Minipferde sind klein gezüchtete Pferde, die zahlreiche Qualzuchtmerkmale aufweisen. Ein typisches Kennzeichen sind die Größe und Anzahl ihrer Zähne. Trotz ihres kleineren Kopfes entsprechen die Zähne von Minipferden hinsichtlich Größe und Anzahl nämlich denen von Großpferden – was den Tieren unsägliche Schmerzen bereiten kann.
Wir von PETA Deutschland haben mit Tierarzt Dr. Timo Zwick von der Tierärztlichen Klinik Gessertshausen über Zahnprobleme bei sogenannten Minipferden gesprochen.
Was sind Minipferde?
Neben dem allgemeinen Überbegriff der Ponys ist die wohl bekannteste Minipferderasse das „Amerikanische Miniaturpferd“ (American Miniature Horse). Minipferde erreichen eine maximale Körpergröße von 86,5 Zentimetern und sind damit noch kleiner als ihre kleinwüchsigen Verwandten, die Ponys, mit einer Maximalhöhe von 148 Zentimetern. Und genau das birgt große Gefahren, denn die Zähne der Minipferde sind annähernd genauso groß wie die ihrer großen Artgenossen.
Zahlreiche Minipferde müssen zahnmedizinisch behandelt werden
Im Gespräch erzählt uns Dr. Timo Zwick, Veterinärmediziner mit Schwerpunkt Pferdezahnheilkunde, dass regelmäßig „kleine Patienten“ die Tierärztliche Klinik Gessertshausen aufgrund von Zahnproblemen und Zahnerkrankungen aufsuchen. Dabei handelt es sich um eigentlich gesunde Tiere, die aufgrund der Zucht hin zu einer immer geringeren Körpergröße jedoch physische Probleme aufweisen.
Insgesamt sind in der Zahnstation der Tierärztlichen Klinik Gessertshausen jährlich rund 5.000 Pferde (Klein- und Großpferde) in Behandlung. 700 bis 800 Tiere müssen zahnmedizinisch operativ behandelt werden – davon sind ungefähr zehn Prozent Kleinpferde, also Ponys oder Minipferde.
Qualzucht: Klein gezüchteter Kopf führt zu Zahnproblemen
Laut Dr. Timo Zwick sei besonders auffällig, dass die Köpfe der Minipferde im Zusammenhang mit der Zucht auf eine kleine Körpergröße der Tiere ebenfalls klein gezüchtet werden. Dies diene dazu, die Proportionen an den restlichen Körper anzupassen. Allerdings führt diese Zuchtpraxis zu einem Problem, denn je kleiner der Kopf ist, desto weniger Platz haben die Zähne.
Diese Problematik besteht auch bei Großpferden, denn der Trend gehe dahin, „moderne Pferde“ mit kleineren, grazileren Köpfen zu züchten. Das Zuchtziel sei daher zunehmend ein feiner Kopf, der aber unabhängig von seiner Größe weiterhin dieselbe Anzahl an Zähnen in der ursprünglichen Größe aufweist.
Unter diesen Krankheiten leiden Minipferde
Ein ausgewachsenes Pferd, egal ob groß oder klein, verfügt über 24 Backenzähne – und die brauchen Platz. Steht während des Wachstums nicht ausreichend Raum zur Verfügung, versuchen die Zähne auszuweichen. Es kommt zu einem Engstand, dem sogenannten „Crowding-Problem“. Dabei haben Minipferde häufiger Probleme mit dem letzten Backenzahn. Bei einer verhältnismäßigen Proportion von Kopf und Zähnen liegt die Wurzel des letzten Zahnes noch vor dem Pferdeauge. Bei Minipferden hingegen kann sie in Kontakt mit der knöchernen Augenhöhle kommen und dem Tier damit große Schmerzen bereiten.
Darüber hinaus ist auch die Länge der Zähne im Vergleich zur Kopfgröße ein großes Problem. Zu lange Zähne führen beim Zahnwechsel teilweise zu sogenannten Bumps oder Schwellungen im Ober- oder Unterkiefer des Tieres, die als Knäste bekannt sind. Bei Minirassen tritt dieses Problem häufiger auf als bei Großpferden. Die Schwellungen oder Vorwölbungen können bis in die Nasenmuschel und Nasengänge reichen und Atemprobleme verursachen.
