei Gorillakinder als Wildfänge aus Kamerun nach Stuttgart gebracht. Ihre Eltern wurden vermutlich beim Einfangen getötet – das war der übliche Weg, an die Kinder zu kommen. Die Gorillas waren eine „Stiftung“ des Kaufhauses Breuninger an die Wilhelma und kosteten das Kaufhaus 20.000 Mark pro Affe. Mimi und Schlamper sollten als Grundstock zur Gorillazucht im Zoo dienen. Zeitweise wurden die traumatisierten Gorillakinder sogar in einem Gehege im Kaufhaus in der Innenstadt ausgestellt, weil es im Zoo noch keinen Platz für sie gab. [5]

Gorilla Mimi in der Wilhelma Stuttgart
Gorilla Mimi

Mimi lernte nie, ihre Babys aufzuziehen

Mimi ist der viertälteste Gorilla in Zoos weltweit. [5] Wie die Orang-Utan-Schwestern Moni und Carolin hatte auch Mimi mit Öffnung der neuen Anlage zum ersten Mal seit 48 Jahren natürlichen Boden unter den Füßen. Mimi ist ein Beispiel dafür, was es bedeutet, wenn Affenkinder früh von ihrer Familie und ihrer natürlichen Umgebung getrennt werden: Ausnahmslos alle ihrer elf Kinder, zahlreichen Enkel und Urenkel leben in Gefangenschaft. Pfleger päppelten ihre Affenbabys, bis auf eines, mit der Flasche auf. Als Wildfang, der seiner Familie im Kindesalter entrissen wurde, hatte Mimi nie gelernt, wie man Babys aufzieht und wie ein intaktes Familiengefüge unter Gorillas in freier Natur funktioniert. [6] Auch sogenannte Handaufzuchten lernen auf diese Weise nie ein artgemäßes Sozialverhalten.

Statt Artenschutz: 22 Millionen für einen mangelhaften Betonbau

Statt den Artenschutz in den natürlichen Lebensräumen der Tiere voranzutreiben, entschied sich die Leitung der Wilhelma dazu, ein neues Affenhaus für 22 Millionen Euro zu bauen. Im Sinne des Artenschutzes wäre das Geld jedoch besser in Projekten zur Etablierung neuer Schutzgebiete angelegt gewesen, um den Menschenaffen dauerhaft ein sicheres Überleben in Freiheit zu ermöglichen.  

Um Zoobesuchern Engagement für echte Artenschutzbemühungen vorzugaukeln, hat der Zoodachverband EAZA zwischen 2010 und 2011 eine Menschenaffenkampagne durchgeführt, bei der europäische Zoos Spendengelder von Besuchern sammeln sollten. Mit 15.000 Euro Spendengeldern, die nicht einmal vom Zoo selbst stammten, brüstete sich die Wilhelma als besonders erfolgreich. Insgesamt kamen bei der Aktion 420.000 Euro aus 300 europäischen Zoos zusammen. Im Durchschnitt sind das 1.400 Euro pro Zoo [7] – ein verschwindend geringer Beitrag im Vergleich zu den jährlichen Kosten für die Gefangenhaltung der Tiere.

menschenaffe in der willhelma

Auch das neue, 2013 eröffnete Gehege für Menschenaffen, das 22 Millionen Euro kostete, ist mangelhaft und nicht artgerecht. Bereits kurz nach ihrem Einzug starben zwei Bonobo-Kinder an einer Lungenentzündung. [8] Die Infektionen wurden vermutlich durch Mängel in der Lüftungsanlage ausgelöst. 2017 starb ein weiterer Menschenaffe, der Orang-Utan Moritz, an einem Lungeninfekt. [9]

Von wegen Modernisierung: Betonböden, harte Stufen und Edelstahlrohre

Im neuen Menschenaffenhaus leben die Gorillas in einem teilbaren Innengehege von etwa 600 Quadratmetern Grundfläche. Die Gehegefläche der Bonobos beträgt mit etwa 350 Quadratmetern sogar noch weniger. [10] In der Natur leben Bonobos in ganz anderen Verhältnissen: Ihre Reviergröße beträgt in einer großen Gruppe bis zu 68 Quadratkilometer. [11] Trotz Außenanlagen mit rund 2.300 Quadratmetern für die Gorillas und rund 1.200 Quadratmetern für Bonobos leben die Tiere in Stuttgart also noch immer beengt und fernab ihrer natürlichen Bedürfnisse. So besteht auch der Boden des neuen Affenhauses weitestgehend aus Beton und etwas Rindenmulch – was bei Abstürzen von dem Klettergerüst aus Edelstahlrohren mit Seilen und Feuerwehrschläuchen ein hohes Verletzungsrisiko birgt.

Artenschutz sieht anders aus

Wenn Zoos wirklich etwas am Artenschutz läge, würden sie die Haltung von Menschenaffen beenden und die dadurch freiwerdenden Mittel für Artenschutzprojekte zum Schutz der natürlichen Lebensräume von Menschenaffen verwenden. Jedes Jahr erhalten städtische Zoos in Deutschland mehrere Millionen Euro an Steuergeldern, die sie in sinnlose Zuchtprogramme investieren: Bisher wurde kein Menschenaffe aus deutschen Zoos ausgewildert. Die Tiere können die Verhaltensweisen, die sie in freier Wildbahn zum Überleben bräuchten, in der Gefangenschaft der Zoos gar nicht erlernen.

Menschenaffen raus aus Zoos!

  • Setzen Sie ein klares Zeichen gegen Speziesismus, indem Sie keine Zoos oder Tierparks besuchen.
  • Klären Sie Ihre Freunde und Familie über die mangelhaften Haltungsbedingungen von Tieren in Zoos auf.
  • Unterschreiben Sie unsere Petition, um die Haltung von Menschenaffen in Gefangenschaft endlich zu beenden.