Das Tierschutzgesetz besagt, es sei verboten und sogar strafbar ein Tier zu töten. Gerechtfertigt sei dies nur, wenn ein „vernünftiger Grund“ vorliege. [1] Aber was kann ein „vernünftiger Grund“ sein, der es im Jahr 2024 rechtfertigt, ein Lebewesen weit vor seiner natürlichen Lebenserwartung zu töten?
Wir von PETA Deutschland fordern den Personenstatus und Grundrechte für Tiere. Die Folge wäre das Ende jeglicher „Tiernutzung“, und damit auch der Tötung von Tieren. Dadurch wären vermeintliche „Schutzgesetze“ wie das Tierschutzgesetz unnötig – und auch undurchsichtige Begriffe wie der vernünftige Grund würden der Vergangenheit angehören.
Was ist der Grundsatz des Tierschutzgesetzes?
Das deutsche Tierschutzgesetz wurde am 1. Oktober 1972 erlassen und seitdem diverse Male überarbeitet. Ziel des Tierschutzgesetzes ist es, das Leben und Wohlbefinden von Tieren zu schützen. Es besagt, dass niemand einem Tier ohne „vernünftigen Grund“ Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen – bzw. töten darf. Allerdings bleibt offen, was als „vernünftiger Grund“ gilt.
In den letzten Jahren wurden zwar einige Fortschritte gemacht, wie beispielsweise das Verbot des Kükentötens 2022, doch der grundlegende Konflikt zwischen dem Schutz von Tieren und den Bedürfnissen des Menschen bleibt bestehen.
Unter welchen Voraussetzungen darf ein Tier getötet werden?
Im Tierschutzgesetz wird der „vernünftige Grund“ zum Töten von Tieren nicht klar definiert, was Raum für Interpretationen lässt. Wenn eine Tiertötung bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft angezeigt wird, muss diese prüfen, ob die Tötung „vernünftig“ war. Ein Grund ist laut juristischer Definition nur dann „vernünftig“, wenn er einen legitimen Zweck verfolgt, verhältnismäßig ist und der Nutzen der Handlung so groß ist, dass er die Nachteile für die Tiere deutlich überwiegt. [2]
In der Ernährungsindustrie müsste dabei vor jeder Tötung, z. B. im Schlachthaus geprüft werden: Gibt es einen triftigen Grund? Ist er wichtiger als das Leben des Tieres, und gibt es Alternativen, die das Töten verhindern? Diese gesetzlich vorgeschriebene Abwägung wird jedoch in der Praxis nicht durchgeführt. Stattdessen werden in Deutschland täglich rund 2 Millionen Tiere für die Fleischproduktion getötet. [3]
Wir werfen die Frage auf, wie sich dieses massenhafte Töten mit „Vernunft“ vereinbaren lassen kann.
Ethische Definition: Was bedeutet „Vernunft“ überhaupt?
Um zu verstehen, was Vernunft bedeutet, muss der Begriff zunächst erklärt werden. Obwohl wir oft darüber sprechen und die Vernunft anderer infrage stellen, haben nur wenige eine klare Definition parat.
Ein Blick ins Lexikon zeigt, dass Vernunft vom Wort „vernehmen“ abgeleitet ist und Dinge wie Besonnenheit, Einsicht und Intelligenz beschreibt. [4] Praktische Vernunft bedeutet, nach Regeln zu handeln, die für alle gelten sollten. In ethischer Hinsicht ist vernünftiges Handeln also das, was für alle Lebewesen gerecht und fair ist. [5]
PETA fordert: „Vernünftiger Grund“ soll aus dem Tierschutzgesetz gestrichen werden
Das Töten von Tieren, um sie später zu nutzen, ist aus ethischer, gesundheitlicher und ökologischer Sicht und nach unserem Rechtsverständnis niemals gerechtfertigt. Auch höchstrichterlich wurde bereits entschieden, dass wirtschaftliche Interessen kein guter Grund sind, Tiere zu töten. [6]
Tiere sind fühlende Lebewesen, die Liebe, Angst und Schmerz spüren. Menschen „brauchen“ weder für Ernährung, Kleidung noch Forschung oder zur Unterhaltung den Tod von Tieren, besonders da es mittlerweile zahllose Alternativen gibt, die ohne Tierleid auskommen.
Wir von PETA Deutschland fordern daher, den Begriff „vernünftiger Grund“ als Rechtfertigung für das Töten von Tieren im Tierschutzgesetz zu streichen und die Nutzung von Tieren komplett zu beenden, indem die Tierwirtschaft schrittweise eingestellt wird.
Welchen Nutzen hat die Tierindustrie?
Jedes Jahr tötet der Mensch Millionen Tiere für Produkte, die wir nicht brauchen. Die Industrie schadet Tieren, fördert Ungerechtigkeit und gefährdet unsere eigene Existenz. Tierprodukte zu konsumieren ist irrational und schadet allen Beteiligten. Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür.