Ein Zahn wächst nach seinem Wechsel oder Durchbruch noch bis zu fünf Jahre in die Länge, erzählte uns Dr. Timo Zwick. Das Problem der Zahnlänge bei jungen Pferden liegt darin, dass die Zähne während des Wachstums nicht genügend Platz haben und ohne medizinische Behandlung ein Leben lang falsch stehen. Das bereitet den Minipferden Probleme bei der Nahrungsaufnahme und verursacht starke Schmerzen und Entzündungen. Der Druck auf die Augenhöhle kann zum Hervortreten der Augäpfel führen. Darüber hinaus sammelt sich bei einem Schiefstand der Zähne Nahrung in den Zahnzwischenräumen, was zu Entzündungen (Parodontitis) führen kann.
Die Behandlung von Zahnproblemen ist sehr aufwändig
Fehlstellungen der Zähne und entstehende Verwachsungen im Kiefer führen nach dem Zahnwechsel zu Problemen und verursachen einen für die Pferde unangenehmen Druck. Es kann zu Entzündungen kommen und in der Folge notwendig sein, einen oder mehrere Zähne operativ zu entfernen beziehungsweise zu ziehen.
Beim sogenannten „Crowding“ ist die Behandlung des letzten Backenzahns, der bis an die Augenhöhle ragt, sehr aufwändig. Erst eine Computertomographie zeigt das vollständige Ausmaß des Zuchtmerkmales. Selbst wenn der Zahn gesund ist, kann eine Entfernung sinnvoll sein, um Platz zu schaffen, den Druck zu senken und die Schmerzen zu lindern. Alternativ ist es möglich, einen weiter vorne gelegenen Zahn zu ziehen, um Platz zu schaffen und den schmerzhaften Druck auf die Augenhöhle zu beseitigen.
Werden Minipferde nicht behandelt, drohen weitere Krankheiten
Minipferde, die nicht behandelt werden, können auch schwere Entzündungen der Nasennebenhöhlen entwickeln, die ebenfalls durch den zu kleinen Kopf und die damit verbundenen Abflussprobleme der Nasennebenhöhlen entstehen. Von hier können die Erreger bis ins Gehirn gelangen und dort Infektionen auslösen oder sich tief in den die Nasennebenhöhlen begrenzenden Knochen festsetzen. Diese Erkrankungen führen häufig zum Tod der Tiere.
Aufgrund ihrer unnatürlich großen Zähne ist die Lebensqualität der Minipferde allgemein beeinträchtigt – und Parodontitis ist eines der Probleme. Wenn die Zähne nicht korrekt stehen, können sich Nahrungsreste in den Zahnzwischenräumen festsetzen, zu Entzündungen führen und starke Schmerzen verursachen. Außerdem können die Pferde nicht richtig essen und die Nahrung nicht ausreichend verwerten, was unter anderem zu Mangelernährung und fehlender Nährstoffaufnahme führt.
Pferdezahnmediziner fordert: Tierwohl darf nicht ignoriert werden
Dr. Timo Zwick operiert jährlich zahlreiche Minipferde mit Zahnproblemen und behandelt viele weitere zahnmedizinisch. Er fordert, dass Qualzuchtmerkmale vermieden, die Zahngesundheit berücksichtigt und mehr Aufklärungsarbeit über die Probleme dieser Rassen betrieben werden sollten. Bei Hunderassen seien Qualzuchtmerkmale bekannter, bei Pferden stehe dies noch am Anfang, so der Mediziner. Seiner Meinung nach ist es ein tierschutzrelevantes Problem, dass Pferde nach vermeintlich ansprechenden optischen Merkmalen gezüchtet werden, dabei jedoch die Schäden, die die Zucht mit sich bringt, unberücksichtigt bleiben.
Wie Sie Pferden helfen können
Unterstützen Sie keine Qualzuchten: Kaufen Sie Pferde nicht bei Züchter:innen, sondern geben Sie einem Pferd in Not ein Zuhause. Wenden Sie sich hierzu vertrauensvoll an Tierschutzvereine oder Organisationen, die sich auf die Vermittlung von Pferden spezialisiert haben.
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Quellen
[1] Classic Dressage: Unsere Mini-Pferde, https://www.classic-dressage.de/unsere-mini-pferde/ (eingesehen am 30.09.2022)
[2] Deutsche Reiterliche Vereinigung: Deutsche Ponyzucht, https://www.pferd-aktuell.de/pferdezucht/ponys (eingesehen am 30.09.2022)