Was sich nach einer längst überholten Methode anhört, ist in vielen Weiterbildungsangeboten für Mediziner noch gang und gäbe – auch in Deutschland! Schweine und Schafe werden narkotisiert und dann auf einem OP-Tisch fixiert. Oft werden ihnen noch künstlich Verletzungen zugefügt, um sie in einen lebensbedrohlichen Zustand zu versetzen. So wurden uns beispielsweise Whistleblower-Informationen zugetragen, wonach Schweinen in Beatmungskursen der Kot von Säuglingen in die Lungen gefüllt wird, um eine Entzündung hervorzurufen. Dann beginnen die chirurgischen Übungen: Die Schweine oder Schafe werden aufgeschnitten, intubiert, es werden ihnen Organe entnommen oder eingepflanzt, sie werden „medizinisch versorgt“ und wieder zugenäht. Am Ende lässt man sie einfach sterben und entsorgt sie.
Moderne Alternativmethoden
Das ist nicht nur ethisch untragbar, sondern auch rückschrittlich und alles andere als modern und zielgerichtet. Es gibt bereits zahlreiche innovative Alternativen zum Missbrauch von Lebewesen als Übungsmaterialien, darunter TraumaMan, VATS Simulator und zahlreiche andere. Die Simulatoren können durchblutet werden, je nach Modell sogar mit variablem Blutdruck und Puls, und somit auch starke Blutungen nachstellen. Anatomie und Gewebeschichten entsprechen dem menschlichen Vorbild.
Der künstliche Thorax eines TraumaMan beispielsweise umfasst eine Brustwand mit Schlüsselbein, Brustbein, Rippen und Interkostalmuskeln, aufblasbare Lungen sowie ein Herz und ein Perikard, die mit künstlichen Körperflüssigkeiten gefüllt werden können.
Der künstliche Torso des VATS Simulator bildet sowohl Haut und Muskeln als auch Knochengewebe und interkostales Muskelgewebe nach, so dass OPs am und im Thorax realitätsnah durchgeführt werden können.
Zudem gibt es verschiedene Techniken (z. B. Methode nach Thiel (1) oder Minneti (2), um Körperspenden künstlich zu durchbluten und so die realistische Situation bestmöglich nachzustellen. All diese Alternativen sind somit nicht nur lebensecht, sondern ermöglichen sogar das Üben am richtigen Organismus: dem Menschen!
Bessere Ergebnisse
Die Simulatoren sind anatomisch realistischer als das Üben an Tieren und ermöglichen die Wiederholung von Übungen, wodurch ein besserer Lerneffekt möglich ist. Medizinische Fehler nehmen dadurch ab, zudem ist die Nutzung von Simulatoren ökonomischer. (3,4,5) Somit ist es nicht verwunderlich, dass die Verwendung dieser tierfreien Methoden bereits vielfach üblich und bewährt ist.
Widerspruch zum Tierschutzgesetz
Auch juristisch ist die Lage eindeutig: Das deutsche Tierschutzgesetz besagt unter § 7a Abs. 1, S. 1 Nr. 7 TierSchG, dass Tierversuche zur Aus-, Fort- oder Weiterbildung nur durchgeführt werden dürfen, wenn sie unerlässlich sind. Dabei gilt entsprechend § 7 Abs. 2 Nr. 2 TierSchG:
Hierbei ist auch in Kauf zu nehmen, zur Vermeidung eines einzelnen Tierversuches mehrere Alternativversuche durchzuführen, oder die Fragestellung des Versuchs abzuändern. (6) Ein lediglich geringerer, finanzieller, zeitlicher oder Arbeitsaufwand gegenüber dem Tierversuch reicht nicht aus, um dessen Unerlässlichkeit zu begründen. (7)
Momentan gibt es in Deutschland mindestens zehn Anbieter solcher Fortbildungskurse. Ihr Angebot umfasst unter anderem Übungen zur Organtransplantation, „Naht-Kurse“ oder Weiterbildungen im Bereich der Thorakoskopie und Laparoskopie (chirurgische Methoden zur Untersuchung des Brustkorbs bzw. Bauchraums).
Erfolg!
2018 konnten wir in Deutschland bereits einen ersten Erfolg verbuchen: Das Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara in Halle/Saale ist nach Verhandlungen mit PETA auf eine tierleidfreie Methode umgestiegen und tötet im Rahmen seiner jährlichen Fortbildung künftig keine Schweine mehr.
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Quellen:
(1) Morand, P. et al., 2005: Endoscopic and Thoracoscopic Training on Thiel Human Cadavers: A Model to Teach Advanced Procedures. CHEST, vol. 128 , issue 4.
(2) Minneti, M. et al., 2018: The Development of a Novel Perfused Cadaver Model With Dynamic Vital Sign Regulation and Real-World Scenarios to Teach Surgical Skills and Error Management. Journal of Surgical Education, vol. 75, issue 3, pp. 820 – 827.
(3) D. Scott et al., 2000: Laparoscopic Training on Bench Models: Better and More Cost Effective Than Operating Room Experience? Journal of the American College of Surgeons, vol. 191, pp. 272 – 283.
(4) G. Fried et al., 2004: Proving the Value of Simulation in Laparoscopic Surgery. Annals of Surgery, vol. 240, pp. 518 – 525.
(5) Patronek, G. J., & Rauch, A., 2007: Systematic review of comparative studies examining alternatives to the harmful use of animals in biomedical education. Journal of the American Veterinary Medical Association, vol. 230, no. 1, pp. 37-43.
(6) Hirt/Maisack/Moritz, Kommentar zum Tierschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 7a TierSchG, Rn. 11.
(7) VG Hannover Urt. Vom 30.09.2013, Az.: 11 A 3671/11.