Stattdessen überwiegen die messbaren und teils schockierenden Nachteile der Tierindustrie:
- Sie befriedigt nur unsere kulinarischen Vorlieben, was keine schweren Eingriffe in das Leben der Tiere rechtfertigt.
- Sie verursacht rund 20% der Treibhausgasemissionen und trägt erheblich zur Klimakatastrophe bei. [7]
- Die Tierhaltung fördert Pandemien, da viele Krankheitserreger von Tieren auf Menschen übertragen werden.
- Der Konsum von Tierprodukten trägt zum Welthunger bei, da beispielsweise 75% der weltweit angebauten Sojabohnen zur Ernährung sogenannter Nutztiere verwendet werden, die sonst Menschen ernähren könnten. [8]
- Die Herstellung tierischer Proteine zerstört den Regenwald, da große Flächen für Weideland und den Anbau von Tiernahrung gerodet werden. [9]
Diese negativen Auswirkungen überwiegen den Nutzen tierischer Produkte deutlich.
Gesellschaftliches Problem: Speziesismus im aktuellen Tierschutzgesetz
Laut Gesetz ist es nach alledem bereits jetzt schon eigentlich nicht erlaubt, Tiere zu töten, um sie danach zu nutzen. In der Praxis wird jedoch angenommen, dass die Tötung gerechtfertigt ist, wenn die Tiere anschließend verwendet werden. Diese Sichtweise durchdringt unsere Gesellschaft – Justiz, Politik, Wirtschaft und auch die Verbrauchenden. Unsere Gesellschaft bringt bereits Kindern bei, andere Lebewesen als Nahrung und dem Menschen „unterlegene“ Spezies zu betrachten. Dieses Denken, andere Tiere aufgrund ihrer Andersartigkeit unseren Zwecken zu unterwerfen, sie auszubeuten, zu missbrauchen und zu töten, wenn sie einen vermeintlichen „Nutzen“ für uns erfüllen, nennt sich Speziesismus. Gegen diese soziale Ungerechtigkeit müssen wir gemeinsam vorgehen.
In keinem anderen Bereich gibt es so eine große Lücke zwischen der Bedeutung des Worts Vernunft und der Anwendung im Umgang mit anderen Tieren.
Vegane Ernährung bietet die Lösung für das moralische Dilemma
Eine vollwertige und ausgewogene vegane Ernährung kann unseren Nährstoffbedarf vollständig decken und ist zudem sehr schmackhaft. Viele Menschen leben bereits seit Jahren gesund und glücklich vegan. Der Schaden, den wir Menschen anderen Tieren zufügen, dient also nur unserem Geschmack und nicht unserer Gesundheit.
Die steigende Zahl an vegan lebenden Menschen zeigt, dass eine pflanzliche Ernährung Genuss und Gesundheit vereinen kann. Daher ist es nicht mehr gerechtfertigt, Tiere für unsere Ernährung auszubeuten, wenn es pflanzliche Alternativen gibt, die ebenso gut sind.
30 Jahre PETA: Alle Infos zum Jubiläum
Zum 30-jährigen Jubiläum setzt sich PETA Deutschland dafür ein, dass Tiere rechtlich als Individuen anerkannt werden, die schutzwürdige Interessen haben. Wir fordern, dass sie grundlegende Rechte erhalten, darunter das Recht auf Leben, Freiheit, körperliche Unversehrtheit und die Möglichkeit, sich frei zu entfalten. Hier finden Sie alle Meilensteine unserer Arbeit in 30 Jahren:
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Quellen
[1] Bundesministerium der Justiz: Vgl. § 1 S. 2 TierSchG, https://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/BJNR012770972.html (eingesehen am 13.09.2024)
[2] Hirt/Maisasck/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz Kommentar, 4. Auflage, § 1 TierSchG, Rn. 31.
[3] Statista (23.06.2020): Über 2 Millionen Tiere werden täglich geschlachtet, https://de.statista.com/infografik/22076/anzahl-der-durchschnittlich-pro-tag-in-deutschland-geschlachtete-tiere/ (eingesehen am 13.09.2024)
[4] Vgl. Brockhaus Lexikon (2006): Lexikon, Stichwort „Vernunft“.
[5] Vgl. Schmidt/Schischkoff, Philosophisches Wörterbuch (1974): Stichwort „Vernunft“.
[6] Bundesverwaltungsgericht: Urt. v. 22.10.1981, Az.: BVerwG 3 C 49/80 (Kükentöten).
[7] Xu et al. (2021): Global greenhouse gas emissions from animal-based foods are twice those of plant-based foods. Nature Food, https://www.nature.com/articles/s43016-021-00358-x (eingesehen am 13.09.2024)
[8] Brack, D. et al. (2016): Agricultural Commodity Supply Chains, https://www.chathamhouse.org/sites/default/files/publications/research/2016-01-28-agricultural-commodities-brack-glover-wellesley.pdf (eingesehen am 13.09.2024)
[9] Statista (2021): Anbaufläche von Sojabohnen weltweit bis 2021/22, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/443191/umfrage/anbauflaeche-von-sojabohnen-weltweit/ (eingesehen am 13.09.2024)