In Deutschland ist der politische Tierschutz bislang im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) angesiedelt. Das wichtige Thema ist im BMEL jedoch völlig fehl am Platz. Ein Tierschutzskandal folgt auf den nächsten – doch am System, Tiere im industriellen Maßstab für den Profit zu quälen, ändert sich nichts. Im Gegensatz zu Tiernutzern können Tiere ihre Interessen jedoch nicht selbst vertreten. Als Konsequenz werden im BMEL vorrangig die Interessen der Agrarindustrie und anderer Tiernutzer bedient. Dies zeigt sich fast täglich in Form von Verordnungen, Gesetzen und Stellungnahmen, die vor allem die Tiernutzer begünstigen.
Ein eigenständiges Ministerium für Tierschutz würde unseren Mitgeschöpfen einen angemessenen Stellenwert in unserer Gesellschaft verleihen, Kompetenzen bündeln und den politischen Einfluss der Industrie zurückdrängen.
INSA-Umfrage: Mehrheit der Deutschen befürwortet ein Tierschutzministerium
Mit 48 Prozent spricht sich eine relative Mehrheit der Deutschen für die Schaffung eines eigenen Tierschutzministeriums aus. Wie das Meinungsforschungsinstitut INSA-Consulere im November 2020 ermittelte, lehnten dies lediglich 20 Prozent der Befragten ab. 31 Prozent zeigten sich unentschlossen oder machten keine Angabe.
Misshandlung von Tieren durch die Politik institutionalisiert
Durch zahlreiche Recherche-Veröffentlichungen in den Medien ist die alltägliche Gewalt gegen Tiere in Schlachthöfen, Agrarbetrieben, Tierversuchslaboren und weiteren tiernutzenden Einrichtungen allgegenwärtig geworden. Ganz legal werden Schweinen, Hühnern und Kälbern ohne Betäubung Körperteile amputiert, um die Tiere an die Haltungssysteme anzupassen. „Eintagsküken“ werden in Massen vergast; ein großer Teil der Kühe leidet unter lebenslanger Anbindehaltung und in Versuchslaboren werden jährlich mehrere Millionen Tiere in sinnlosen Testreihen zu Tode gefoltert.
Behördliche Kontrollen verhindern diese systembedingte Tierquälerei nicht, denn das Leid der Tiere ist Bestandteil des wirtschaftlichen Systems zahlreicher Branchen und durch Verordnungen, Gesetze und Leitlinien institutionalisiert.
Tierfeindlicher Lobbyismus
Über die Hälfte der Unionsmitglieder im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft des Bundestages haben auch einen Posten im Deutschen Bauernverband. Dies offenbarte eine Studie des Instituts Arbeit und Wirtschaft (iaw) der Universität Bremen im Auftrag des Nabu (2019) [1]. Für die Belange der Tiere ist dies eine verhängnisvolle Situation, denn insbesondere in diesem Ausschuss werden alle wichtigen Entscheidungen im politischen Tierschutz getroffen. Selbst bei einigen CDU-Bundestagsabgeordneten, die auch Landwirte sind, wurden tierschutzwidrige Zustände aufgedeckt. Bessere Tierschutzgesetze werden hingegen insbesondere von der CDU/CSU regelmäßig blockiert und abgelehnt. Bereits 2013 zeigte eine Studie die Vernetzung der Agrarindustrie und -politik in Deutschland. Besonders die großen Unternehmen der Agrarwirtschaft sind in den Parlamenten ausgeprägt repräsentiert. [2]
In seiner vielbeachteten Stellungnahme „Tierwohlachtung“ betonte 2020 der Deutsche Ethikrat [3]: „Institutionalisierte Interessenkonflikte und einseitige Besetzungen sind zu vermeiden. Schon die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft für Tierschutzfragen ist in diesem Sinne problematisch.“
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Quellen
[1] Institut Arbeit und Wirtschaft (iaw) der Universität Bremen (2019): Verflechtungen und Interessen des Deutschen
Bauernverbandes, www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/landwirtschaft/agrarreform/190429-studie-agrarlobby-iaw.pdf, zuletzt eingesehen am 16.10.2019
[2] Veikko Heintz (2013): Die Vernetzung der Agrarindustrie und Agrarpolitik in Deutschland, https://www.paktev.de/mediapool/107/1071834/data/PDF_S/Die_
Vernetzung_der_Agrarindustrie_und_Agrarpolitik_in_Deutschland.pdf, zuletzt eingesehen am 16.10.2019[3] Deutscher Ethikrat (2020): Tierwohlachtung – Zum verantwortlichen Umgang mit Nutztieren (Stellungnahme)