Australien ist das weltweit größte Exportland für Wolle, und das Fell australischer Schafe wird auf der ganzen Welt verkauft. Um die gewaltige Woll- und Fleischproduktion des Landes am Laufen zu halten, werden jedes Jahr knapp 30 Millionen australische Schafe getötet, sobald sie nicht mehr genug Wolle liefern. [1]
Neuer Nachwuchs soll für mehr Wolle sorgen, doch in Australien sterben jedes Jahr 10 bis 15 Millionen neugeborene Lämmer während oder kurz nach der Geburt. Viele der sogenannten Winterlämmer sind Kälte, Hagel und Regen schutzlos ausgeliefert und erfrieren oder verhungern qualvoll. [2]
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Warum gibt es in Australien überhaupt Winterlämmer?
Viele Schäfer steuern den Geburtstermin neuer Lämmer durch eine künstliche Befruchtung. Oftmals entscheiden sie sich aus Kostengründen für eine Wintergeburt, denn wenn sich die Lämmer im Frühjahr von der Brust ihrer Mütter entwöhnen und auf feste Nahrung umsteigen, sind die Weiden am reichhaltigsten. Der Farmer muss weniger Geld für Futtermittel aufwenden und die Tiere entwickeln durch das hohe Nahrungsangebot eine bessere Wollqualität.
Für die Fleischproduktion können Lämmer schneller gemästet und somit früher im Schlachthaus getötet werden. Den Preis für diese Effizienz- und Sparmaßnahme zahlen die Tiere. Aufgrund der gesteuerten Geburt im Winter erfriert in Australien etwa jedes vierte Lamm oder stirbt an Hunger und mangelnder Fürsorge. [3]
Mehrlingsgeburten führen zum Tod weiterer Lämmer
Um den Profit weiter zu maximieren, werden durch genetische Selektion vermehrt Schafe gezüchtet, die Zwillinge oder gar Drillinge gebären. Dadurch nehmen Geburtskomplikationen drastisch zu. Viele Lämmer sind viel zu klein und schwach, um zu überleben, denn ihre Mütter werden oftmals nicht mit zusätzlicher Nahrung versorgt. Die harschen Wintertemperaturen setzen den schwächelnden Tieren zusätzlich zu. Einige Lämmer werden verwaist zurückgelassen, wenn ihre Mütter bei oder nach der Geburt sterben oder krank sind. Zudem erkranken Mutterschafe, die Zwillinge oder mehrere Säuglinge austragen, häufig an Trächtigkeitstoxikose, einer schwerwiegenden Stoffwechselerkrankung, die zum Tod von Mutter und Kind führen kann. [4]
Einige Neugeborene sind für die Farmbetreiber aber auch schlicht unwirtschaftlich, da sie versehentlich durch die Paarung zwei verschiedener Rassen entstanden sind. Dadurch entspricht ihre Wolle nicht den hohen Anforderungen der Wollindustrie. Diese unerwünschten Lämmer erhalten aus Kostengründen oftmals keine veterinärmedizinische Versorgung, werden auf Auktionen verscherbelt, oder werden bewusst zum Sterben auf der Weide zurückgelassen. [5]
Qualvolle Standardpraktiken in der Wollindustrie
Lämmer, die der Kälte trotzen und überleben, werden schon kurz nach der Geburt verstümmelt. Noch bevor sie ein halbes Jahr alt sind, schneiden ihnen Arbeiter die Schwänze ab oder legen ihnen einen Gummiring an, der die Blutzufuhr auf äußerst schmerzhafte Weise unterbricht und dazu führt, dass der abgestorbene Schwanzteil nach zwei bis drei Wochen abfällt.
Diese grausamen Standardprozeduren sind Alltag in der Wollindustrie. Außerdem ist in Australien das grauenhafte Mulesing noch immer weit verbreitet. Zum Schutz vor Fliegenmadenbefall schneiden Farmer hierfür bei 90 % aller Merinoschafe riesige Haut- und Fleischstücke vom Hinterteil – meistens ohne Gabe von Schmerzmitteln.
