Ein Gastbeitrag von Ingrid E. Newkirk
Es hat wenig Sinn, die Intelligenz von Tieren mit der des Menschen zu vergleichen. Mark Twain sagte einmal: „Es ist die typische menschliche Eitelkeit und Impertinenz des Menschen, ein Tier dumm zu nennen, nur weil sein menschlicher Verstand nicht ausreicht, es zu verstehen.“
Doch in der aktuell veröffentlichten und von Stephen Hawking beglaubigten Cambridge-Erklärung über das Bewusstsein erklärte eine berühmte Gruppe von Wissenschaftlern, dass Menschen nicht so einzigartig sind, wie bisher angenommen. „Nicht-menschliche Tiere wie beispielsweise alle Säugetiere und Vögel sowie viele andere Lebewesen wie zum Beispiel Oktopusse, besitzen dieselben neurologischen Strukturen (wie Menschen)“, so die Wissenschaftler. Die Tiere stehen also wirklich auf ihren Zehenspitzen oder Tentakeln, nehmen ihren Nachwuchs in die Arme oder aus dem Nest und empfinden dies auf die gleiche Art und Weise wie Sie oder ich. Die Frage ist: Wie kann dieses Wissen unser Verhalten beeinflussen und sollte es das überhaupt?
Unzählige Studien haben bereits belegt, dass Tiere logische, mathematische, sprachliche und emotionale Intelligenz besitzen. Lange Zeit dachten wir zum Beispiel, dass der Mensch die einzige Spezies sei, die Werkzeug benutzen kann, bis Forscher herausfanden, dass Wespen Kieselsteine wie Hammer benutzen, Oktopusse Kokosnussschalen als mobile Verstecke herumtragen und Krähen Stöcke verwenden, um im Boden nach Insekten zu graben. Die Liste ließe sich endlos fortführen. Es wurde nachgewiesen, dass die mathematischen Fähigkeiten von Fischen auf dem gleichen Niveau wie die von Affen, Delfinen und intelligenten Kleinkindern sind.
Wir wissen, dass Elefanten miteinander flirten und trauern wenn sie ein geliebtes Familienmitglied verlieren. Wir wissen, dass Kühe weinen und wir wissen, dass Affen darauf verzichten, an einer Kette zu ziehen, durch die sie die einzige Aussicht auf Nahrung hätten, wenn durch das Ziehen einem anderen, auch fremden Affen, ein elektrischer Schock zugefügt wird. In dieser berühmten Studie hungerte ein Affe und verzichtete fast zwei Wochen lang auf Wasser, um zu vermeiden, dass sein Freund leiden musste. Das Experiment wurde wiederholt. Dabei stellte sich heraus, dass auch andere Affen lieber hungerten als anderen Affen Schmerzen zuzufügen. Eine vergleichbare Studie mit menschlichen Teilnehmern zeigte, dass 65 Prozent der Probanden anderen äußerst starke Elektroschocks zufügten, nur weil der Versuchsleiter sie dazu aufforderte. Es sind nicht die Affen, um deren geistige Fähigkeiten wir uns Sorgen machen sollten!
Während fehlende Kommunikation die Ursache vielen Übels bei Menschen ist, sind Küken in der Lage, mit ihren Müttern hin und her zu gackern – auch wenn sie noch im Ei und noch nicht geschlüpft sind. Irene Pepperberg gehört zu den Unterzeichnern der Studie. Sie arbeitete schon früher mit einem Papageien namens Alex und zeigte, dass diese Vögel sinnvolles Englisch erlernen, zählen, Farben, Gegenstände und Formen erkennen können. Alex konnte sogar seine Gefühle auf Englisch ausdrücken. Gibt es einen Menschen, der bloß ein einziges Wort aus der Sprache der Tiere sprechen kann? Nein, aber vielleicht ist das auch besser so, denn wenn wir mit ihnen sprechen könnten, wie würden wir ihnen unser systematisches Ausnutzen und Missbrauchen anderer Spezies erklären?
Sind Menschen in der Lage, verschiedene Duftnoten einer einzigen Rosenblüte zu unterscheiden oder wissen sie, ob Insekten darauf gelandet sind oder eine menschliche Hand es zuvor berührt hat? Nein, aber Hunde können das und versuchen, ihr Bestes zu geben, obwohl sie von einem ungeduldig wartenden Menschen an der Leine herumgezogen werden, weil dieser Angst hat, seinen Kaffee nicht mehr rechtzeitig vor der Arbeit zu bekommen. Können sich Menschen durch den Stand der Sonne oder des Mondes an den Himmelsrichtungen orientieren? Nein, aber Bienen können es. Können Menschen ihre Hautfarbe so wechseln, dass sie sich der Umgebung anpasst oder einen Angreifer fernhalten? Nein, aber Tintenfische können es.
Tiere sind Lebewesen, die ein Bewusstsein haben und in der Lage sind, Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung zu erkennen, abstrakte Gedankengänge zu bilden, Probleme zu lösen, Sprache und Werkzeug zu benutzen, ein Langzeitgedächtnis aufweisen und Mitgefühl zeigen können; häufig mit Fähigkeiten, die menschlichen überlegen sind. Aber was noch viel wichtiger ist: Tiere verstehen es, wenn sie misshandelt und getötet werden und sie erleben Angst, Furcht und Schmerz, genau wie wir.
Hühner müssen mit ansehen, wie andere Hühner kopfüber an Bügel gehängt werden und wie ihre Kehlen aufgeschlitzt werden. Baby-Elefanten schreien nach ihren Müttern, die unerreichbar sind, weil sie geschlagen und malträtiert werden, um unsinnige und schmerzvolle Zirkus-Tricks auszuführen. Affenmütter trauern, wenn ihnen in der Wildnis ihre Babys entrissen werden, die in Versuchslaboren landen.
Es ist schon interessant, dass als Synonym des Wortes „human“ oft „mitfühlend“ verwendet wird. Glücklicherweise fangen immer mehr Menschen an, zu verstehen, warum das so wichtig ist.
Ingrid E. Newkirk ist Vorsitzende und Gründerin der Tierrechtsorganisation PETA (Menschen für den ethischen Umgang mit Tieren).