Blutige Schur und qualvolle Schlachtung
Im Alter von sechs bis zwölf Monaten werden die Tiere zum ersten Mal geschoren. Der Schurprozess ist äußerst stressig für die jungen Schafe und oftmals extrem gewaltvoll. Zahlreiche Undercover-Aufnahmen zeigen Arbeiter, die Schafen ins Gesicht schlagen, auf sie eintreten und ihnen mit elektrischen Schurgeräten schwere Schnittwunden zufügen.
Die offenen Wunden werden anschließend kurzerhand und ohne Betäubung mit Nadel und Faden vernäht. Wenn die Schafe nach nur wenigen Jahren für die Wollproduktion nicht mehr zu gebrauchen sind, wird ihnen in einem Schlachthaus die Kehle durchgeschnitten oder sie werden lebend auf Schiffen in den Nahen Osten transportiert. Manche Lämmer werden bereits vor ihrem ersten Lebensjahr geschlachtet, um aus ihrer Haut Lammfell herzustellen.
Winterlämmer in Deutschland
Auch in Deutschland legen viele Schafhalter:innen die Lammung ihrer Schafe bewusst in den Winter, um im Frühjahr von höheren Lammpreisen zu profitieren. Anders als in Australien werden die meisten Schafe in Deutschland in den Wintermonaten allerdings in dunkle, verdreckte Ställe gesperrt. Auch hier sorgen nicht alle Tierhalter:innen für die von Tierärzt:innen empfohlene Temperatur von 18-22 Grad für neugeborene Lämmer. [6] Bei Schafen, die im Winter draußen gehalten werden, ist das Risiko jedoch am größten.
Ende Januar 2023 erreichte uns beispielsweise eine Whistleblower-Meldung, wonach ein Landwirt in Bayern hochschwangere Schafe ohne ausreichenden Schutz bei Minusgraden auf die Weide stellte. Mindestens fünf neugeborene Lammer erfroren qualvoll in der Kälte.
Was Sie tun können
Wie in den meisten landwirtschaftlichen Betrieben steht auch in der Wollindustrie die Profitmaximierung vor dem Tierwohl. Wir können die Schafe am besten vor Leid und Missbrauch schützen, indem wir keine Woll- und Fleischprodukte kaufen und uns stattdessen für tierfreie Alternativen wie Tencel oder Bio-Baumwolle entscheiden. Probieren Sie es doch einfach mal aus.
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Quellen
[1] FAO (2017): Livestock Primary. Number of sheep killed in Australia in 2017. Online: http://www.fao.org/faostat/en/#data/QL
[2] Neales, Sue (2012): End to the silence about 15 million dead lambs. The Australian. http://www.theaustralian.com.au/news/nation/end-to-the-silence-about-15-million-dead-lambs/news-story/dcfd08eddf63e33380a5f26004c596bf
[3] G.N., Brien, F. (2014): Lamb survival in Australian flocks. Areview. Animal Production Science, 2014, 54, 656–666. Csiro Publishing. S. 656
[4] MLA (2019): Pregnancy toxaemia. https://www.mla.com.au/research-and-development/animal-health-welfare-and-biosecurity/diseases/nutritional/pregnancy-toxaemia/
[5] OneGreenPlanet: Sanctuary Rescues Over 55 Orphaned Lambs From Wool Industry.
https://www.onegreenplanet.org/animalsandnature/sanctuary-rescues-over-55-orphaned-lambs-from-wool-industry/?fbclid=IwAR3_HOttSuCZ4FBu0nx8CQYg6ejZiZyfAmwQN5UO-Nvip3fGGcWrDA-XnHc (zuletzt zugegriffen am 08.03.2021)[6] Wagner, Annegret (2017): Kälteeinbruch: Lämmer brauchen Wärme. Online: https://www.wir-sind-tierarzt.de/2017/01/kaelteeinbruch-laemmer-brauchen-waerme/ (zuletzt aufgerufen am 16.02.2023)